Studie: Zunehmnde Rezession erhöht Betrugsrisiko

Bei einigen Themen stimmen sie jedoch miteinander überein. Die Hälfte der europäischen und 40% der Schweizer Befragten stuften eine oder mehrere Arten unethischen Geschäftsverhaltens als akzeptabel ein – ein Ergebnis, das Anlass zur Sorge gibt. So empfinden beispielsweise 25% der europäischen und 20% der Schweizer Teilnehmer Bestechungsgelder, um den Zuschlag für ein Geschäft zu erhalten, als gerechtfertigt. Eine beachtliche Minderheit (8%) der europäischen Befragten hielt es sogar für vertretbar, die finanzielle Performance ihres Unternehmens zu verfälschen, um im derzeitigen turbulenten Wirtschaftsumfeld überleben zu können. Bei den Schweizer Befragten waren lediglich 2% dieser Meinung.


Erschreckende Toleranz
Michael Faske, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei Ernst & Young Schweiz, hält fest: «Obwohl die Schweizer Befragten zum Thema Betrug teilweise andere Ansichten haben, zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass unter den Mitarbeitenden von Unternehmen innerhalb Europas eine enttäuschende und erschreckende Toleranz gegenüber unethischem Verhalten herrscht. Die Zahlung von Bestechungsgeldern, um den Zuschlag für ein Geschäft zu erhalten, und die willkürliche Manipulation der finanziellen Performance zur Vertuschung schlechter Ergebnisse wurden von einer beunruhigend hohen Anzahl der Befragten befürwortet.»  


Ein zunehmend gravierendes Problem
Bei einem Konjunkturabschwung wird einerseits vermehrt Betrug aufgedeckt, da dieser nicht mehr hinter dem Wirtschaftswachstum verborgen bleibt. Andererseits sieht sich das Management zunehmend gezwungen, die Gewinne und Erträge aufrechtzuerhalten, wodurch die Bereitschaft steigt, Betrug zu begehen. Michael Faske erläutert: «Im derzeitigen Umfeld stehen die Manager unter unglaublich starkem Druck, um ihre jeweiligen Geschäfte zu stabilisieren und ihre finanziellen Ziele zu erreichen -sowohl auf personeller als auch auf Unternehmensebene.» Eine sich häufig ändernde Organisationsstruktur und unklare Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Berichterstattung schaffen bereits in wirtschaftlich guten Zeiten Gelegenheiten für betrügerisches Verhalten. In Zeiten einer Rezession, in denen solche Probleme vermehrt auftreten, erhöht sich das Betrugspotenzial noch zusätzlich.


Lücken bei Finanzkontrollen
Michael Faske erklärt hierzu: «Wenn Schweizer Unternehmen Mitarbeitende entlassen oder wenn im Unternehmen ein Eigentümerwechsel stattfindet, können bei den Finanzkontrollen Lücken entstehen.» 30% der Schweizer Befragten (gegenüber 45% der europäischen Umfrageteilnehmer) sind der Ansicht, dass Fusionen und Übernahmen den Betrug fördern. Den meisten Schweizer Befragten zufolge (88%) sind Betrugsfälle im Zusammenhang mit Fusionen hauptsächlich auf Entlassungen zurückzuführen. 37% der Umfrageteilnehmer in der Schweiz glauben, dass im Fall von Mitarbeiterentlassungen geltende Richtlinien und Vorschriften häufig nicht beachtet werden. Mehr als die Hälfte (60%) der europäischen Befragten sind der Meinung, dass abweichende Verhaltensstandards zwischen zwei fusionierenden Unternehmen im Hinblick auf die Betrugsbekämpfung problematisch sind.


Ausblick für Europa durchweg pessimistisch
Über die Hälfte der Umfrageteilnehmer (53% der Schweizer und 55% der europäischen Befragten) rechnen für die nächsten Jahre mit zunehmendem Unternehmensbetrug. Grund dafür sind Veränderungen, denen die Unternehmen aufgrund des Wirtschaftsabschwungs ausgesetzt sind: geringerer Fokus auf Betrugsbekämpfung sowie der Druck, die Zukunft des Unternehmens zu schützen und die Boni sowie die Vergütung zu erhöhen. In der Schweiz rechneten lediglich 5% der Befragten mit einer Abnahme des Unternehmensbetrugs. Michael Faske erläutert: «Die geografische Lage oder die jeweilige wirtschaftliche Solidität haben kaum Einfluss auf die Erwartungen zunehmender Betrugsfälle innerhalb Europas. Die Rezession ist global. Deshalb ist auch das Thema Betrug ein globales Problem.»


