Initiative will Konzerne in die Pflicht nehmen

Initiative will Konzerne in die Pflicht nehmen

Cornelio Sommaruga, ehemaliger IKRK-Präsident und Mit-Initiant der Konzernverantwortungs-Initiative. (Foto: pd)

Bern – Eine Allianz von 66 Organisationen will globale Konzerne mit Sitz in der Schweiz einem zwingenden Regelwerk unterstellen, wenn es um die Durchsetzung von Menschenrechten geht. Verstösst ein Unternehmen dagegen, soll es künftig haften. Dies fordert die am Dienstag lancierte Konzernverantwortungsinitiative.

«Wir brauchen einen Paukenschlag», sagte der ehemalige IKRK-Präsident Cornelio Sommaruga vor den Medien in Bern. Die Appelle an multinationale Konzerne, die Menschenrechte auf freiwilliger Basis zu schützen, hätten nicht gefruchtet. «Die Lage vor Ort wird nicht besser, die Transparenz lässt zu wünschen übrig.» Katastrophale Arbeitsbedingungen in Kleiderfabriken in Asien oder Osteuropa, missbräuchliche Kinderarbeit bei der Kakaoproduktion in Westafrika oder tödliche Emissionen in Sambia gehörten zur Tagesordnung. In solche Missstände seien durch ihre weltweite Tätigkeit auch Schweizer Konzerne verwickelt.

Sorgfaltsprüfungspflicht als Herzstück
Für Sommaruga und die Gründer der Konzernverantwortungsinitiative sind die Grenzen der Selbstregulierung erreicht: Ohne unabhängige Kontrollorgane und ohne Sanktionen würden die Missstände nicht beseitigt, sagte Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz. Konkret orientiert sich die Initiative an den im Jahr 2011 verabschiedeten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Demnach muss ein Konzern vorab all seine Geschäftsabläufe und -beziehungen durchleuchten, um mögliche Risiken für Mensch und Umwelt zu identifizieren.

Anschliessend muss es solche potenziell negative Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit mit wirksamen Gegenmassnahmen bekämpfen. Und als dritten Schritt ist es verpflichtet, transparent über allfällig verletzte Rechte und die dagegen ergriffenen Vorkehrungen zu berichten. Diese sogenannte Sorgfaltsprüfungspflicht ist das Herzstück der Initiative. «Unternehmen müssen Schäden vermeiden, bevor sie entstehen», sagte Andreas Missbach von der Erklärung von Bern.

Unternehmen haben die Beweislast
Geschehen sie doch, sollen die fehlbaren Firmen künftig für Menschenrechtsverletzungen haften – ausser sie können beweisen, dass sie alle geforderte Sorgfalt angewendet haben. «Nicht der Geschädigte hat den häufig kaum zu erbringenden Verschuldensbeweis zu leisten, sondern das kontrollierende Unternehmen hat seine Unschuld zu beweisen», sagte Missbach.

Diese Beweislastumkehr bringe auch für die Wirtschaft mehr Rechtssicherheit: «Soweit ein Unternehmen nachweisen kann, dass es alle nötigen Vorkehrungen getroffen hat, um den eingetretenen Schaden zu verhindern, hat es nichts zu befürchten.»

Hoffnung auf präventive Wirkung
Die Initianten stellten klar, dass mit der Initiative kein Schweizer Recht auf ausländische Firmen oder Personen angewendet werde. Die Sorgfaltsprüfungspflicht betreffe nur die Schweizer Teile von multinationalen Konzernen. Verletze die Tochtergesellschaft eines Schweizer Konzerns in einem anderen Land die Menschenrechte oder verursache Umweltschäden, so werde ein Schweizer Gericht in einem möglichen Haftungsfall beurteilen, ob die im Schweizer Recht festgelegte Sorgfaltsprüfungspflicht vom Unternehmen eingehalten worden sei oder nicht.

«Wir erwarten keine Klagewelle», sagte Missbach. Die Wirkung der Initiative sei primär präventiv.

Neuer Anlauf mit gleichem Ziel
Hinter dem Anliegen stehen 66 Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke, darunter Brot für alle, Fastenopfer, Alliance Sud, Amnesty International Schweiz oder die Erklärung von Bern. Viele von ihnen hatten sich 2011 bereits für die Kampagne «Recht ohne Grenzen» engagiert. Sie verlangten, dass Schweizer Firmen Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren.

Mitte März 2015 hatte das Parlament eine Kommissionsmotion für mehr Unternehmensverantwortung nur knapp abgelehnt. Die Volksinitiative nimmt nun einen neuen Anlauf zum Erreichen dieses Ziels.

Zum ersten Mal kann das Volksbegehren online unterzeichnet werden, soweit dies das Bundesgesetz über politische Rechte zulässt. Der Unterschriftenbogen kann zu Hause ausgedruckt, unterschrieben und per Post zurückgeschickt werden. Die Initianten haben bis zum 21. Oktober 2016 Zeit, die nötigen 100’000 Unterschriften zu sammeln. (awp/mc/pg)

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