Novartis wegen Manipulation von Testdaten im Visier der US-Aufseher

Novartis wegen Manipulation von Testdaten im Visier der US-Aufseher
(Foto: Novartis)

Basel – Der Pharmakonzern Novartis ist ins Visier der US-Gesundheitsbehörde FDA geraten. Der Grund: Die Behörde wirft dem Schweizer Pharmakonzern vor, vor der Zulassung der Gen-Therapie Zolgensma manipulierte Testdaten verschwiegen zu haben. Im schlimmsten Fall drohen dem Konzern Strafmassnahmen.

Die Regulierungsbehörde will laut einer Mitteilung vom Dienstag wissen, warum das Schweizer Unternehmen die manipulierten Daten erst am 28. Juni und damit nach der Zulassung am 24. Mai offengelegt hatte. Dabei kündigte die FDA eine Untersuchung an und zieht strafrechtliche oder zivilrechtliche Sanktionen in Betracht.

Hintergrund ist die Genauigkeit bestimmter Daten aus Produkttests an Tieren, die im Rahmen des biologischen Zulassungsantrages von Avexis eingereicht und von der FDA überprüft worden seien. Die Aufsicht geht davon aus, dass die Sicherheit des Medikaments nicht beeinträchtigt sei und es auf dem Markt bleiben werde, erklärte die FDA. An der positiven Einschätzung der klinischen Studien am Menschen ändere sich nichts.

Zolgensma war im Mai für Kinder unter 2 Jahren zugelassen worden. Es ist die erste in den USA zugelassene Genersatztherapie, die zur Behandlung der meist tödlich verlaufenden Erbkrankheit SMA (spinale muskuläre Atrophie) eingesetzt wird. Mit einem Preis von 2,1 Millionen US-Dollar ist sie auch die teuerste Therapie der Welt.

400 Babys pro Jahr betroffen
Die spezielle Form des Muskelschwunds betrifft in den USA jedes Jahr etwa 400 Babys und ist eine der wichtigsten genetischen Ursachen für den Säuglingstod. Zolgensma liefert eine gesunde Kopie des fehlerhaften Gens, das die Krankheit verursacht.

Die FDA teilte in ihrer Erklärung mit, dass die Novartis-Tochter Avexis, die Zolgensma herstellt, der Behörde fünf Wochen nach der Genehmigung von einem «Problem mit Datenmanipulation» berichtet hatte, das zu falschen Informationen über Tierversuche geführt hatte. Die Aufsicht erklärte, dass das Unternehmen jedoch schon von dem Problem gewusst habe, bevor Zolgensma genehmigt worden sei.

Der amtierende FDA-Kommissar Ned Sharpless twitterte nun, dass «die Behörde ihre vollen Befugnisse nutzen wird, um Massnahmen zu ergreifen».

Novartis weist Kritik zurück
Novartis erklärte in einer Stellungnahme in der Nacht auf Mittwoch, dass das Unternehmen umgehend mit einer Untersuchung begonnen habe, nachdem Avexis Kenntnis von angeblicher Datenmanipulation in einem Tierversuchsverfahren erlangt hatte. Sobald «interne Ergebnisse» vorgelegen hätten, seien diese an die FDA weitergeleitet worden.

Novartis erklärte weiter, dass der betreffende Tierversuch nicht zur Herstellung der Therapie für Patienten verwendet wurde und dass Zolgensma sicher und wirksam sei. Es werde nicht erwartet, dass sich der Vorfall auf laufende Zulassungsanträge und Entwicklungsprogramme für das Mittel auswirken werde.

Die fraglichen Daten seien nur ein kleiner Teil der eingereichten Informationen gewesen und beschränkten sich auf ein älteres, nicht mehr verwendetes Verfahren.

Narasimhan betreibt Schadensbegrenzung
Novartis-Chef Vas Narasimhan bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung: Er geht von einem isolierten Vergehen einzelner Mitarbeiter der jüngst übernommenen Avexis aus. «Wir sind gerade dabei, uns von den besagten Mitarbeitern zu trennen», kündigte der Konzernchef in einer Telefonkonferenz für Investoren an. Er gehe ausserdem nicht davon aus, dass noch andere Mitarbeiter Daten manipuliert hätten, sagte er weiter.

FDA-Mitarbeiter hatten in den letzten Wochen die Produktionsstätte des Unternehmens im kalifornischen Irvine inspiziert. In einem Bericht stellten sie mehrere Mängel fest, darunter auch, dass die Qualitätskontrollverfahren nicht vollständig eingehalten worden seien.

Analysten betonen Imageschaden
Für den Finanzanalysten Stefan Schneider von der Bank Vontobel zeigt der Fall, dass Novartis weiterhin mit Compliance-Fragen zu kämpfen habe. Die Merrill Lynch-Analysten sorgen sich, dass der Ruf des Pharmakonzerns durch die Angelegenheit Kratzer bekommen wird. Michael Nawrath von der ZKB sorgt sich auch wegen möglicherweise hohen Kosten und anderen Strafmassnahmen.

Die Novartis-Aktie sackte am Mittwochnachmittag an der Schweizer Börse um 2,9 Prozent ab. (awp/mc/pg)

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