Steuerstreit mit EU: Economiesuisse rechnet mit langer Auseinandersetzung

Lenkte die Schweiz ein, würde die EU künftig versuchen, der Schweiz auch in anderen Bereichen ihre Rechtsordnung überzustülpen, warnte der Präsident des Wirtschaftsdachverbands in einem Interview der «NZZ am Sonntag». Das Freihandelsabkommen, auf das die EU sich im Steuerstreit beruft, habe mit der Besteuerung von Holdings und anderen kantonalen Spezialregimen nichts zu tun.


Kurzfristig Nachteile in Kauf nehmen
Wenn die Schweiz das Spezialregime der Kantone mit der unterschiedlichen Steuerbelastung für in- und ausländische Holdinggewinne aufgäbe, verlöre sie massiv Steuereinnahmen. «Das können wir uns schlicht nicht leisten.» Natürlich habe auch die Schweiz Anliegen an die EU. «Aber unsere Prinzipien und internationales Recht müssen wir verteidigen, selbst wenn uns das kurzfristig gewisse Nachteile bringt», sagte Bührer.


Schweiz keine Steueroase
Bührer bekräftigte zudem seine Kritik am deutschen Finanzminister Peer Steinbrück, der die Schweiz als einer der «Steueroasen» in Europa bezeichnet hatte, denen die EU den «Kampf» ansagen wolle. Economiesuisse veröffentlichte am Freitag einen offenen Brief in mehreren Zeitungen, in dem sich der Verband scharf gegen diesen Vorwurf zur Wehr setzte.


Rubikon überschritten
Steinbrück habe «den Rubikon überschritten», sagte Bührer. «Dagegen müssen wir Stellung beziehen.» Immerhin habe mit Steinbrück ein amtierender Finanzminister die Schweiz in Misskredit gebracht. Deutschland müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Schweiz zahlreiche Anstrengungen unternommen habe. Es gebe ein Betrugs- und Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU, die Schweiz habe die Rechtshilfe ausgebaut und sei Spitze im Kampf gegen Geldwäscherei.


Steuerhinterziehung kein Strafbestand
«Aber es kann nicht angehen, dass wir vom Prinzip der doppelten Strafbarkeit bei der Rechtshilfe abweichen. Steuerhinterziehung ist bei uns – anders als Steuerbetrug – kein Straftatbestand.» Aus Sicht von Bührer hat sich Deutschland im Steuerbereich in eine Richtung bewegt, die Konflikte schafft. «Hier müssen wir auf andere Länder zugehen.» Die Schweiz tue gut daran, mit den steuergünstigen Ländern in der EU, beispielsweise Österreich, gute Kontakte zu unterhalten.


Keine Verhandlungen
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bekräftigte in einem Interview mit der «SonntagsZeitung», die Schweiz verhandle im Steuerstreit nicht. Auch beim Bankgeheimnis sieht sie keinen Handlungsbedarf. Das Schweizer Bankgeheimnis sei in verschiedenen Verträgen mit der EU abgesichert, sagte Calmy-Rey. Die Frage der Zinsbesteuerung sei in den Bilateralen II langfristig geregelt. 2006 habe die Schweiz der EU über die Zinsbesteuerung eine halbe Millarde Franken überwiesen. «Letztes Jahr dürfte es noch mehr gewesen sein.» (awp/mc/ps)

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