Stefan Pichler, CEO Jazeera Airways (Kuwait)

von Gérard Al-Fil


Herr Pichler, hierzulande kennt man die Emirates, die Etihad und auch Qatar Airways recht gut. Wer ist Jazeera Airways?

Wir sind die erste private Fluggesellschaft in Kuwait und im Mittleren Osten. Wir fliegen mit zehn Maschinen vom Typ Airbus A 320 total 26 Ziele in 13 Ländern des Mittleren Ostens an. Weitere 30 Flugzeuge sind fest bestellt. Seit Oktober 2005, als unsere erste Maschine abhob, haben wir über 3 Millionen Passagiere befördert.

Es heisst, Budget-Airlines wie die Jazeera hätten von der Wirtschaftskrise profitiert, weil die Flugreisenden auf günstigere Alternativen umgestiegen sind?

Ich bin offen gesagt kein Freund des Schubladendenkens. «Budget-Airline»… das ist so eine Box. Die Luftfahrt ist ein kapitalintensives und auch risikoreiches Geschäft. Das bedeutet: in unserer Branche müssen Sie die Stückkosten so niedrig wie möglich halten. Gleichzeitig müssen Sie ihre Einnahmeseite nicht maximieren, sondern optimieren.

Nun verlief das erste Halbjahr 2009 eher harzig. Jazeera flog einen Verlust von 7,8 Mio. Dollar ein…

Jazeera Airways will die führende Fluggesellschaft mit dem besten Netzwerk im Mittleren Osten werden. Das ist unser Ziel. Dafür stehen wir im Wettbewerb. Wir sind schon jetzt die pünktlichste Airline in der Region. 93 Prozent unserer Maschinen heben zeitig ab. Wir zielen nicht nur auf den Urlauber ab, sondern auch auf Geschäftsreisende. Letztere fliegen in unserer komfortablen J(azeera)-Plus?Klasse. Wir haben bis jetzt jedes Jahr Gewinne erzielt. Ich bin optimistisch, dass wir für das Gesamtjahr 2009 am Ende im Plus liegen werden.

Jazeera ist die einzige Airline, die drei verschiedene Economy-Klassen anbietet: Easy, Light und Freedom. Welche Idee steckt dahinter?

Das ist immer die Frage, wie Sie das Ganze managen. Andere Fluggesellschaften unterteilen ja auch ihre Business-Klasse. Wir teilen die Economy Class so ein, dass wir auf der Einnahmeseite keine Kapazitäten vernichten. Wer nur mit Handgepäck bei uns unterwegs ist, fliegt eben Easy und bezahlt weniger als in der Light- oder Freedom-Kategorie. Das ist eine viel vernünftigere und effizientere Vorgehensweise. 


«Das hängt davon ab, wie man Hub definiert. Letzendlich war Dubai für uns ein Flughafen, auf dem unsere Leute und unsere Flugzeuge schliefen.»


Die Regierung des Golf-Emirats Dubai hat Ihnen im Juni die Rechte für den Flughafen Dubai als zweiten Hub neben Kuwait entzogen, offenbar um den Weg für die FlyDubai, der neuen Tochtergesellschaft der staatlichen Emitrates Airline frei zu machen. Wie gehen Sie damit um?

Das hängt davon ab, wie man Hub definiert. Letzendlich war Dubai für uns ein Flughafen, auf dem unsere Leute und unsere Flugzeuge schliefen. Dies hat schlussendlich nur höhere Kosten verursacht. Wir entwickeln Dubai deshalb als virtuellen Hub weiter.

Wie meinen Sie das?

Virtueller Hub heisst, dass wir die Lande- und Startfrequenz nach und aus Dubai heraus erhöhen, so dass Menschen und Material nicht am Dubai International Airport gebunden sind. Wir fliegen sechs mal täglich von Dubai nach Kuwait, ausserdem von DXB (IATA-Code fur Dubai, d. Red) direkt nach Bahrain. Aus diesem Grund haben wir am 29. September unser erstes Verkaufsbüro in Dubai-Deira nahe dem International Airport eröffnet. Unsere Kunden schätzen persönlichen Service auch in Zeiten des Online-Buchens. Am 1. Oktober haben wir Abu Dhabi neu in unseren Flugplan aufgenommen. Damit deckt Jazeera Airways die Golf-Emirate optimal ab. Mit unserem virtuellen Drehkreuz Dubai ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen. Grundsätzlich untersuchen wir als schnell wachsendes Unternehmen auch neue Möglichkeiten in und ausserhalb der Region.


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Gerade haben in Genf die Verhandlungen zwischen den fünf ständigen UNO-Sicherheitsratsmitgliedern plus Deutschland und der Islamischen Republik Iran begonnen. Man sucht nach einer Lösung im sogenannten Kernenergiestreit. Sorgen Sie sich, dass die Verhandlungen scheitern und der Luftfahrtindustrie in Mittelost einen Dämpfer verpassen könnten, von dem sie sich lange nicht mehr erholen würde, so wie 1991 der Irak-Krieg westliche Airlines in Turbulzenzen brachte?


