Medikamentenpreise: Pharmaindustrie erringt Sieg vor Bundesgericht

Medikamentenpreise: Pharmaindustrie erringt Sieg vor Bundesgericht

Bundesgericht erteilt Bundesrat Alain Bersets neuem Preismodell eine Absage.

Bern – Im Streit um die Höhe der Medikamentenpreise hat die Pharmaindustrie einen Sieg errungen. Das Bundesgericht hiess die Beschwerden von Novartis und Roche gut, wonach die per 1. November verfügten Preissenkungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) noch nicht umgesetzt werden können. Damit dürfen die Pharmakonzerne für einzelne Medikamente weiterhin einen deutlich höheren Preis verlangen. Das Bundesgericht hat den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt, wie die BAG-Sprecherin Sabina Helfer am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur sda erklärte. Sie bestätigte damit Berichte in der «SonntagsZeitung» und dem «Sonntag».

Auf Vorschlag von Gesundheitsminister Alain Berset hatte der Bundesrat im vergangenen Frühjahr ein neues Preismodell für Medikamente beschlossen. Demnach gilt der Auslandspreis eines Medikaments neu als alleiniger Richtwert. Bislang wurde ein Medikament zusätzlich mit zugelassenen Produkten verglichen. Dieser sogenannte therapeutische Quervergleich erfolgt nur noch, wenn das Medikament im Ausland nicht im Handel ist. Das BAG erliess in der Folge tiefere Preise für rund 450 Medikamente. Der Bundesrat rechnete damit, dass die Änderung zu jährlichen Einsparungen von 240 Mio CHF führt.

Daraufhin gelangten Roche und Novartis im Dezember mit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie kritisierten, dass bei den Preissenkungen ihrer Medikamenten dem therapeutischen Nutzen keine Rechnung getragen werde. Das Bundesverwaltungsgericht entschied jedoch in erster Instanz, der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu gewähren sei. Daraufhin gelangten die beiden Pharmafirmen ans Bundesgericht und erhielten in Bezug auf die aufschiebende Wirkung recht. In einem nächsten Schritt muss nun das Bundesverwaltungsgericht über das neue Preismodell an sich befinden. Ein Entscheid dürfte frühestens in einem Jahr vorliegen.

Gefahr weiterer Beschwerden
Enttäuscht zeigte sich der Krankenkassenverband santésuisse über den Entscheid des Bundesgerichts. Der Verband rechne damit, dass sich die geplanten Einsparungen um mindestens 16 Mio CHF verringerten, sagte Sprecherin Silvia Schütz. Es bestehe zudem die Gefahr, dass bei der nächsten Preissenkungsrunde im November 2013 noch mehr Firmen Beschwerde einreichen würden. Schütz ortete zudem grundsätzlich ein Problem. «Nicht alle Akteure verfügen über gleichlange Spiesse.» Im Gegensatz zu den Pharmafirmen hätten weder die Konsumenten noch die Krankenkasse eine Rekursmöglichkeit, was Preise und Aufnahme von kassenpflichtigen Medikamenten betreffe.

Laut dem BAG hält sich die Zahl der Beschwerden bis anhin in Grenzen. «Der grösste Teil der verfügten Preissenkungen ist rechtskräftig», sagte Helfer. Der Spareffekt werde sich reduzieren. Um wie viel, lasse sich aber zurzeit nicht beziffern. Weitere Rekurse hält der Branchenverband Interpharma für möglich, sofern in den nächsten Monaten keine Einigung erzielt werde, erklärte Generalsekretär Thomas Cueni. Der Verband begrüsste den Entscheid des Gerichtes. Damit habe es sich der Argumentation der Firmen angeschlossen.

10-Punkte-Plan soll Lösung bringen
Cueni fordert nun möglichst rasch einen politischen Entscheid über das künftige System der Preisfestsetzungen. Aus diesem Grund hat Interpharma, gemeinsam mit Krankenkassenverband santésuisse, einen Kompromissvorschlag beim Innendepartement eingereicht. Der 10-Punkte-Plan sieht vor, die Verfahren zur Preisfestsetzung kassenpflichtiger Medikamente zu beschleunigen und für künftige Preisüberprüfungen eine ausgewogene Berücksichtigung von Auslandpreisvergleich und therapeutischem Quervergleich zu erzielen. Cueni ist zuversichtlich, dass in den nächsten Monaten eine Lösung gefunden werde.

Über den Berg sei man trotzdem noch nicht, sagte Schütz. Obwohl der Plan eine gute Basis für eine Deblockade darstelle, gebe es Knackpunkte. Dazu zählt laut Schütz die Frage, wie der Nutzen von Medikamenten künftig preislich umgerechnet werde. (awp/mc/ps)

 

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