Museum Rietberg: «Iran – Porträt eines Landes»

Museum Rietberg: «Iran – Porträt eines Landes»
Mädchen in europäischer und Mädchen in persischer Kleidung nebeneinandersitzend, Antoin Sevruguin, Iran, um 1880–1896, Albuminpapierabzug, 11,8 x 16,8 cm, Museum Rietberg, 2022.428.134, Geschenk der Erben von Emil Alpiger (© Museum Rietberg, Zürich)

Unter dem Titel «Iran – Porträt eines Landes» zeigt das Museum Rietberg in der Park-Villa Rieter vom 29. Februar bis 4. August 2024 eine faszinierende Ausstellung, die dem Fotografen Antoin Sevruguin (1851–1933) gewidmet ist.

Wie porträtiert man ein Land? Stellen Sie sich vor, jemand bäte Sie, eine fotografische Bilderserie der Schweiz zu erstellen. Welche Sujets würden Sie wählen? Welche Menschen, welche Berufe? Welche Landschaften und welche Architektur? Würden Sie eine Waadtländer Bäuerin und einen Zürcher Bankier fotografieren – oder wäre das schon zu klischeehaft? Wenn Sie diese Aufnahmen für eine amerikanische Zeitschrift machten, sähen die Bilder anders aus, als wenn die Fotografien ein Geschenk für einen Schweizer Freund wären? Solche und ähnliche Gedanken dürfte sich Antoin Sevruguin zu Ende des 19. Jahrhunderts gemacht haben, als er anfing, das «Porträt eines Landes», und zwar seiner Wahlheimat Iran, in hunderten von Bildern aufzunehmen. 63 der rund 400 Aufnahmen, die das Museum Rietberg von ihm besitzt, sind in der Ausstellung «Iran – Porträt eines Landes» zu sehen.

Dreiviertelporträt einer Frau mit kurdischem (?) Kopfputz, Antoin Sevruguin (1851–1933), Iran, um 1880–1896, Albuminabzug, Geschenk der Erben von Emil Alpiger

Welchen Blick hat ein «Secondo»?
Antoin Sevruguin wurde 1851 als Kind armenischer Eltern in Iran geboren, wuchs im georgischen Tiflis auf und arbeitete später in Teheran. Wir würden ihn heute einen «Secondo» nennen – er selbst bezeichnete sich eine Zeit lang als «russischer Fotograf», sprach Persisch, Armenisch, Georgisch und wohl Azeri (eine Turksprache), inserierte als «photographe artistique» auf Französisch, verstand sich aber als Iraner.

Sein Ziel war es, ein möglichst umfassendes Porträt seiner Wahlheimat zu schaffen. Sein Œuvre umfasste rund 7.000 Aufnahmen. Schon zu Lebzeiten wurden seine Lichtbilder in europäischen Büchern publiziert, er wurde in Brüssel und Paris mit Goldmedaillen ausgezeichnet und 1900 durch den Schah geadelt. Noch heute beziehen sich Künstler*innen im Iran auf ihn.

Für sehr viele internationale und iranische Fachleute jedoch ist Antoin Sevruguin immer noch ein «Ausländer», jemand, der Land und Leute mit «fremdem Blick» fotografierte. Aber stimmt das – und woran lässt sich das in seinen Fotos überhaupt erkennen? Sind Sevruguins Bilder von Menschen wirklich nur «exotisch», «orientalistisch» oder «ethnographisch»? Oder besass Sevruguin gerade aufgrund seines «Migrationshintergrunds» die Fähigkeit, verschiedene Sichtweisen einzunehmen? Tatsächlich gelang es ihm, unterschiedliche Seherwartungen zu bedienen, seien diese nun westlich oder iranisch.

Typenporträts und ein Land im Wandel
Besonders deutlich wird dies anhand der orientalisierenden Typenporträts, die damals in Europa sehr beliebt waren. In den Aufnahmen sollte sich das typisch «Orientalische» zeigen. Sevruguin nahm zu Anfang seiner Karriere ebenfalls solche Typenporträts auf, bewegte sich mit der Zeit aber immer stärker davon weg: Seine Porträts wurden «iranischer», richteten sich zunehmend an seine
Landsleute. Das zeigt sich vor allem an der Körpersprache der fotografierten Männer und Frauen, die sich in Details von der europäischen unterscheidet.

Unter Nasir al-Din Shah, der von 1848 bis 1896 regierte, erlebte Iran grosse Veränderungen: Die westliche Moderne hielt Einzug mit einer polytechnischen Hochschule, der Telegrafie und der Eisenbahn. Der Schah eröffnete sogar das erste Kunstmuseum. Daneben entstanden neue Moscheen und Paläste, die traditionell iranische mit europäischen und sogar türkischen Elementen verbanden. Sevruguins austarierte, teilweise spektakuläre Aufnahmen dieser Neubauten zählen zu seinen bekanntesten Arbeiten.

Seine Landschaftsfotografien sind nicht weniger eindrucksvoll: Sie reichen vom malerischen Nahblick bis zur majestätischen Fernsicht. Menschliche Figuren im Bild helfen den Betrachtenden, sich zu orientieren und die enorme Tiefe des Bildraums und die Weite der Landschaft zu erfassen.

Die Ausstellung wird von einer Broschüre in Deutsch, Französisch und Englisch begleitet. (Museum Rietberg/mc/ps)

Ausstellungsinformationen

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