Schweizer haben die Sommersaison in den Bergen gerettet

Schweizer haben die Sommersaison in den Bergen gerettet
Luftaufnahme vom Schilthorn-Piz Gloria mit Abendstimmung. (Foto: Schilthornbahn)

Zürich – Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie leiden die Grosszentren massiv unter dem Ausbleiben der ausländischen und zum Teil auch inländischen Hotelgäste. Das hat sich auch in der Sommersaison nicht geändert. Insbesondere die flughafennahen Gemeinden verzeichnen die stärksten Einbrüche. Dagegen sind die typischen Tourismusgemeinden in den Sommermonaten nur leicht vom Rückgang der ausländischen Gästezahlen beeinträchtigt gewesen. In einigen Kantonen hat der Anstieg der inländischen Gäste sogar zu einem deutlichen Wachstum der Logiernächte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geführt.

Nachdem der Tourismus coronabedingt ab Mitte März für rund drei Monate fast vollständig zum Erliegen gekommen war, öffnete die Schweiz am 15. Juni die Grenzen zu allen EU/EFTA-Staaten wieder. Pünktlich zum Beginn der Sommersaison konnte der Schweizer Tourismus dadurch etwas aufatmen. Dennoch sassen die Sorgen der meisten Hotelbesitzer vor einem verlustreichen Sommer tief, was zum Teil begründet und zum Teil unbegründet war.

Grosszentren leiden viel stärker als alpine Tourismusregionen
Während im April schweizweit noch 92% weniger Logiernächte als im Vorjahresmonat verzeichnet wurden, lag das Minus im Juli nur noch bei 26% (Abb. 1). Allerdings gibt es massive Unterschiede zwischen den klassischen Tourismusregionen und den Grosszentren. Die Stadthotels in den Grosszentren mussten in den Monaten Juli und August Einbrüche der Logiernächte von mehr als 60% hinnehmen. Der Rückgang bei den Hotels in den Klein- und Mittelzentren war dagegen weniger gravierend und betrug in den beiden Monaten zwischen 20% und 30%. Am besten sah die Situation in den Tourismusregionen aus. Hier betrug das Minus im Juli und August nicht mehr als 10%. Zudem gab es einige Regionen, die sogar ein deutliches Gästeplus verzeichnen konnten, wie der Blick auf die einzelnen Kantone verrät.

Grosses Nachfrageplus im Jura, in Appenzell und in Neuenburg
Von den 26 Schweizer Kantonen konnten sieben in der Sommersaison (Juli und August) 2020 sogar einen Anstieg der Logiernächte verzeichnen (Abb. 2). Die Kantone Appenzell-Innerrhoden (+27%) und Appenzell-Ausserrhoden (+15%) zogen vor allem Touristen aus der Westschweiz in Scharen an, die andere Touristengruppen mehr als kompensierten. Auch die Kantone Jura (+28%) und Neuenburg (+24%) profitierten davon, dass viele Schweizer ihre Sommerferien im Inland verbrachten. Die Präferenz vieler Touristen für eher abgelegene und naturnahe Räume liessen auch im Tessin (+8%) und Graubünden (+7%) die Besucherzahlen steigen. Das Schlusslicht bildeten dagegen die drei durch ihre Grosszentren geprägten Kantone Basel-Stadt (–57%), Zürich (–70%) und Genf (–72%). Der Kanton Waadt (–31%) mit der Stadt Lausanne und der Kanton Bern (–28%) mussten dagegen nicht ganz so starke Einbussen hinnehmen. Beide Kantone besitzen bekannte touristische Gegenden, die stärker besucht wurden als ihre Zentren. Die Erklärung für die massiv unterschiedlichen Entwicklungen in den touristischen Gebieten und den Städten findet sich in den jeweiligen Gästezusammensetzungen bezüglich der Herkunftsländer.

Neben weniger Ausländern auch weniger Schweizer zu Besuch in Grosszentren
Die Gewinner- und Verliererkantone in der Sommersaison 2020 unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Abhängigkeit von ausländischen und insbesondere aussereuropäischen Gästen (Abb. 3). Die grossen Städte wie Basel, Zürich und Genf wurden im Sommer 2019 überwiegend von ausländischen Gästen besucht. In diesem Sommer sind aufgrund der Einreisebeschränkungen die aussereuropäischen Gäste fast vollkommen ferngeblieben. Allerdings haben auch deutlich weniger europäische und Schweizer Gäste die grossen Städte besucht. Dies kann unter anderem mit dem ausbleibenden Konferenz- und Messetourismus, der Absage von Grossveranstaltungen und dem reduzierten Geschäftstourismus erklärt werden. In den touristischen Kantonen vermochten dagegen die inländischen Gäste die geringere Nachfrage der europäischen und aussereuropäischen Gäste zu überkompensieren.

Berggemeinden in Graubünden verzeichnen Gästeanstieg von bis zu 81%
Während der gesamte Kanton Graubünden ein Gästeplus von 7% verzeichnete, konnten einzelne Gemeinden im Sommer 2020 sogar traumhafte Wachstumsraten verbuchen. Betrachtet man alle Schweizer Gemeinden, die im Sommer (Juli und August) 2019 mehr als 10’000 Logiernächte aufwiesen (insgesamt 143 Gemeinden), nahmen die Gemeinden Bregaglia (+81%), Flims (+57%) und Vaz/Obervaz (+47%) in Graubünden die Spitzenpositionen ein (Abb. 4). Unter den zehn Gemeinden mit dem grössten Anstieg befinden sich mit Yverdon-les-Bains (+46%) und Saillon (+45%) auch zwei Gemeinden aus der Westschweiz. Zudem ist mit den beiden Gemeinden Gambarogno (+37%) und Muralto (+33%) am Lago Maggiore auch das Tessin in den Top Ten vertreten. Hotels in diesen Gemeinden konnten damit die Einbussen vom Frühling teilweise wettmachen.

Vor allem flughafennahe Gemeinden gehören zu Verlierern
Weniger gut steht es um Hotelbetriebe in den Grossstädten und solche, die auf Geschäftstouristen ausgerichtet sind. Vor allem Betriebe in flughafennahen Gemeinden kämpften mit widrigen Umständen und happigen Gästeeinbussen (Abb. 5). Hierzu zählen die sieben Gemeinden Meyrin (–83%), Grand-Saconnex (–83%), Opfikon (–81%), Rümlang (–78%), Kloten (–74%), Wallisellen (–74%) und Vernier (–70%). Zudem sind Lancy (–78%), das an Genf grenzt, und die Stadt Zürich (–73%) stark vom Gästeschwund beeinträchtigt. Des Weiteren litt die Gemeinde Affoltern am Albis im Kanton Zürich an einem starken Gästerückgang von –74%. Das Regionalzentrum im Knonaueramt ist zwar nicht in Flughafennähe und gehört auch nicht unmittelbar zum Grosszentrum Zürich, aber es ist bei asiatischen Tourveranstaltern beliebt, die günstige Hotels mit grossen Carparkplätzen schätzen. Im Sommer 2019 haben die Gäste aus Asien dort 48% der Übernachtungen ausgemacht. Im Sommer 2020 waren es dagegen nur noch 3%. (Credit Suisse/mc/ps)

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