Volkswagen übernimmt die alleinige Mehrheit bei Scania

Wie die Unternehmen am Montag in Wolfsburg und Stockholm mitteilten, zahlt der Wolfsburger Autokonzern den schwedischen Anteilseignern aus der Wallenberg-Gruppe 2,9 Milliarden Euro für gut 30 Prozent der Stimmrechtsanteile. Danach kontrolliere VW 68,6 Prozent der Scania-Stimmrechte.


Scania-Titel geben nach
VW zahlt 200 schwedische Kronen je Aktie und damit fast 30 Kronen mehr als der Schlusskurs der Aktie am Freitag (170,50 Kronen). An der Stockholmer Börse legten Scania-Aktien zunächst deutlich zu, gaben im Verlauf des Vormittags aber deutlich nach. Zuletzt notierte die Scania-A-Aktie mit 162,50 Kronen 4,69 Prozent leichter. Auch die von der Transaktion nicht betroffenen B-Aktien, die über weniger Stimmrechte verfügen, fielen nach einem anfänglichen Kurssprung um minus 4,32 Prozent auf 144,00 Kronen. VW-Papiere notierten nahezu unverändert bei 149,86 Euro (minus 0,09 Prozent), während die Aktien von MAN sich in einem schwachen Gesamtmarkt um 4,02 Prozent auf 90,73 Euro verteuerten.


Keine Pflichtofferte
Eine Pflichtofferte für die noch ausstehenden Scania-Aktien werde es trotz der Aufstockung nicht geben, unterstrich VW-Chef Martin Winterkorn auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Stockholm. VW hatte im September von der schwedischen Aktienhandelsaufsicht die Genehmigung erhalten, seinen Anteil auf über 50 Prozent zu erhöhen, ohne das sonst fällige Angebot für die restlichen Aktien vorlegen zu müssen. Dies gelte weiter. «Wir haben keine Absicht, die Eigner-Struktur von Scania zu ändern», sagte Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch. Scania bleibe auch an der Börse gelistet.


«Beste Lösung für Scania»
Nach Angaben der Wallenberg-Finanzgesellschaft Investor hatte VW bereits seit dem vergangenen Jahr hinter den Kulissen intensiv über eine neue Struktur mit Stockholm verhandelt. Vorausgegangen war ein von der Wallenberg-Gruppe erfolgreich abgewehrter Übernahmeversuch bei Scania durch den deutschen Konkurrenten MAN. Die nun erzielte Einigung bezeichnete Investor-Chef Börje Ekholm als «beste Lösung für Scania». Der von VW gebotene Preis von 200 Kronen je Aktie «entspricht aus unserer Sicht dem fundamentalen Wert unseres Anteils». Eine Minderheitsbeteiligung hätte nicht der Strategie von Investor entsprochen. Investor-Aufsichtsratschef Jacob Wallenberg sagte, es sei nun «der richtige Zeitpunkt gekommen, die Eignerstruktur zu klären». VW habe sich seit dem Einstieg bei Scania vor acht Jahren als kompetenter und verantwortungsbewusster industrieller Anteilseigner erwiesen.


Wichtiger Schritt
Der Erwerb sämtlicher Scania-Anteile von Investor und den Wallenberg Stiftungen sei ein wichtiger Schritt hin zu einer klaren, langfristigen Aktionärsstruktur, hiess es von VW. «Scania ist eine starke Premium-Marke mit einer aussichtsreichen Zukunft», sagte Winterkorn. Pläne für Änderungen der Konzernstruktur bei Scania gebe es «auf absehbare Zeit» nicht, insbesondere keine, die sich nachteilig für die Arbeitnehmer auswirkten. Auch im Management werde es keine Änderungen geben.


Zusammenschluss mit MAN derzeit kein Thema
Ein Zusammengehen von Scania mit MAN, für die sich VW seit gut einem Jahr einsetzt, stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung, fügte Pötsch hinzu. «Wir glauben weiter an das Potenzial einer Zusammenführung. Aber das ist jetzt nicht die Sache – weder heute noch in absehbarer Zukunft.» Auch so gebe es erhebliches Synergiepotenzial in einer Zusammenarbeit mit Scania. Denkbar sei etwa eine engere Kooperation bei Einkauf und Fahrzeugelektronik sowie bei der Entwicklung von Hybrid- und Wasserstoffantrieben, sagte Winterkorn. «Wir sehen da eine Menge Potenzial.»


VW hält 29,9 Prozent an MAN
Seit dem Scheitern der Übernahmeofferte von MAN für Scania vor gut einem Jahr bemüht sich VW um eine Allianz beider Unternehmen mit der eigenen Nutzfahrzeugsparte. Auch bei MAN ist VW inzwischen mit 29,9 Prozent grösster Einzelaktionär. MAN hält seinerseits 17 Prozent der Stimmrechtsanteile bei Scania. In schwedischen Medien war zuletzt spekuliert worden, Scania-Chef Leif Östling könnte das Unternehmen auf Druck aus Deutschland verlassen, um den Weg für eine Allianz frei zu machen. Erst in der vergangenen Woche wurde Östling als Aufsichtsratschef beim schwedischen Kugellagergersteller SKF nominiert, wo Wallenberg das Sagen hat.


Scania und MAN begrüssen Entscheidung
Östling zeigte sich zufrieden mit der nun gefunden Lösung. «Ich begrüsse Volkswagen jetzt als Mehrheitseigner», sagte er. Scania habe jetzt eine stabile Eignerstruktur und VW verfüge über ein gutes industrielles Profil für eine vertiefte Zusammenarbeit. «Ich bin sehr erfreut darüber. Die Periode der Spekulationen um die Scania-Eignerstruktur hat jetzt ein Ende. Das erleichtert die Arbeit des Managements.» Auch MAN begrüsste die Einigung. «Wir sehen dadurch bessere Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit Scania und Volkswagen Nutzfahrzeuge», sagte ein MAN-Sprecher auf Nachfrage.


«Klärung der Verhältnisse»
Auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh zeigte sich zuversichtlich für eine bessere Zusammenarbeit der drei Unternehmen. «Wir sind schon seit langem dafür eingetreten, die Synergieeffekte zwischen MAN, Scania und Volkswagen im Nutzfahrzeugsegment zu nutzen. Mit diesem Schritt steht diesem Ziel nichts mehr im Weg», sagte er der Tageszeitung «Die Welt» (Dienstagausgabe). Nach Angaben Winterkorns sei die Lösung auch von den schwedischen Gewerkschaften begrüsst worden. VW habe sie am Morgen über den Schritt informiert. «Sie waren mit der Entscheidung zufrieden. Auch sie haben die Klärung der Verhältnisse begrüsst.» (awp/mc/ps)

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