Roche will sich für die Abtrennung des Vitamingeschäfts viel Zeit lassen


Roche kündete, wie erwartet, die Abtrennung des Vitamingeschäftes an. Sie nimmt sich aber dafür viel Zeit – und sperrt sich im Pharma-Bereich gegen das Zusammengehen mit Novartis.

Von Markus Schär

«Wir prüfen derzeit mögliche strategische Alternativen zur künftigen Gestaltung des Vitamingeschäfts von Roche»: Mit diesem Satz bestätigte Konzernchef Franz Humer bei der Präsentation der Jahresergebnisse, was nach Andeutungen zu erwarten war. Nach den Aromen vor zwei Jahren (Givaudan) will Roche auch die Vitamine abstossen. Viel mehr erfuhren Journalisten und Investoren im prächtigen neuen Ausbildungszentrum am Zugersee allerdings noch nicht. «Der Prozess hat jetzt begonnen», sagte Franz Humer, «aber wir lassen uns nicht unter Zeitdruck setzen, sondern suchen die optimale Lösung in aller Ruhe.»

Zusammenschluss ist nicht möglichGegenwärtig balgen sich die Investment-Banken um das lukrative Mandat. Über den Zuschlag wird entscheiden, ob sie die vorteilhafteste Variante vorschlagen können. Klar ist nur, dass sich das Vitamingeschäft als Nummer eins auf dem weltweiten Markt nicht einem Konkurrenten verkaufen lässt, da die Wettbewerbsbehörden dies nicht zulassen würden. Und anderseits macht gemäss Franz Humer eine Aufteilung in die drei Bereiche Vitamine, Carotinoide und Feinchemikalien angesichts der Synergien zwischen ihnen keinen Sinn.


«Viele Konkurrenten bei den Vitaminen verlieren Geld – nur die Fittesten werden überleben.» Franz Humer, VR-Präsident und CEO von Roche


Kommt Vitamingeschäft an die Börse?Neben den direkten Konkurrenten sieht der Roche-Chef aber «eine Reihe von Unternehmen in ähnlichen Bereichen» mit dem gleichen Kundenkreis (Nahrungsmittel- , Tierfutter-und Kosmetika-Produzenten), die sich für das Vitamingeschäft interessieren dürften. Und schliesslich bietet sich dieselbe Lösung wie bei Givaudan an: ein Spin-off samt Kotierung an der Börse.

Radikal verschärfter WettbewerbAllerdings will Roche diese Sparte ja loswerden, weil der ehemalige Goldesel in einem Wettbewerbsumfeld kämpfen muss, das sich «radikal geändert hat», wie Franz Humer einräumt: Das Herstellen der lebenswichtigen Vitamine ist zum «reinen Commodity-Geschäft» geworden, in dem harter Preisdruck herrscht. So führte der Einbruch des Lachs-Preises um 60 Prozent im letzten Jahr zu einer kräftigen Einbusse im Geschäft mit den Carotinoiden: Mit den Chemikalien werden die Fische appetitlich rötlich gefärbt. «Viele Konkurrenten verlieren Geld», weiss Franz Humer, «nur die Fittesten werden überleben.»

Überleben nur dank KostensenkungDazu soll Roche, «im Branchenvergleich immer noch auf dem Spitzenplatz», aber gehören. Markus Altwegg, der Leiter der Division Vitamine und Feinchemikalien, will in den kommenden zehn Jahren die Produktionskosten halbieren, um die Kostenführerschaft zu behaupten. Denn nur so lässt sich in diesem Geschäft noch Geld verdienen: Die Produktionskosten machen 70 Prozent der gesamten Kosten aus, und die Preisgestaltung ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor.

Bisher fast drei Milliarden BussenVorläufig kämpft Roche allerdings mit den Altlasten aus den goldenen Zeiten, als ein Kartell die Vitaminpreise hoch hielt. Franz Humer bestätigte, nach Rückfrage bei seinem Stab, dass inzwischen – bei einer halben Milliarde Dollar in den USA und einer halben Milliarde Euro in der EU – Bussen für rund 2,9 Milliarden Franken zusammengekommen sind. 2001 hat Roche weitere Rückstellungen von 760 Millionen Franken gebildet, gemäss offiziellem Redemanuskript «zur Bewältigung der noch nicht geregelten Klagen von Kunden in den USA». Der Betrag beruhe auf der Annahme, dass die ausstehenden Fälle zu ähnlichen Bedingungen gelöst werden könnten wie die bereits geregelten.

Gesamtrückstellungen nicht verraten «Das können Sie nicht so zusammenrechnen», meinte Franz Humer zuerst zur Addition von 2,9 Milliarden und 760 Millionen Franken. Er korrigierte sich aber später, wobei offen blieb, wie die Rechnung denn korrekt lautet. Den gesamten Betrag der Rückstellungen wollte der Roche-Chef jedenfalls nicht verraten, «um in schwebenden Verfahren unsere Verhandlungsposition nicht zu schwächen».

Im Pharmageschäft der Zukunft zu kleinWie aber geht es mit Roche weiter, wenn auch das Vitamin-Geschäft abgestossen ist? Der Konzern ist zwar in der Diagnostik, die ähnliche Margen erzielt wie das Pharmageschäft, weltweit klar Marktführer, und er sieht sich inzwischen auch in der Onkologie als Nummer eins – dies allerdings nur dank der biotechnisch hergestellten Medikamente von Genentech, die hohe Zuwachsraten erzielen und sich zu Blockbustern mit Milliardenumsätzen entwickeln. Für das Pharmageschäft der Zukunft ist Roche aber nach Expertenmeinung zu klein.

Roche kauft keine Novartis-AktienWann kommt also der Zusammenschluss mit Novartis, die seit letztem Jahr 20 Prozent der Aktien hält? Während Daniel Vasella aus seinen Absichten keinen Hehl macht, beteuerte Franz Humer, die Kontakte gingen nicht über das normale Mass im Umgang mit Konkurrenten hinaus: «Es finden darüber hinaus keine Gespräche irgendwelcher Art statt.» Und auf die Frage, weshalb Roche denn mit den üppigen flüssigen Mitteln nicht Novartis-Aktien kaufe, lachte er nur: «Wir haben keinen Anlass zu Gegengeschäften.»

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