US-Demokraten starten Wahlshow der Superlative

So wurden in Denver ganze Strassenzüge gesperrt und Polizei- und Security-Einheiten in Alarmbereitschaft versetzt. Rund um den Austragungsort des Parteitags, dem Pepsi-Center, ist innerhalb kürzester Zeit eine ganze Zeltstadt entstanden, die in den kommenden paar Tagen Medienvertreter mit Fernsehübertragungswagen und Hunderte von Freiwilligen beherbergen soll. Auch im Inneren des Gebäudes ist die Inszenierung perfekt vorbereitet. Die Parteitagsregie sorgt durch umfangreiche Dekorationsmaddnahmen dafür, dass die Halle des Pepsi-Centers zu einem Meer aus Rot und Blau wird. Um die Atmosphäre zusätzlich anzuheizen, hat sie zudem eine Big Band und viele bekannte Solisten aufgeboten. Diese sollen in den Pausen zwischen den einzelnen Reden die rund 18.000 Menschen in der Halle zum Tanzen und Weiterjubeln animieren.


«Fürchtet euch nicht! Das ist einer von euch»
Doch nicht nur das Umfeld sondern auch die Dramaturgie des Ablaufs der Parteiveranstaltung ist bis ins kleinste Detail durchdacht. So erstrahlte ein künstlicher blauer Himmel und unzählige rote und weisse Sterne an den Wänden des Pepsi-Centers, als die Ehefrau des US-Präsidentschaftskandidaten, Michelle Obama, die überdimensional grosse Bühne betrat, um mit ihrer Rede den Parteitag einzuleiten. «Fürchtet euch nicht! Das ist einer von euch», erklärt sie allen Wählern, die noch nicht sicher sind, ob ihr Mann ein guter Mensch und Christ ist. Am Ende durften auch noch die Töchter Sasha und Malia auf die Bühne und der Kandidat wurde per Internet-Live-Stream aus Missouri zugeschaltet. «Wir lieben dich, Daddy!», riefen sie sie gemeinsam ins Mikrofon. Für grosse Emotionen sorgte in Denver auch der Überraschungsauftritt des schwerkranken Senators Edward Kennedy. Von seiner Krankheit sichtlich geschwächt sagte das Politik-Schwergewicht Obama seine Unterstützung zu. «Barack Obama steht für den Wandel, den wir brauchen», rief Kennedy den 5000 Delegierten zu. 


Hillary am Dienstag, Bill am Mittwoch
Am Dienstag wird die in den Vorwahlen unterlegene Hillary Clinton die Delegierten zur Einigkeit aufrufen. Am Mittwoch wird es an Ex-Präsident Bill Clinton und an Vize-Präsidentschaftskandidat Joe Biden sein, die Werbetrommel für Obama zu rühren. Der Kandidat selber wird am Donnerstag im Football-Stadium in Denver vor 75’000 Zuschauern zu seinen Anhängern sprechen und offiziell zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gekürt.


Wahre Kunst der Politik
«Die politische Inszenierung hat kontinuierlich mit der Entwicklung der Mediendemokratie zugenommen. Mittlerweile ist sie eine wahre Kunst der Politik geworden», stellt Peter Filzmaier, Leiter des Departments für Politische Kommunikation an der Donau-Universität Krems im Gespräch mit pressetext fest. Von den dortigen Verhältnissen sei man allerdings hierzulande noch weit entfernt. «In den USA herrscht eine TV-Demokratie. Aufmerksamkeit ist im Wahlkampf das höchste Gut überhaupt», erläutert Filzmaier. Die Bilder vom Parteitag der Demokraten müssten in über 75 verschiedenen TV-Märkte mit jeweils hunderten Kanälen verteilt werden. «Im US-Mediensystem haben Privat-TV-Sender 98 Prozent Reichweite. Politiker, die es schaffen, sich und ihre Botschaften in diesen Medien zu platzieren, haben eine gute Chance auf einen Wahlerfolg», meint Filzmaier.


Die Person im Mittelpunkt
«Ein wesentlicher Unterschied zur europäischen Situation ist auch, dass das US-Wahlsystem wesentlich personenzentrierter ist», ergänzt Filzmaier. Der Vorwurf, dass im US-Wahlkampf lediglich die Person im Mittelpunkt stehe und nicht die Inhalte, werde laut dem Politikexperten von den dortigen Wahlkampfteams aber regelmässig abgestritten. «Wichtig ist, dass die Wirkung der Inhalte passt. Damit die Botschaften in der Öffentlichkeit Gehör finden, werden sie zumeist drastisch vereinfacht präsentiert», schildert Filzmaier. Auch das Spiel mit den Emotionen sei in dieser Hinsicht ein oft eingesetztes Hilfsmittel. «Damit sollen die Sympathiewerte des Publikums in ein konkretes Wahlverhalten umgesetzt werden. Zusätzlich können so bisher noch unentschlossene Wählerschichten mobilisiert werden», so Filzmaier abschliessend. (pte/mc/pg)

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