Steuerstreit mit EU zu Ende – «Gleiche Spielregeln für alle»

Steuerstreit mit EU zu Ende – «Gleiche Spielregeln für alle»
Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)

Luxemburg – Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und die EU-Finanzminister haben am Dienstag in Luxemburg eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Die Schweiz wird fünf von der EU kritisierte Steuerregime für Unternehmen abschaffen. Damit geht ein rund zehnjähriger Streit zu Ende. Im Gegenzug hätten die EU-Staaten zugesagt, auf Gegenmassnahmen zu verzichten, sagte die Finanzministerin am Rande des EU-Finanzministertreffens. Ausserdem konnte so wieder Rechtssicherheit und somit Planungssicherheit für Unternehmen geschaffen werden.

Das Ende des Steuerstreits biete nun die Möglichkeit, die wirklichen Fragen anzugehen. Dies sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am Dienstag in Luxemburg vor dem Treffen mit den EU-Finanzminister. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten haben heute in Luxemburg eine gemeinsame Verständigung in Form eines Joint Statement zur Unternehmensbesteuerung unterzeichnet. Damit kommt eine fast zehn Jahre auf den Beziehungen Schweiz – EU lastende Kontroverse zum Abschluss. Die Unterzeichnung fand am Rande des gemeinsamen Treffens der Finanz- und Wirtschaftsminister der EU und ihrer Amtskollegen der EFTA-Staaten statt. Die heute unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Schweiz und der EU war am 1. Juli 2014 in Bern paraphiert worden. Sie beendet eine bilaterale Kontroverse, die seit 2005 zu Reibungen und zur Androhung erheblicher Gegenmassnahmen seitens der EU geführt hatte. «Es ermöglicht uns nun, uns auf andere Fragen und Dossiers zu konzentrieren.» Dabei erwähnte Widmer-Schlumpf auch den Marktzutritt für Banken und Versicherungen. Wichtig sei nun aber, dass «alle nach den gleichen Spielregeln spielen», sagte die Finanzministerin weiter. Dafür wolle sich die Schweiz einsetzten.

Einheitlicher Standard für Lizenzboxen
Doch auch diese Boxen stehen international in der Kritik. Sie habe mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble gesprochen, sagte Widmer-Schlumpf. Schäuble hatte noch im letzten Jahr diese Boxen abgelehnt, mittlerweile seine Meinung jedoch geändert. Nicht die Lizenzboxen als solche seien das Problem, sagte Widmer-Schlumpf. «Diskutiert wird, wie offen und transparent sie sein sollen.» Wie diese Boxen künftig ausgestaltet werden sollen, «ist eine Frage für die OECD», sagte die Bundesrätin weiter. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, an der sich auch die Schweiz beteiligt. Diese soll einen internationalen Standard bis Ende 2015 ausarbeiten. Auch die EU nimmt zurzeit zehn dieser Boxen in neun ihrer Mitgliedstaaten unter die Lupe und will im Dezember publizieren, welche sie als «wettbewerbsverzerrend» erachtet. Widmer-Schlumpf jedenfalls gab sich optimistisch: «Man wird sich einigen.» Dabei dürfte sie auch die so genannten Lizenzboxen im Auge haben. Denn um im internationalen Standortwettbewerb wettbewerbsfähig zu bleiben, sollen die Kantone künftig so genannte Lizenzboxen einführen können. So sieht es die vom Bundesrat kürzlich präsentierte Unternehmenssteuerreform III vor. Bei diesen Boxen werden Erträge aus der Verwertung von geistigem Eigentum privilegiert besteuert.

Sorgenkind Italien
Obwohl der Steuerstreit mit der EU nun definitiv beendet werden konnte, bleibt ein Wermutstropfen: Die EU-Staaten werden ihre Gegenmassnahmen gegen die Schweiz erst aufgeben, wenn diese ihre kritisierten Regime abgeschafft hat. So etwa figuriert die Schweiz auf einer schwarzen Liste Italiens. Die Schweiz sei auf mehreren «schwarzen oder grauen Listen verschiedener Länder» und dies aus unterschiedlichen Gründen, sagte die Finanzministerin. Doch grösstes Sorgenkind aus Sicht der Schweiz ist der Listenvermerk Italiens, der erst kürzlich wieder für Unstimmigkeiten sorgte. So geschehen am letzten Wochenende: Widmer-Schlumpf hatte an der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Washington mit Blick auf die offenen Steuerfragen Italien «unsere Agenda aufgezeigt und gesagt, bis wann ich eine klare Antwort haben will». Damit hatte sie jedoch den Unmut ihres italienischen Amtskollegen Pier Carlo Padoan auf sich gezogen.

Mittlerweile haben sich die Gemüter beruhigt. Selbstverständlich habe sie mit Padoan gesprochen, sagte die Bundesrätin. Man habe sich darauf geeinigt, die «Diskussionen nicht in der Öffentlichkeit fortzusetzen». Sie gab sich überzeugt, mit Italien Lösungen zu finden. Dazu gehört etwa die Vergangenheitsbewältigung von Schwarzgeldern oder die Grenzgängerproblematik.

Automatischer Informationsaustausch
Die EU-Finanzminister wollten im Laufe des Dienstags ausserdem über den automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen diskutieren – ein Thema, das auch die Schweiz interessiert. Denn sie wird mit der EU und EU-Mitgliedstaaten über dessen Einführung verhandeln. Ein entsprechendes Mandat hatte der Bundesrat bereits verabschiedet. So wird laut einem Entwurf der Schlusserklärung der EU-Finanzminister erwartet, dass Österreich und Luxemburg zugestanden wird, den automatischen Informationsaustausch ein Jahr später als die übrigen 26 EU-Staaten umzusetzen. Angesprochen auf die Schweiz sagte Widmer-Schlumpf: «Wir haben unsere Agenda», und verwies dabei auf den parlamentarischen Prozess sowie auf ein mögliches Referendum. Vorgesehen ist gemäss der Bundesrätin, dass die Schweiz ab 2017 Daten sammelt und ab 2018 operativ tätig wird – dies würde dem Zeitplan von Luxemburg und Österreich entsprechen.  (admin/awp/mc/ps)

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