Sulmona, Tor zur Majella: Ovid’s “Sulmo mihi patria est” ist gut gealtert und frisch geblieben.

Sulmona, Tor zur Majella: Ovid’s “Sulmo mihi patria est” ist gut gealtert und frisch geblieben.

Wer wie Sulmona seine Wurzeln als Stadt bis 100 Jahre vor Christus dokumentieren kann, mit Ovid einen der grössten römischen Dichter beheimatete, im Mittelalter dank dem Stauffer Friedrich II. Bischofssitz und Hauptstadt der Abruzzen war, kann heute mit einer gewissen Gelassenheit Einwohner und Gäste in seinem Gemäuer beherbergen.

Genau das tut das Städtchen mit elegantem Charme. Von der Majella kommend, wo die meist an steilen Hängen sich krallenden Dörfer durch dunkle, enge Gassen, natursteinerne Mauern und eng aneinander geschmiegte Häuser geprägt sind, setzen hier die Grosszügigkeit der Bauten, die warmen Farben, das spielerische Nebeneinander unterschiedlicher Epochen einen wohltuend verspielten Akzent.

Goldregen und Glattnatter
Wir haben zuvor das gute Wetter genutzt und den Nationalpark der Majella (Goldregen) ein wenig erwandert und mit den Fahrrädern erkundet. Die erste Wanderung unternahmen wir von der Strasse oberhalb von Taranto Peligna hoch zu den Grotte del Cavallone. Die sind zwar, ebenso die abenteuerliche Seilbahn mit den Freiluftkörbchen, wegen Corona und Revisionsarbeiten geschlossen, dem Naturerlebnis tut dies aber keinen Abbruch. Wir begegnen auf der gesamten Wanderung niemandem sonst, Berge und Täler zum alleinigen Genuss. Dafür nehmen wir den steilen Anstieg über die Schotterpiste ebenso in Kauf wie den steilen Abstieg durch Wiesen und Eichenwälder. Im Wesentlichen geht es von 700 Metern auf 1‘700 Meter steil nach oben, dann quert man einen Talkessel auf schmalem Pfad mit einem leichten Anstieg auf knapp 1‘900 Meter, danach steil nach unten wieder zum Ausgangspunkt. Dazwischen werden wir unterhalten mit atemberaubenden Blicken in die weite Landschaft, kargen Gebirgszügen, üppigen Alpwiesen, einem übermotivierten Reh, einer sich sonnenden Glattnatter und dramatischen Wolkenspielen.

Barrea und die gemütliche Seite des Passo Godi
Die nächsten zwei Tage verbringen wir in Barrea, dem malerischen Ort am gleichnamigen Stausee. Wie viele andere Dörfer im Majella Nationalpark hat Barrea seinen Kern über die Jahrhunderte bewahrt. Dunkle, enge, steil ansteigende und abfallende Gassen, moosiger Geruch gemischt mit dem Duft nach wohligem Holzfeuer. Hier geniessen wir die besten Arrosticini unserer bisherigen Reise (Fleischspiesschen) mit Schaffleisch im Borgo Antico. Von hier aus nehmen wir auch den Weg zum Passo Godi unter die Räder. Eine angenehm leichte Steigung durch Wälder und Alpweiden führen über 21 Kilometer in 780 Höhenmeter hinauf zum Pass. Die landschaftlich lohnendere Tour führt jedoch mit fast identischem Profil von Scanno aus auf den Pass.

Scanno ist deshalb auch die nächste Destination der Reise und entpuppt sich als Sackgasse, da ein Tunnel mit der Maximalhöhe von 3 Metern für unseren Steyr eine Nummer zu klein ist. Das Dorf selbst ist ein Juwel mit beeindruckenden Bauten, verwinkelten Gassen, kleinen Läden für alle kulinarischen Genüsse. Die Schönheit des alten Dorfes wird kontrastiert durch die hässlichen, verkommenen Bauten der neueren Zeit um das Dorf herum. Ein schöner Wanderweg führt zum nahen Lago die Scanno, der vor allem durch die Einbettung in die Landschaft und durch seine vielfältigen Grüntöne gefällt.


SMPE, Confetti und viel Erbauliches
Nach viel Natur, Ruhe, Abgeschiedenheit bildet Sulmona eine willkommene Abwechslung. Kleinstädtische Eleganz und gelassene Betriebsamkeit in einem grandiosen architektonischen Rahmen. Die weltweit bekannten Süsswaren, die „Confetti“ (Mandeln mit Schokoladeüberzug und Glasur zu Blumengestecken und anderen Werken arrangiert), wollen bewundert und genossen werden.

Wer kulturell alle Epochen auf kleinstem Raum erleben möchte, besucht die Kirche Santa Maria della Tomba. Errichtet um 1076 auf den Ruinen eines römischen Tempels (eine etwas romantischere Version spricht von den Ruinen des Hauses Ovids), bekam sie im 14. Jahrhundert die romanische Fassade mit einem Portal von Nicola Salvitti, dem Erbauer der Kathedrale von San Panfilo. Heute besticht sie mit ihrer gotischen Schlichtheit im Innern und den zahlreichen Resten alter Fresken, sowie einer Bronzeglocke aus dem Jahr 1314 , die von Bartolomeo da Pisa gegossen wurde.

Zahlreiche Kirchen wurden im Innern „verbarockisiert“, während die Portale noch romanisch oder gotisch geprägt sind. Sichtbare Spuren einer 2’000 Jahre alten Geschichte der faszinierenden Stadt. Das Erbe Ovids ist auch heute dank den SMPE-Inschriften (Sulmo mihi patria est / Sulmona ist meine Heimat) noch überall sichtbar.

Gestärkt mit viel Süssigkeiten, dolce vita, Kultur und dem Versprechen einer günstigen Wetterentwicklung wagen wir uns als nächstes endlich ins Herz der Abruzzen, den Campo Imperatore, dem eigentlichen Ziel unserer Reise.


Wanderung in die Majella von Taranto Peligna: 12.2 Kilometer, 1210 Höhenmeter hinauf, dasselbe wieder hinab.

Fahrradtour auf den Passo Godi von Barrea aus: 42.2 Kilometer, 780 Höhenmeter.

Spaziergang von Scanno an den Lago di Scanno: 9.5 Kilometer, 420 Höhenmeter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert