Sven Thali, Geschäftsleiter Alternative Bank ABS: «Geld ist Macht und Macht ist Geld. Deshalb schreit Geld nach ethischer und sozialer Verantwortung»

Sven Thali, Geschäftsleiter Alternative Bank ABS: «Geld ist Macht und Macht ist Geld. Deshalb schreit Geld nach ethischer und sozialer Verantwortung»

von Patrick Gunti


Herr Thali, Sie sind seit April 2007 neuer Geschäftsleiter der ABS. Was hat Sie zum Wechsel zur ABS bewogen und mit welchen Zielsetzungen haben Sie die Stelle angetreten?


Die ABS bietet mir die Möglichkeit, meinen ökonomischen und ökologischen Rucksack gesamtheitlich einzubringen. «SINNmaximierung statt Gewinnmaximierung»: diesen Grundsatz kann ich bei der ABS im täglichen operativen Geschäft leben. Geld ist Macht und Macht ist Geld. Deshalb schreit Geld nach ethischer und sozialer Verantwortung. Diese Haltung ist langfristig für die Welt auch ökonomisch interessanter. Mir ist es wichtig, diese Werte zusammen mit 67 mitdenkenden MitarbeiterInnen weiter nach aussen zu tragen. Denn: Wir wollen wachsen, wir wollen neue KundInnen gewinnen. Aus Ueberzeugung.


Die ABS ist 2006 weiter gewachsen. Die Kundengelder nahmen um 4,4 % auf 656,6 Mio. Fr. zu, die ausbezahlten Kredite, Darlehen und Hypotheken wuchsen um 5,8 auf 535,1 Mio. Fr. Die Bilanzsumme beträgt neu 724 Mio. Franken (+4,7 %) und die Anzahl Kundinnen und Kunden liegt neu bei fast 21’000. Welche Bilanz ziehen Sie zum Geschäftsjahr 2006?


Ich bin sehr zufrieden. Besonders freut mich, dass wir alle Neugelder als Ausleihungen gleich wieder weiter geben konnten – und zwar nach den ethischen Kriterien der ABS. Das ist für unsere Bank, die sich der nachhaltigen Realwirtschaft verschrieben hat, sehr erfreulich.


Das Resultat zeigt den Trend, im wirtschaftlichen wie privaten Bereich mehr ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Wie nachhaltig schätzen Sie diesen Trend ein?


Ich bin nicht sicher, ob wir schon von einem allgemeinen Trend zu mehr ökologischer und sozialer Verantwortung sprechen können. Wenn das Megathema «Klimawandel» in den Medien wieder etwas in den Hintergrund tritt, wird sich das zeigen. Es gibt in der Schweiz aber zweifellos mehr als 21’000 Menschen, die in ökologischer und sozialer Hinsicht Verantwortung für ihr Geld übernehmen wollen. Deshalb bin ich überzeugt, dass das Interesse an der ABS stetig weiter wachsen wird – Trends hin oder her.


«Ich bin nicht sicher, ob wir schon von einem allgemeinen Trend zu mehr ökologischer und sozialer Verantwortung sprechen können.» (Sven Thali, Geschäftsleiter Alternative Bank ABS)


Sehr viele Banken bieten heute ähnliche Anlagemöglichkeiten wie die Alternative Bank Schweiz. Freut Sie das oder stört Sie das?


Grundsätzlich freue ich mich über jeden Franken, der in nachhaltige Anlagen fliesst, ob bei der ABS oder anderswo. Schliesslich gehört es zu den Zielen der ABS, dem Finanzplatz Schweiz Impulse zu geben. Die ABS unterscheidet sich aber durch ihre gesamtheitliche ethische Ausrichtung radikal von fast allen anderen Banken. Bei uns ist «Nachhaltigkeit» nicht einfach ein Geschäftsbereich unter anderen. Konkret: Wenn ich bei der ABS-Anlageberatung entschliesse, Geld im Bereich Erneuerbare Energien anzulegen, dann bin ich sicher, dass nicht im Büro nebenan dieselbe Bank auch noch Geschäfte zugunsten von Kohlekraftwerken, Waffenindustrie oder Gentechnik-Anbietern macht.


Kann die ABS dank ihrer langjährigen Erfahrung mit ethischen, ökologischen und sozialen Finanzanlagen in diesem Bereich besser agieren als traditionelle Finanzinstitute?


Ich zweifle nicht daran, dass die auf nachhaltige Anlagen spezialisierten Bereiche in anderen Finanzinstituten ihre Arbeit genauso professionell und seriös machen wie wir bei der ABS. Schliesslich bietet die ABS einige Fonds an, die von anderen Banken zusammengestellt sind. Darauf würden wir verzichten, wenn wir Zweifel an der Qualität dieser Fonds hätten. Wir möchten aber weiter gehen. Deshalb baut die ABS ihr Anlagegeschäft aus. Wir werden  unserer  Kundschaft mehr anbieten können als heute und auch mehr als die «gängigen» Nachhaltigkeitsfonds. Für die Zukunft könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass die ABS bestehende Portefeuilles nach Nachhaltigkeits-Kriterien analysiert und schrittweise umschichtet. Für AnlegerInnen, die Verantwortung übernehmen wollen.


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Die Alternative Bank hat sich mit ihrer Philosophie in den 16 Jahren ihres Bestehens sowohl bei ihren Kunden wie auch in der Finanzbranche Anerkennung verschafft. Welches sind die Kernpunkte dieser Philosophie?


Wir verzichten auf Gewinnmaximierung und haben klare ethische Leitplanken für unsere gesamte Geschäftstätigkeit. Die ABS pflegt eine einmalige Transparenz. Sie publiziert als einzige Bank der Schweiz alle gewährten Kredite vollständig. Mit dem Einverständnis der Kundschaft, selbstverständlich. Und nicht zuletzt leben wir auch selber als Unternehmen unsere Vision von einer nachhaltigen Wirtschaft vor. Das fängt bei den fortschrittlichen Anstellungsbedingungen an und hört beim Biokaffee im Pausenraum auf.


Wie schätzen Sie das Image Ihres Instituts ein, einerseits in der Öffentlichkeit, andererseits in der Finanzwelt?


Ich denke, in der Finanzwelt wird unser Geschäftsmodell inzwischen respektiert. Es teilen noch nicht alle die Auffassung, dass gedankenlose Gewinnmaximierung und ethische Unbekümmertheit in der Finanzwelt überwunden werden müssen. Daran arbeiten wir noch! Über unser Image in der weiteren Öffentlichkeit habe ich schlicht keine Daten. Sicher ist es so, dass viele Menschen auf Anhieb gar nicht wissen, dass die ABS existiert und was sie macht. Wir haben also dort kein gutes oder schlechtes, sondern gar kein Image. Dem helfen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten mit zielgruppenspezifischer Werbung ab.


Mit von ABS gewährten Krediten werden ökologische und soziale Projekte finanziert. Wo liegen die Schwerpunkte und wie halten Sie die Kontrolle über die Art der Projekte?


Mit einem Anteil von rund zwei Dritteln an der Gesamtsumme unserer Ausleihungen von rund CHF 557 Millionen macht inzwischen auch bei uns der Sektor Immobilien den Löwenanteil der gewährten Kredite aus. Rund 47 Prozent unserer Kredite haben wir an Wohnbauträger wie Genossenschaften vergeben, rund 23 Prozent sind selbstgenutztes Wohneigentum. Die übrigen 30 Prozent verteilen sich auf ein breites Spektrum von meist kleineren Unternehmen. Eine Besonderheit der ABS sind neun Förderbereiche, in denen wir vergünstigte Kredite gewähren. Die Palette reicht von Frauenprojekten über erneuerbare Energien bis zur Entwicklungszusammenarbeit. Alle finanzierten Bauten und Projekte müssen unseren Ausschlusskriterien standhalten oder die besonderen Anforderungen für Förderkredite erfüllen. Wir setzen uns auch laufend selbstkritisch in sogenannten Ethikforen mit unseren Kriterien, aber auch mit neuen Herausforderungen auseinander. Übrigens: Wer bei uns einen Geschäftsbericht bestellt, erhält die Liste der gewährten Kredite gleich mitgeliefert.


Ich denke, in der Finanzwelt wird unser Geschäftsmodell inzwischen respektiert. (Sven Thali, Geschäftsleiter Alternative Bank ABS)


Die ABS übt nicht nur grösstmögliche Transparenz, sie fordert sie auch von ihren Kunden. Können Sie sicher sein, dass die gemachten Angaben zutreffen und wie funktionieren hier die Kontrollmechanismen?


Unsere KreditkundInnen willigen in die Veröffentlichung der gewährten Kredite ein. Das ist freiwillig und hat sich bewährt. AnlagekundInnen bestätigen schriftlich, dass ihre Gelder rechtmässig erworben und ordentlich versteuert sind. Darüber hinaus befolgt die ABS selbstverständlich alle einschlägigen Vorschriften zur Sorgfaltspflicht der Banken. Natürlich ist auch bei uns Vorsicht die Mutter der Porzellankiste – oder eben der eigenen Reputation.


Die ABS verfügt über eine externe Ethik-Kontrollstelle. Wie setzt sich diese zusammen und nach welchen Kriterien kontrolliert sie die ethischen Vorgaben der Geschäftstätigkeit der ABS?


Unsere Ethikkontrollstelle ist beim Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen angesiedelt. Wir vereinbaren für jedes Jahr einen Bereich, der durch Herrn Dr. Ulrich Thielemann unter die Lupe genommen wird. Dabei wird die ABS an ihren eigenen Ansprüchen und Kriterien gemessen. 2007 steht der Personalbereich im Fokus, es geht dort um Fragen der internen Transparenz, der Mitsprache und der Mitbestimmung. Die ABS wächst, stellt laufend neues Personal ein, passt ihre Strukturen an: Wir wollen wissen, ob  wir dabei im richtigen Mass auch die Möglichkeiten und Prozesse der Mitsprache, Information und Mitbestimmung für unsere Mitarbeitenden weiterentwickeln – oder ob verstärkter Handlungsbedarf besteht.


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Die ABS hat sich im vergangenen Jahr der FEBEA, einem europäischen Netzwerk alternativer Banken angeschlossen. Wie präsentiert sich das alternative Banking im europäischen Raum und was erwarten Sie sich von der Teilnahme an diesem Netzwerk?


Die FEBEA-Banken sind so unterschiedlich wie die Länder, in denen sie tätig sind. Interessant für uns sind deshalb die Besonderheiten der verschiedenen FEBEA-Banken, die Erfahrungen, von denen wir zu profitieren hoffen. Es geht also um Vernetzung, Erwerb von Kompetenzen, aber auch ganz konkret um Produktentwicklung, etwa im Bereich der Mikrofinanz. Die ABS sitzt auch im Verwaltungsrat der FEBEA ein. Allerdings sind wir als Bank in einem «nichteuropäischen» Land in einer besonderen Rolle. Eine praktische Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg ist für die ABS nicht so einfach wie für die anderen Banken des Netzwerks.


Sie planen den Ausbau des Beratungsgeschäfts. Gehen die Pläne hin zu einem Ausbau des derzeitigen Filialnetzes mit Geschäftsstellen in Olten und Lausanne?


Die ABS hat ausser ihrem Sitz in Olten heute eine erfolgreiche Vertretung in Lausanne und stark frequentierte Kontaktstellen in Zürich, Genf und Bellinzona. Sehr gute Erfahrungen machen wir zudem mit der «fliegenden Kontaktstelle», einem Berater, der KundInnen und Interessierte an ihrem Wunschort besucht. Zudem haben wir kürzlich in Olten den ehemaligen Hauptsitz des Walter-Verlages gleich beim Bahnhof erworben. Dort werden wir in einigen Monaten einen Umbau nach den Kriterien der 2000-Watt-Gesellschaft starten und  Ende 2008 einziehen. Das ist ein Projekt, über das ich mich als Baubiologe besonders freue.

Der Ausbau unseres Beratungsgeschäftes findet unabhängig von räumlichen Infrastrukturprojekten statt. Hier geht es darum, unserer Kundschaft vielfältigere Anlagemöglichkeiten zu bieten, die den strengen Kriterien der ABS entsprechen. Ganz praktisch gibt es zum Beispiel ABS-KundInnen, die als selbständig Erwerbende ihre Vorsorgegelder bei uns anlegen wollen. Dafür ist unser Anlageuniversum noch nicht ideal.


Zu Jahresbeginn hat die ABS beschlossen, das Bankensystem Finnova einzuführen und hat als Implementierungspartner Comit gewählt. Was gab den Ausschlag zu Gunsten von Finnova und wie sieht der Fahrplan betreffend dem Systemwechsel aus?


Wir sind überzeugt, mit Finnova auf ein System von hoher Qualität zu setzen, das sich ständig weiterentwickelt. Auch die Möglichkeit, in der Verarbeitung mit anderen Banken zusammenzuarbeiten, war für uns ausschlaggebend. Wir arbeiten mit Hochdruck an den Vorbereitungen des Systemwechsels. Dieser ist auf den 1. November 2007 vorgesehen.


Letzte Frage: Wie sehen Sie die Entwicklung der ABS in den nächsten Jahren?


Wir kommen mit einem erweiterten Angebot für immer mehr Menschen nicht nur als Zweit-, sondern auch als Erstbank in Frage. Wir konzentrieren uns konsequent auf unsere Kernkompetenzen. Das heisst vor allem, dass wir als ethische Bank glaubwürdig und konsequent bleiben. Es heisst aber auch, dass wir Kooperationen eingehen und Standardprozesse auslagern, wo das sinnvoll ist. Mit diesen Vorzeichen glaube ich an ein weiteres, kontinuierliches Wachstum für die kommenden Jahre. Anders gesagt: Die ABS wird grösser werden, aber «anders» bleiben.


Herr Thali, wir bedanken uns für das Interview.





Zur Person:
Sven Thali, 37, leitet die Alternative Bank ABS seit April 2007. Als Bankkaufmann, Executive Master of Finance (NDS) und Baubiologie IBN bringt er einen idealen Mix von Voraussetzungen mit, um die ABS als Vorsitzender der dreiköpfigen Geschäftsleitung zu führen. Bisherige berufliche Stationen von Sven Thali waren die UBS, die Inhouse Bank eines Industriekonzerns und verschiedene Finanzdienstleistungsunternehmen. Sven Thali lebt mit seiner Familie in Hettlingen ZH.

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