Erdbebenversicherung soll obligatorisch werden

Erdbebenversicherung soll obligatorisch werden

Messung von Magnituden auf der Richterskala.

Bern – Die Schweiz soll eine obligatorische Erdbebenversicherung erhalten. Gegen seinen Willen muss der Bundesrat eine gesetzliche Grundlage mit Einheitsprämien ausarbeiten. Nach dem Ständerat hat am Mittwoch auch der Nationalrat einer entsprechenden Motion zugestimmt. Der Bundesrat gehe mit dem Motionär einig bei der grundsätzlichen Beurteilung und in der Stossrichtung, erklärte Ueli Maurer stellvertretend für Eveline Widmer-Schlumpf. Diese konnte an der Debatte nicht teilnehmen, weil sie nach dem tragischen Carunfall im Wallis an den Ort des Unglücks reiste.

Maurer erinnerte daran, dass die Frage schon seit vielen Jahren einer Lösung harrt. Nur mit den Betroffenen könne eine mehrheits- und tragfähige Lösung gefunden werden, sagte er. Dazu gehörten die Kantone, die Versicherer und die Hauseigentümer. Der Bundesrat sei auch bereit, diese nochmals an einen Tisch zu bringen, um einen Konsens zu finden. Besonders die Eigentümer widersetzen sich einer Lösung.

Frage des Wann
Auch die Mehrheit der vorberatenden Kommission war der Meinung, dass eine obligatorische Versicherung mit einheitlichen Prämien nicht notwendig ist. Es sei fraglich, ob eine Lösung gefunden werden könne, «die Jahrzehnte oder Jahrhunderte später noch Bestand haben kann», sagte Filippo Leutenegger (FDP/ZH) angesichts des Zufalls eines Erdbebens. Zudem decke eine solche Versicherung bei einem grösseren Erdbeben nur einen Teil der Gebäudeschäden ab. Für die Infrastruktur müsse dann sowieso die öffentliche Hand aufkommen. Erschwerend kämen unterschiedliche kantonale Gesetzgebungen hinzu. Gegen ein Obligatorium spreche zudem, dass «neue baurechtliche Vorschriften die unweigerliche Folge wären», erklärte Leutenegger. Dies würde insbesondere Renovationen verteuern.

Frage der Solidarität
Die siegreichen Befürworter appellierten jedoch an die Solidarität unter den Regionen. Zudem sei es nicht verständlich weshalb Lawinen, Wasser oder Erdrutsche zu den Elementarschäden gehörten, die obligatorisch versichert würden und Erdbeben nicht. Wenn alle Gebäudebesitzer die Versicherung abschliessen müssten, bleibe die Prämie im Verhältnis zu den Risiken tragbar. Die Befürworter der Versicherung äusserten zudem ihr Befremden darüber, dass sich die Hauseigentümer für die Deckung allfälliger Schäden auf den Bund verliessen. «Dieses Problem kann nicht abgeschoben werden», sagte Jacqueline Badran (SP/ZH) an ihre Adresse.

Die Linke im Rat erinnerte daran, dass auch der Finanzplatz Interesse an einer solchen Versicherung haben müsse. Ein Schadensfall mit insolventen Hausbesitzern könne die Immobilienblase zum Platzen bringen, sagte Beat Jans (SP/BS).

Frage des Wie
Mit eindringlichen Voten wie «die Frage ist noch ob, sondern wann es knallt» oder Erdbeben «als grösstes Naturgefahrenrisiko der Schweiz» mit «grösstem Schadenspotenzial» obsiegten die Befürworterinnen und Befürworter einer obligatorischen Erdbebenversicherung im Nationalrat. Mit 95 zu 67 Stimmen überwies dieser eine Motion des Walliser Ständerates Jean-René Fournier (CVP) an den Bundesrat. Wie dieser die Motion umsetzen wird, ist offen: Für eine Einheitsprämie brauche es eine Bundeskompetenz und damit eine Änderung der Verfassung, hatte die Finanzministerin im Ständerat erklärt, als dieser das Thema diskutierte.

Ungenügende Sensibilität gegenüber Erdbeben
Mit 84 zu 76 Stimmen befürwortete der Nationalrat auch eine ähnlich lautende parlamentarische Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL). Diese geht nun an den Ständerat. Die Nationalrätin beklagte, dass in Bevölkerung und Politik die Sensibilität gegenüber Erdbeben und ihren Folgen ungenügend sei. Einzig der Kanton Zürich kennt eine obligatorische Erdbebenversicherung. Die Versicherungsdeckung beträgt eine Milliarde Franken. Im Pool der Erdbebendeckung der 18 kantonalen Gebäudeversicherungen sind freiwillige Leistungen im Falle eines Erdbebens von zwei Milliarden Franken abgesichert. Die privaten Versicherer stellen 200 Millionen Franken bereit.

Schadenspotenzial von etwa 60 bis 120 Mrd Franken

Ein grosses Beben hat heute in der Schweiz gemäss Experten ein Schadenspotenzial von etwa 60 bis 120 Milliarden Franken. Die Erdbebengefährdung wird als «mittel» eingeschätzt. Schon heute ist es möglich, eine Versicherung gegen Erdbebenschäden abzuschliessen. Die Prämien sind aber sehr hoch. (awp/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert