TBTF: Wirtschaft steht hinter schärferen Kapitalvorgaben

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) wie auch der Wirtschaftsdachverband economiesuisse stehen im Grundsatz hinter den neuen Spielregeln. Zumindest im Fall von economiesuisse überrascht das nicht, war die Organisation doch mit ihrem Präsidenten Gerold Bührer in der Expertenkommission vertreten. In einer Stellungnahme warnt economiesuisse aber, dass die UBS und die Credit Suisse gegenüber ihrer Konkurrenz im Ausland benachteiligt sein könnten. Denn der «Swiss Finish», also der Schweizer Aufschlag auf die internationalen Mindestanforderungen (Basel III), falle «ausgesprochen scharf» aus.


Vorauseilender Gehorsam?
Bei der Umsetzung der Schweizer Vorgaben sei daher ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, «dass die globale Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft nicht innenpolitischen Druck- und Profilierungsversuchen untergeordnet wird», fordert economiesuisse. Die Schweiz eile mit den neuen Regeln international voraus, obschon die definitive Ausgestaltung von Basel III erst im November feststehe, kritisiert der Wirtschaftsdachverband weiter. Diese Vorreiterrolle bereitet auch der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) Sorgen.


Gewerkschaften fordern weitere Verschärfungen
Sie appelliert daher an die Politik, bei der Umsetzung die internationalen Entwicklungen zu berücksichtigen und keine zusätzlichen Forderungen zu stellen. Zudem solle sich die Schweiz im Ausland für ähnlich strenge und umfassende Regeln einsetzen. Damit könnten negative Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von UBS und CS verhindert werden. Weitergehende Forderungen kommen allerdings bereits: So verlangt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) eine weitere Verschärfung der «lockeren» Eigenkapitalvorgaben. Die Expertenkommission schlage Werte vor, die tiefer seien als die Eigenmittelausstattung der Grossbanken in den 1990er-Jahren.


SGB: Versicherern soll Bankgeschäft untersagt werden
 Im Weiteren wird verlangt, dass das Bankgeschäft für Versicherer verboten wird – wie das in der Schweiz vor 2006 der Fall war. Der US-Versicherer AIG sei ja gerade über Fehlspekulationen im Bankgeschäft gestolpert, begründet der SGB seine Forderung. Der als «Aktionärsschützer» bekannte Zürcher Anwalt Hans-Jacob Heitz stört sich daran, dass die verschärften Eigenkapitalvorschriften auf die Dividendenzahlungen der beiden Grossbanken durchschlagen könnten. Damit gingen die neuen Regeln «einmal mehr» zu Lasten der Klein- und Privataktionäre.


Dividenden: CS sieht keinen Handlungsbedarf
Heitz, der bei der Pleite der Swissair mit seiner – inzwischen aufgelösten – Schutzvereinigung für Schweizer Aktionäre (SVSA) Berühmtheit erlangt hatte, kritisiert die Ausschüttungspolitik der vergangenen Jahre: Trotz dünner Eigenkapitaldecke hätten UBS und CS statt Dividendenzahlungen steuerfreie Eigenkapitalrückzahlungen vorgenommen – ungeachtet der Kritik der Kleinaktionäre. Die UBS hatte bereits in der vergangenen Woche verlauten lassen, dass sie auf absehbare Zeit keine Dividenden mehr zahlen könne. Das Geld wird verwendet, um die Kapitalpuffer zu stärken. Die CS indes gab sich am Montag zuversichtlich, dass sie bei der Dividendenpolitik keine «substanziellen» Änderungen vornehmen müsse.


Parteien begrüssen den Expertenbericht und kritisieren Details
Immerhin liegt der Bericht vor und zeigt in die richtige Richtung: So lautet der Grundtenor der Parteireaktionen auf den am Montag veröffentlichten Expertenbericht zur too big to fail-Problematik. Über die Details gehen die Meinungen auseinander. Einhellig begrüssten die Bundesratsparteien SVP, SP, CVP und FDP die vorgeschlagene Verschärfung der Eigenmittelvorschriften für die beiden Grossbanken UBS und CS. Uneinigkeit herrschte über die Höhe. Für den SVP-Finanzexperten und Nationalrat Hans Kaufmann (ZH) sind die Vorschläge umsetzbar und realistisch. Seine Partei will die Massnahmen rasch umsetzen, vermisst aber bei den Lösungsansätze im Falle eines Bankenkollapses die Konturen. Systemrelevante Banken etwa sollten ihre in- und ausländischen Aktivitäten in unabhängige Tochtergesellschaften einbringen.


SP will Leverage Ratio limitieren
Zuwenig weit gehen die Eigenkapitalvorschriften der SP. Ihre Finanzexpertin, Ständerätin Anita Fetz (BS), verlangte zwischen 20 bis 30% an Polstern, je hälftig aus Eigenkapital und Wandelanleihen. Nur so würde der Steuerzahler aus der faktischen Staatsgarantie entlassen. Die SP will darüber hinaus die Leverage Ratio (Verhältnis von Eigenmitteln zur Bilanz) bei 10 bis 12% festschreiben. Die Expertenkommission wartet vor einer Empfehlung die entsprechenden Beschlüsse zu Basel III ab. CVP und FDP zeigten sich mit den Vorschlägen der Experten weitgehend einverstanden. Sie lobten beide den über die internationalen Vorschriften hinausgehenden sogenannten Swiss finish. Bei den Fristen möchten die beiden Parteien aber Dampf machen. CVP-Finanzfachmann und Nationalrat Pirmin Bischof (SO) sagte, es gebe keine Garantie, dass bis zur Erfüllung der Eigenmittelvorschriften 2019 keine neue Bankenkrise eingetreten sei.


Mitteparteien: Gute Chancen für positiven Parlamentsbeschluss
Philipp Müller, FDP-Bankenfachmann und Aargauer Nationalrat, kündigte an, seine Partei werde noch die Frage der Umwandlung von Obligationen in Aktienkapital sowie die Kapitalhinterlegung beim Thema Eigenhandel kritisch anschauen. Der bundesrätlichen Vorlage zuhanden des Parlaments räumten beide Vertreter der Mitte-Parteien gute Chancen ein. Die Grüne Partei bemängelte den Expertenbericht als zu zahm. Nur eine Grössenbeschränkung könne die Abhängigkeit der Schweiz von ihren beiden Grossbanken UBS und CS vermindern. Griffige Vorgaben seien in dem Bericht der «stark von den Vertretern der Banken» beeinflussten Expertenkommission spärlich. (awp/mc/ps/16)

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