1:12-Initiative scheitert deutlich – Linke zeigt sich kämpferisch

1:12-Initiative scheitert deutlich – Linke zeigt sich kämpferisch

Bern – Unternehmen in der Schweiz können Managern weiterhin Millionenlöhne zahlen. Volk und Stände haben es abgelehnt, die zulässige Lohnspanne zu begrenzen. 65,3% der Stimmenden sagten am Sonntag Nein zur 1:12-Initiative der JUSO.

Rund 1,8 Millionen Personen lehnten die Initiative ab, 955’000 nahmen sie an. Ein Ja gab es in keinem einzigen Kanton. In den Kantonen Tessin und Jura scheiterte das Volksbegehren allerdings nur knapp: Im Kanton Tessin legten 49% der Stimmenden ein Ja in die Urne, im Kanton Jura 48%.

Über 40% lag der Ja-Stimmen-Anteil auch in den Kantonen Neuenburg, Genf und Basel-Stadt. Am deutlichsten verworfen wurde die Initiative in den Kantonen Schwyz und Zug mit einem Ja-Stimmen-Anteil von lediglich 23%.

Schwindende Unterstützung
Die 1:12-Initiative verlor damit wie viele Volksbegehren im Verlauf der Abstimmungskampagne an Zuspruch. Bei der ersten SRG-Umfrage hatten sich das Ja- und das Nein-Lager mit je 44% noch die Waage gehalten. Am Ende scheint sie ausserhalb des linken Lagers kaum Unterstützung gefunden zu haben.

Die Initianten konnten nicht an den Erfolg der Abzocker-Initiative von Thomas Minder anknüpfen, die weit ins bürgerliche Lager hinein Anhängerinnen und Anhänger gefunden hatte. Die Stimmenden sagten damals deutlich Ja zur Stärkung der Aktionärsrechte – im Willen, ein Zeichen gegen Millionenlöhne zu setzen.

Mit der 1:12-Initiative schlugen die Jungsozialisten (JUSO) einen direkteren – und radikaleren – Weg vor, um Lohnexzesse zu unterbinden: Der Staat sollte eingreifen und vorschreiben, dass kein Chef in einem Monat mehr verdienen darf als seine Angestellten in einem Jahr. Im deutlichen Resultat offenbart sich auch ein klassisches Links-Rechts-Konfliktmuster.

Warnungen verfingen
Nach dem Ja zur Abzocker-Initiative war die Nervosität bei Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien gross gewesen. Entsprechend erleichtert zeigten sie sich nun.

Das Resultat sei ein klares Bekenntnis zum Erfolgsmodell Schweiz, schreibt das bürgerliche Nein-Komitee. «Die Bevölkerung liess sich nicht von der Initiative verführen», sagte der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser zur sda.

Erfreut zeigte sich auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Mit dem Entscheid sei der Wirtschaftsstandort weiterhin zuverlässig, berechenbar und wettbewerbsfähig, sagte er vor den Medien in Bern.

Aus Sicht von SVP-Nationalrat Jean-François Rime hätten die Bürger sehr wohl den Unterschied zwischen der Abzocker-Initiative und der JUSO-Vorlage verstanden. Die Frage der Lohnexzesse sei damit erledigt, sagte der Präsident des Gewerbeverbands.

Bürgerliche gelassen bei Mindestlohn
Sowohl die Sieger als auch die Verlierer fokussierten am Sonntag bereits auf die Mindestlohninitiative des Gewerkschaftsbundes, über die das Stimmvolk voraussichtlich kommendes Jahr entscheiden wird. Die Initiative «für den Schutz fairer Löhne» verlangt einen Mindestlohn von rund 4’000 CHF im Monat. In der kommenden Wintersession befasst sich der Nationalrat damit.

Betont gelassen geben sich dabei die heutigen Abstimmungssieger. Das heutige Resultat sei ein gutes Omen für ein Nein bei der Mindestlohn-Initiative, das im nächsten Jahr an die Urne gelangt. «Aber man darf das Volksbegehren nicht unterschätzen und muss weiter auf der Hut bleiben», sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay auf Anfrage.

Langer Marsch gegen Abzockerei
Trotz der deutlichen Niederlage stecken die linken Parteien und Gewerkschaften den Kopf nicht in den Sand. Der Abstimmungskampf habe gezeigt, dass das Anliegen der Initiative auf breite Resonanz stosse, schreiben die Grünen. Für die Gewerkschaft Unia geht es jetzt um die Löhne ganz unten. Nur mit «anständigen» Mindestlöhnen lohne sich Arbeit für alle, schreibt die Gewerkschaft.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) wertet die Niederlage nicht als Signal gegen den Mindestlohn. «Wir haben keine Angst. Unser Initiativtext beinhaltet andere Forderungen», sagte SGB-Präsident und SP-Ständerat Paul Rechsteiner (SG) zur sda.

Mitinitiant und SP-Nationalrat Cédric Wermuth kündigte einen langen Marsch gegen Abzockerei und für eine gerechtere Verteilung der Einkommen an. Mit der 1:12-Initiative sei ein Grundstein gelegt. «Das nächste Mal werden wir weiter zulegen», sagte er im Schweizer Fernsehen SRF.

Erbschaftssteuer bald im Fokus
Zu diskutieren geben wird weiter die Erbschaftssteuerinitiative aus linken und christlichen Kreisen. Die Volksinitiative «Millionenerbschaften besteuern für unsere AHV » sieht vor, dass der Bund Erbschaften und Schenkungen mit 20% besteuert.

Die Einnahmen kämen zu zwei Dritteln der AHV und zu einem Drittel den Kantonen zu. Es gälten ein Freibetrag von 2 Mio CHF sowie Erleichterungen für die Vererbung oder Schenkung von Unternehmen.

Ebenfalls bereits eingereicht wurden die Unterschriften zu einer Volksinitiative, die ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert. Noch in der Sammelphase sind die Urheber der Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV». Diese fordert eine Erhöhung der Altersrenten um 10%. (awp/mc/upd/ps)

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