Mehrwertsteuer: Nationalrat versenkt Einheitssatz

Mehrwertsteuer: Nationalrat versenkt Einheitssatz

Bern – Der Mehrwertsteuer-Einheitssatz ist vom Tisch. Der Nationalrat hat am Mittwoch zum zweiten Mal entschieden, den Vorschlag des Bundesrats für einen Einheitssatz zurückzuweisen. Nun muss der Bundesrat über die Bücher und eine Mehrwertsteuer mit zwei Sätzen ausarbeiten.

In der Schweiz gibt es heute drei Sätze für die Mehrwertsteuer (MWSt): Den Normalsatz von 8%, den Beherbergungssatz von 3,8% sowie den reduzierten Satz von 2,5% für Güter des täglichen Gebrauchs. Der frühere Finanzminister Hans-Rudolf Merz wollte dieses System durch einen Einheitssatz von 6,5% ablösen, der ab 2018 nach Auslaufen der befristeten Erhöhung zugunsten der IV auf 6,2% gesunken wäre.

Von 29 auf 5 Ausnahmen
Nur noch fünf Bereiche wollte der Bundesrat von der Mehrwertsteuer ausnehmen: das Finanz- und Versicherungsgewerbe, Wetten und Lotterien, Dienstleistungen innerhalb derselben Verwaltung, die Landwirtschaft sowie der Verkauf und die Miete von Immobilien. Im heutigen System gibt es 29 Ausnahmen.

Im Einheitssatz inbegriffen gewesen wären 0,1 Prozentpunkte, die der sozialen Abfederung gedient hätten. Diese Gelder wären an einkommensschwache Haushalte verteilt worden.

Nationalrat hält Bundesratsvorschläge für utopisch
Dieses Modell des Bundesrats ist nach Ansicht der vorberatenden Wirtschaftskommission (WAK) utopisch, wie deren Sprecher Caspar Baader (SVP/BL) vor dem Plenum sagte. Zwar würden die Firmen bei einem Wechsel von heute drei Sätzen auf noch einen Satz administrativ entlastet. Die Vorlage habe politisch dennoch keine Chance. Denn mit dem Einheitssatz würde «der Ferrari billiger, aber das Brot teurer», sagte Baader. Das sei nicht sozial. Verteuert würden auch Sport- und Kulturveranstaltungen sowie das Gastgewerbe.

«Eine Totgeburt»
Laut Hans-Jürg Fehr (SP/SH) entspringt die Vorlage einer fixen Idee von Hans-Rudolf Merz. Es sei aber eine Totgeburt, denn die Kantone seien dagegen. Nicht nur aus sozialer Sicht sei der Wechsel nicht akzeptabel. Es sei auch nicht sinnvoll, wegen des Einheitssatzes das Gesundheits- und Bildungswesen zu verteuern.

Nur FDP und Grünliberale für Einheitssatz
Für den Einheitssteuersatz plädierten nur die FDP und die Grünliberalen. Im heutigen System sei der administrative Aufwand enorm, sagte Philipp Müller (FDP/AG). Auf Dutzenden Seiten müssten heute in Verordnungen die schwierigen Abgrenzungsfragen geregelt werden. Dank einem Einheitssatz würde nicht nur die Bürokratie reduziert, auch die taxe occulte (Schattensteuer) entfiele, sagte Müller. Und Thomas Maier (GLP/ZH) erklärte, dass ein Einheitssatz «klar, einfach, unkompliziert und viel günstiger» sei als das heutige System.

Laut Ruedi Noser (FDP/ZH) würde das Wirtschaftswachstum in der Schweiz dank des europaweit unvergleichlich tiefen MWSt-Satzes um 1% höher ausfallen. Er wies zudem das soziale Argument zurück. Im Schnitt gebe ein Haushalt für Nahrungsmittel nur 7% des Einkommens aus. Diese würden zwar teurer. Gleichzeitig würden aber Produkte wie Kleider und zahlreiche Dienstleistungen etwa die Telefonie günstiger. Das gleiche die Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln aus.

Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sprach sich gegen den Rückweisungsantrag der WAK-Mehrheit aus. Die von der Kommission vorgeschlagenen Eckwerte für die Mehrwertsteuer-Reform brächten gegenüber dem heutigen System fast keine Neuerungen und damit kaum administrative Entlastung. Zwar würde es nur noch zwei statt drei Sätze geben. Hingegen würde an insgesamt 26 der 29 Ausnahmen festgehalten.

Bundesrat muss Zweisatz-Lösung ausarbeiten
Der Nationalrat liess sich von diesen Argumenten nicht überzeugen. Mit 128 zu 58 Stimmen bei 8 Enthaltungen hiess er den Rückweisungsantrag. Obwohl sich der Ständerat in der Märzsession mit 19 zu 18 Stimmen gegen Rückweisung ausgesprochen hatte, muss der Bundesrat nach dem zweiten Entscheid des Nationalrats nun definitiv über die Bücher.

Er muss eine Zweisatz-Lösung ausarbeiten, mit einem reduzierten Satz für Nahrungsmittel sowie Hotellerie und Gastronomie. Von der Steuer ausgenommen werden sollen das Gesundheits- und Bildungswesen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie wohltätige Institutionen.  (awp/mc/pg)

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