Nein, absolut nicht. Es gibt immer kurzfristige Effekte, die sich auf den Tourismus und auf die Luftfahrtindustrie auswirken. Das langfristige Wachstumzpotenzial wird dadurch nicht beeinträchtigt.


Nun fliegt Jazeera auch die iranischen Städte Teheren und Shiraz an. Glauben Sie, selbst ein Worst-Case-Szenario würde nichts an Ihrer Strategie ändern?


Kurzfristig kann immer alles passieren. In den mittelöstlichen Breitengraden müssen sie aber langfristig planen. Wir tun es.


«Ich denke, wir haben am Persischen Golf und generell in Nahost aufregende Jahre vor uns.»


Worin liegt für Sie als Deutscher der besondere Reiz, eine kuwaitische Fluggesellschaft zu führen?


Meine Karriere führte mich bereits nach Australien und in die Region Asien-Pazifik. Ich war auch einige Jahre in Mumbai. Ich schätze Herausforderungen sehr, besonders dann, wenn man ein Stück Geschichte schreiben und Zukunft gestalten darf. Ich denke, wir haben am Persischen Golf und generell in Nahost aufregende Jahre vor uns. Die Märkte sind noch vergleichsweise stark reguliert, eine schrittweise Deregulierung ist aber absehbar. Der Open Skies-Trend wird sich fortsetzen. Neue Kunden, junge Kunden vor allem und junge Führungskräfte in unserer Industrie werden Veränderungen fordern, werden sie durchsetzen. Mit Jazeera Airways sind wir von einer Menge Mitbewerber umgeben. Wir nehmen die Herausforderung an und wollen gewinnen. Darum bin ich hier.


Stichwort Deregulierung. Im Mittleren Osten traten seit 2005 im Schnitt zwei neue Airlines pro Jahr in den Markt ein. In Europa dagegen wurde und wird eifrig fusioniert und akquiriert, wie etwa im Falle Lufthansa ? Swiss International Airlines. Es kam zu Schieflagen und Konkursen. Rechnen Sie aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise bald mit einer ähnlichen Konsolidierung im Orient?


Das Tempo der Konsolidierung wird jedenfalls in der arabischen Welt langsamer ablaufen als in Europa. Die Märkte hier am Golf sind, wie gesagt, stark reguliert. Viele Gesellschaften sind noch zu 100 Prozent in Staatsbesitz. In den arabischen Golfstaaten rechnen wir am ehesten mit einer Konsolidierung, weil sich die sechs Länder Kuwait, Saudirabien, Katar, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate und Oman in der Wirtschaftsunion GCC (Golfkooperationsrat, d. Red.) zusammen geschlossen sind und deren Integration voran schreitet. Ich glaube aber, dass erst in den nächsten sieben bis zehn Jahren in Mittelost eine vergleichbare Entwicklung wie in Europa eintreten wird.


Wird Jazeera Airways bis dahin eigenständig bleiben?


Als private Gesellschaft werden wir jedenfalls nichts tun, was nicht zusätzlichen Shareholder Value schafft.


Herr Pichler, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.






Zur Person:
Stefan Pichler (51) wurde am 21. Juni 2009 zum Chief Executive Officer (CEO) der kuwaitischen Fluggesellschaft Jazeera Airways berufen. Jazeera (das arabische Wort bedeutet Insel), deren Aktien an der Kuwait Stock Exchange kotiert sind, war nach Air Arabia aus Sharjah, VAE, die zweite Budget-Airline und die erste private Gesellschaft im Mittleren Osten. Es traten danach u. a. die Billigflieger Sama Air, NAS Air (beide Saudiarabien) und FlyDubai in den Markt ein. Das Besondere im Innern der zehn Jazeera-Maschinen vom Typ Airbus A 320 ist deren Lederbestuhlung in allen Klassen. Jazeera-CEO Pichler kennt das internationale Flug-Business aus dem Effeff. Wie viele deutsche Airline-Manager lernte auch er das Einmaleins der Luftfahrt bei der Deutsche Lufthansa AG. Ansonsten scheint die Welt fur Pichler nicht genug, hat er doch ebenso berufliche Erfahrungen als Direktor bei der Deutsche Bank AG, bei Steigenberger Hotels in Deutschland und Grupo Iberostar in Spanien sammelte.


Als CEO des Reiseunternehmens Thomas Cook trieb er die internationale Expansion des Konzerns voran, verliess das Unternehmen jedoch Ende 2004. Das manager magazin befand damals, Pichler sei «am eigenen Ehrgeiz gescheitert.» In Australien führte er nach seinem Ausscheiden bei Thomas Cook die australische Fluggesellschaft Virgin Blue von Englands exzentrischem Milliardär Richard Branson als Chief Commercial Officer (CCO). Angeblich wurde Pichler mindestens einmal als Swiss-Chef gehandelt, und auch die Emirate-Platzhirsche Emirates Airline und Etihad Airways interessierten sich dem Vernehmen nach für den Deutschen, der nicht nur am liebsten fliegt, sondern im Persischen Golf auch gerne tauchen geht.

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