Fliegen wird in der Schweiz wieder beliebter: Von Flugscham keine Spur?

Fliegen wird in der Schweiz wieder beliebter: Von Flugscham keine Spur?
(Foto: Flughafen Zürich)

Groningen – Kaum hatten sich die Sicherheitsgurte der Schweizer Bevölkerung nach der Pandemie gelöst, da schnallte man sich schon wieder neu an im Flugzeug. Flugscham, die einst durch Klimabewegungen wie Fridays for Future medienwirksam aufgegriffen wurde, scheint vielerorts verblasst zu sein.

Stattdessen steigt die Zahl der Passagiere an den Flughäfen von Zürich, Genf und Basel kontinuierlich. Woran liegt das?

Warum Schweizer Flughäfen aktuell so stark ausgelastet sind wie lange nicht mehr

Wer dieser Tage durch den Flughafen Zürich spaziert, könnte meinen, es handle sich um die Hauptreisezeit. Tatsächlich haben sich die Passagierzahlen nicht nur erholt, sie nähern sich rasant dem Niveau von 2019. Besonders deutlich zeigt sich der Trend bei Ferien- und Freizeitflügen. Geschäftsreisen holen langsam auf, erreichen das Vorkrisenniveau jedoch noch nicht vollständig.

Auffällig bleibt: Die Schweiz gehört europaweit zu den Ländern mit dem höchsten Flugaufkommen pro Kopf. Dabei tragen Vielflieger, eine zahlenmässig kleine, aber reisefreudige Gruppe, überproportional zum CO2-Ausstoss bei. Selbst die Infrastruktur rund um die Airports boomt wieder. Angebote für Flughafen Zürich Parking sind gefragt wie eh und je, denn viele bevorzugen die bequeme Anreise im eigenen Auto.

Günstige Tickets verführen

Es ist kein Geheimnis, dass der Preis oft der stärkste Reiseanreiz ist. Airlines und Buchungsportale bieten derzeit Tickets zu Kampfpreisen an. Nach der pandemiebedingten Flaute setzen sie auf Volumen statt Margen. In einem Land wie der Schweiz, wo Reisen traditionell teuer ist, wirken solche Angebote besonders verlockend. 

Billigairlines heizen den Wettbewerb zusätzlich an. Wer clever vergleicht und flexibel plant, bucht für den Preis eines besseren Abendessens einen Städtetrip quer durch Europa. Kein Wunder also, dass Spontanbuchungen boomen.

Flugscham ist kaum noch spürbar in der gesellschaftlichen Debatte

Während Klimabewusste noch vor wenigen Jahren öffentlich diskutierten, ob sie überhaupt fliegen dürften, ist das Thema aktuell erstaunlich leise geworden. Die Pandemie hat dabei vieles verschoben. Nach Monaten der Einschränkungen trat bei vielen der Wunsch nach Bewegungsfreiheit in den Vordergrund. 

Airlines nutzen die Gelegenheit geschickt. CO2-Kompensationsprogramme werden beworben, grüne Labels suggerieren Nachhaltigkeit. Dass solche Massnahmen bestenfalls ein Tropfen auf den heissen Stein sind, wird im Alltag selten hinterfragt.

Die Schweiz im Spannungsfeld

Die Reiselust der Schweizerinnen und Schweizer war schon immer ausgeprägt. Ein kleines Binnenland ohne Küste, mit hoher Kaufkraft und einem Hang zum Entdecken neuer Horizonte – perfekte Voraussetzungen für häufiges Reisen. Doch während die Sehnsucht nach dem Ausland wächst, mahnen Klimaziele und Nachhaltigkeit zur Zurückhaltung. Hier klaffen Anspruch und Verhalten weit auseinander.

Klimaschützer beobachten die Renaissance des Fliegens mit Sorge. Flugverkehr bleibt eine der grössten Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Politische Massnahmen fehlen bislang, Appelle an das Gewissen verhallen oft ungehört. Zwar versuchen Aktivisten, das Thema erneut in den Fokus zu rücken, doch der gesellschaftliche Rückenwind ist derzeit schwach.

Zwar gibt es Fortschritte beim europäischen Bahnverkehr, doch die Bahn bleibt im Vergleich zum Flugzeug häufig teurer und zeitaufwendiger. Nachtzüge erleben eine Renaissance, sind aber noch nicht flächendeckend verfügbar. Gerade bei beliebten Städtezielen und Sonnenferien bleibt das Flugzeug unschlagbar. Auch die Erreichbarkeit der Flughäfen spielt eine Rolle. Wer etwa auf das Genf Flughafen Parking zurückgreifen kann, stellt das Auto bequem am Terminal ab und vermeidet so aufwendige Bahntransfers mit Koffern und Kindern im Schlepptau.

In der Schweiz wird seit Jahren über Lenkungsabgaben diskutiert. Eine Kerosinsteuer existiert jedoch weiterhin nicht. Wirtschaftliche Interessen, gepaart mit politischer Zurückhaltung, verhindern klare Schritte. Dabei könnte eine solche Abgabe das Fliegen verteuern und so den CO2-Ausstoss wirksam bremsen.

Ein Blick auf die Zukunft des Fliegens in der Schweiz

Die Prognosen sind eindeutig. Der Flugverkehr wird weiter wachsen. Technologische Lösungen wie Sustainable Aviation Fuels sind im Kommen, werden aber noch Jahre brauchen, um spürbare Effekte zu zeigen. Bis dahin bleibt die Schweiz eine Nation der Vielflieger. Ob sich das im Spannungsfeld zwischen Klimazielen und individueller Reiselust bald ändern wird, bleibt offen. (par/mc/hfu)


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