Raiffeisen-Chefökonom: Angst vor Immobilien-Crash ist unbegründet

Raiffeisen-Chefökonom: Angst vor Immobilien-Crash ist unbegründet

Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

Zürich – Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff glaubt nicht an einen Crash am Immobilienmarkt, der vergleichbar wäre mit demjenigen in den frühen 90er-Jahren. «Der Vergleich mit der damaligen Situation ist absoluter Unsinn, denn es gibt diverse entscheidende Unterschiede», sagte er im Interview mit AWP. So habe die damalige Krise in erster Linie den Markt für kommerzielle Liegenschaften betroffen und nicht den Wohnungsmarkt. Ausserdem sei die Belehnung von Bauland und Immobilien viel aggressiver gewesen. Auch hätten die Banken ihr Risikomanagement seither markant verbessert. Die Angst vor einem grossen Crash sei daher «völlig unbegründet».

Wenig hält der frühere langjährige CS-Chefökonom vom sogenannten antizyklischen Eigenkapitalpuffer, den der Bundesrat kürzlich aktiviert hat und der dazu führt, dass die Banken Hypotheken mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen. «Er bringt absolut nichts, um die Nachfrageseite zu beeinflussen», sagt Neff im ersten längeren Interview seit seinem Start bei Raiffeisen im April.

«SNB hat keine Handhabe, um etwas gegen die Entwicklung am Immobilienmarkt zu tun»
Dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) so stark vor Gefahren am Immobilienmarkt warnt, habe mit ihrer Rolle zu tun. «Das eigentliche Problem der SNB ist, dass sie gar keine Handhabe hat, um etwas gegen die Entwicklung am Immobilienmarkt zu tun. Daher muss sie auf die Warnrufe ausweichen», so Neff. Er macht zur Rolle der Nationalbank einen «plakativen» Vergleich: «Die SNB betätigt sich faktisch als Raumheizer und hat den Raum Schweiz mit ihrer expansiven Politik auf 35 Grad erhitzt. Nun will sie mit dem Puffer ein Kippfenster öffnen und damit die Raumtemperatur senken, ohne den Thermostat runterzudrehen.»

Verschärfte Eigenmittelvorschriften haben Einfluss
Einen klaren Einfluss auf die Nachfrage hätten dagegen die im letzten Sommer verschärften Eigenmittelvorschriften bei der Hypothekenvergabe gehabt. Neff sagt dazu: «Wenn also die Diagnose lautet, dass der Immobilienmarkt überhitzt ist, müssten diese Vorschriften weiter verschärft werden. Müssten für Neuhypotheken nämlich 20% – statt wie heute 10% – echte Eigenmittel eingeschossen werden, würde die Wachstumsrate bei den Hypotheken vermutlich schnell Richtung Null sinken.»

Kein schneller Zinsanstieg
Neff glaubt auch nicht an den schnellen Zinsanstieg, den manche befürchten. «Es wird ja nicht so sein, dass die Schweiz bei der aktuellen Währungssituation die Zinsen isoliert anheben kann oder wird. Bevor der Schweizer Haus- oder Wohnungseigentümer fällt, würden sämtliche klammen EU-Staaten und selbst die USA unter den hohen Zinsen ersticken», meint er.

Schweiz wird innerhalb Europas überdurchschnittlich wachsen
Für die hiesige Konjunktur gibt sich Neff trotz der Schwäche Europas zuversichtlich. «Die Schweiz ist seit einigen Jahren ein Wachstumsoutperformer in Europa, sie hat weniger eingebüsst in der Krise und hat schneller wieder daraus herausgefunden. Ich bin mir entsprechend sicher, dass die Schweiz auch dieses Jahr innerhalb Europa überdurchschnittlich wachsen wird und halte ein Plus beim realen BIP in der Grössenordnung von 1,3 bis 1,5% für sehr realistisch.» (awp/mc/pg)

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