Nationalrat gegen «Lex Ukraine» für indirekte Waffenlieferungen

Nationalrat gegen «Lex Ukraine» für indirekte Waffenlieferungen
Nationalratssaal. (Bild: admin.ch)

Bern – Der Nationalrat will keine «Lex Ukraine». Er hat sich gegen eine Ausnahmereglung ausgesprochen, die Drittstaaten die Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an das Land erlaubt hätte. Nicht beendet ist damit aber die Diskussion um grundsätzliche Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes.

Die grosse Kammer lehnte am Donnerstag mit 98 zu 75 Stimmen und mit zwei Enthaltungen eine parlamentarische Initiative ihrer Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N) ab. Die Initiative ist damit vom Tisch.

Die SIK-N hatte ihre Initiative mit der knappest möglichen Mehrheit zu Annahme empfohlen – mit 13 zu 12 Stimmen. Diese betraf nur bereits ausgeführtes Kriegsmaterial. Die Ausnahmeregelung wäre bis Ende 2025 befristet gewesen.

Beitrag zur Sicherheit Europas
Bei der Behandlung im Ratsplenum prallten altbekannte Positionen aufeinander. Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative argumentierten, die Schweiz müsse die Ukraine stärker unterstützen und ihren Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten.

Die Initiative erlaube es, schnell zu handeln, warb François Pointet (GLP/VD) namens der Kommissionsmehrheit für das Anliegen. Danach könne man vertieft über Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes diskutieren.

«Schlechter Vorschlag»
Die Gegnerseite vertrat hingegen die Ansicht, indirekte Waffenlieferungen seien im Hinblick auf das neutralitätsrechtliche Gleichbehandlungsgebot problematisch.

Für die Kommissionsminderheit sprach der Neuenburger Grünen-Nationalrat Fabien Fivaz. Es gehe darum, die Schweizer Gesetze zu respektieren, sagte er. Die Initiative verlange eine flagrante Verletzung des Neutralitätsrechts.

Fivaz sprach von einem «schlechten Vorschlag». Statt einer unausgegorenen Ausnahmeregelung brauche es eine vertiefte Debatte.

SVP-Vertreter äusserten in Form von Fragen unter anderem die Befürchtung, das sich die Schweiz zu sehr der Nato annähere. Sie stellten zudem infrage, dass indirekte Lieferungen von Schweizer Waffen kriegsentscheidend seien.

Mehrere Vorschläge auf dem Tisch
Die Diskussion um die Waffen-Weitergabe geht allerdings nach dem Nationalratsentscheid weiter. Hintergrund ist, dass seit Beginn des Ukraine-Kriegs mehrere Staaten die Schweiz darum ersucht haben, Waffen an Kiew weitergeben zu dürfen. Der Bundesrat lehnte mehrere derartige Gesuche ab. International trug dies der Schweiz Kritik ein.

Im Parlament sind mehrere Vorstösse zum Thema hängig. Dabei geht es nicht um eine Ausnahmeregelung, sondern um grundsätzliche Änderungen am Kriegsmaterialgesetz. Zur Debatte steht erstens eine Befristung von Nichtwiederausfuhr-Erklärungen. Zweitens gibt es die Idee, dass der Bundesrat Wiederausfuhren bewilligen können soll, wenn der Uno-Sicherheitsrat das Vorliegen eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs feststellt – oder wenn dies die Uno-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit tut.

Kombinierter Ansatz
Beobachter räumen dem Vorschlag am meisten Chancen ein, diese beiden Ansätze zu kombinieren. Die SIK-N arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetzesentwurf.

Ihre ständerätliche Schwesterkommission möchte derweil eine 2021 beschlossene Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes rückgängig machen. Demnach soll der Bundesrat von den Bewilligungskriterien für Auslandsgeschäfte abweichen dürfen, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen und die Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes dies erfordert.

Ursprünglich sollte sich am Donnerstag auch der Ständerat mit indirekten Waffenlieferungen befassen. Die Behandlung zweier entsprechender Geschäfte wurde allerdings verschoben. (awp/mc/pg)

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