Pressekommentare: Die Freude über den Zoll-Deal ist «getrübt»
Bern – Die Freude in den Schweizer Medien über das Erreichte im Zollstreit zwischen der Schweiz und den USA ist zwar da – doch es gibt viele Mahnfinger. Schliesslich sei die vereinbarte Erklärung nur provisorisch und die Unsicherheit über die künftigen Schritte von US-Präsident Donald Trump gross, so der Tenor in den Zeitungen.
Für «Tamedia» ist mit dem 15-Prozent-Deal mit den USA «das Schlimmste abgewendet». Mit dem Deal verbesserten sich die Bedingungen für Schweizer Unternehmen, in die USA zu exportieren, auf absehbare Zeit, heisst es in einem Kommentar. Zumindest seien sie gegenüber der Konkurrenz in Europa nicht mehr benachteiligt. Mehr als ein Schritt in die richtige Richtung sei die vereinbarte Erklärung aber nicht. Sie sei nur provisorisch.
Und dann müsse die Vereinbarung auch durch die Schweizer Politinstanzen. «Nicht ausgeschlossen, dass etwas klemmt. Oder die Sache wieder eskaliert.» Über allem schwebe zudem ein Verfahren am Obersten US-Gericht. Der Supreme Court befasst sich zurzeit mit der Frage, ob die US-Zölle überhaupt legal sind. Gut möglich, dass die Richter dies verneinen. Dann sei «das Feld wieder offen – inklusive der Option, dass Donald Trump neue Zölle verhängt, basierend auf einem anderen Gesetz».
«Die Schweiz knackt den Trump-Code»
Trotzdem sei der Zolldeal ein «Befreiungsschlag», schrieb der «Blick» in seinem Kommentar mit dem Titel: «Die Schweiz knackt den Trump-Code!». Er sei aber auch ein «politisches Lehrstück», denn während Bundesbern schwieg, handelte die Wirtschaft – «diskret, entschlossen, risikobereit». Die Unternehmen hätten erreicht, was den Bundesräten misslang: einen Termin im Oval Office. «Trump, der sich mit Ministern schwertut, empfing den Schweizer Business-Club – hörte zu, liess sich beschenken, zeigte Goodwill», hiess es. Die Unternehmer – Milliardäre, die lieber Deals machten als Debatten führten – hätten zwar aus Eigeninteresse gehandelt, doch verteidigten sie zugleich das Landesinteresse.
Doch die Freude über den Zoll-Deal «ist getrübt», wie die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb. So seien die 15 Prozent ja immer noch viel mehr als die durchschnittlichen drei Prozent von Anfang Jahr. Zudem bleibe die hohe Unsicherheit darüber bestehen, was Donald Trump als nächstes plane. «Der Washingtoner Politbetrieb ist und bleibt ein grosses Risiko für die Schweiz – mit und ohne Trump», schrieb die Zeitung. Deshalb solle «Bundesbern die Beziehung zur US-Administration koordinierter und in Abstimmung mit der Wirtschaft besser pflegen, damit diese bei aufkommenden Differenzen rasch und gezielt genutzt werden können.»
«Parmelin, plötzlich der starke Mann im Bundesrat»
«CH Media» fragte sich, warum Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, die noch im Sommer aktiv in die Verhandlungen und Kommunikation involviert war, am Freitag nicht bei der Pressekonferenz erschienen war. «Wollten die USA Keller-Sutter nach dem verhängnisvollen Telefonat mit Trump nicht mehr sehen?», lautete eine Frage an Wirtschaftsminister Guy Parmelin. «Das glaube ich nicht», habe dieser entgegnet.
Ihm sei das geglückt, «woran Keller-Sutter scheiterte», schrieb dazu das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in einem Onlinekommentar. Dabei sei aber Trump der Ursprung dieser Niederlage gewesen und nicht die Bundesrätin, betonte SRF. Zwischen Guy Parmelin und dem US-Handelsbeauftragen Jamieson Greer habe die Chemie wohl gestimmt. «Parmelin, der in der Deutschschweiz in den vergangenen Jahren immer etwas unterschätzt, ja teilweise belächelt wurde, ist plötzlich der starke Mann im Bundesrat, der die Exportindustrie und damit Tausende von Arbeitsplätzen gerettet hat.» (awp/mc/ps)