Das Management als Teil des Problems
In Bezug auf die Rolle des Managements sind sich die Schweizer Befragten weitgehend mit den europäischen Umfrageteilnehmern einig: Anstatt als Vorbild zu fungieren, stellen sämtliche Führungsebenen einen Teil des Problems, wenn nicht sogar die Hauptrisikoquelle von Betrug dar. So ist 38% der Umfrageteilnehmern zufolge das obere Management und 36% der Befragten zufolge das mittlere Management die Organisationsstufe, auf der das Betrugsrisiko am grössten ist. Rund 71% der Schweizer Befragten hatten Gründe, die Seriosität des Managements ihres Unternehmens in Frage zu stellen. Auf europäischer Seite waren es durchschnittlich 69%. Zudem sind 88% der Befragten der Ansicht, das Management könnte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dazu neigen, an allen Ecken und Kanten zu sparen. Lediglich 22% der Schweizer Befragten (und 24% der europäischen Befragten) waren überzeugt, das Management ihres Unternehmens demonstriere ein hohes Mass an persönlicher Integrität.


Mitarbeiter erwarten verstärkten Schutz
Aufgrund des fehlenden Vertrauens in das Management weist die Studie darauf hin, dass sich die Mitarbeitenden von den Aufsichtsorganen und anderen Regulierungsbehörden einen verstärkten Schutz erhoffen. Die Studie betont, dass die Schweizer Umfrageteilnehmer im Vergleich zum Durchschnitt der europäischen Befragten der Präsenz und den Kontrollmassnahmen der Regierung und Aufsichtsbehörden zur aktiven Bekämpfung und Reduktion des Betrugsrisikos eine viel grössere Bedeutung zuschreiben.


Unternehmensspitze soll für fehlende Aufsicht haften
Gemäss Michael Faske zeigten sie sich mit Recht darüber besorgt, dass «das obere Management der Umfrageteilnehmer im Vergleich zu rangtieferen Mitarbeitenden eher dazu tendiert, Bestechung und Betrug beim Rechnungsabschluss zu tolerieren. Durch unsere Zusammenarbeit mit den Aufsichtsorganen stellte sich heraus, dass sich diese der Vernachlässigung der Corporate Governance völlig bewusst sind und sich darauf vorbereiten, künftig weitaus aggressivere Zwangsmassnahmen ergreifen zu müssen.» Darüber hinaus waren sich 66% der Schweizer Befragten einig, dass die Unternehmensspitze für Fehler im Zusammenhang mit Betrug, die unter ihrer Aufsicht erfolgen, selbst haften sollte.


Ein Warnsignal?
Wie Michael Faske abschliessend feststellt, hat der mittlerweile in Unternehmen so häufig vorkommende Betrug auch eine positive Seite: «Das Gute ist, dass die momentane Krise vielleicht die Gelegenheit bietet, schneller und effizienter einen Wandel voranzutreiben als während einer Wohlstandsphase. Nun ist es für das Management an der Zeit, unverzüglich und entschieden zu handeln, um die Bedeutung der ethischen Geschäftsführung in den Vordergrund zu stellen». (ernst&young/mc/ps)


Informationen zur Studie
Im Februar 2009 wurden Telefon- bzw. Online-Interviews mit insgesamt 2’246 Mitarbeitenden in 22 Ländern Europas durchgeführt. An der Umfrage nahmen Beschäftigte von börsennotierten und/oder multinationalen Unternehmen mit mehr als 1’000 Mitarbeitenden teil. Davon arbeiteten 48% für Unternehmen mit über 5’000 Mitarbeitenden und 92% für Unternehmen mit über 500 Beschäftigten.


Kurzporträt von Ernst & Young
Ernst & Young ist ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuern, Transaktionen und Beratung. Unsere 135’000 Mitarbeitenden auf der ganzen Welt verbinden unsere gemeinsamen Werte sowie ein konsequentes Bekenntnis zur Qualität. In der Schweiz ist Ernst & Young ein führendes Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und bietet Dienstleistungen in den Bereichen Steuern und Recht sowie Transaktionen und Rechnungslegung an. Unsere 1’900 Mitarbeitenden in der Schweiz haben im Geschäftsjahr 2007/08 einen Umsatz von CHF 563 Mio. erwirtschaftet. Wir differenzieren uns, indem wir unseren Mitarbeitenden, Kunden und Anspruchsgruppen helfen, ihr Potenzial auszuschöpfen.

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