Global View der Bank Sarasin: Der Sturm ist noch nicht vorbei

Global View der Bank Sarasin: Der Sturm ist noch nicht vorbei

Jan Amrit Poser, Leiter Research und Chefökonom der Bank Sarasin.

Basel – Die Zuspitzung der Euroschuldenkrise im zweiten Quartal 2012 trübt den Ausblick für die nächsten Monate. Das Research der Bank Sarasin erwartet in seinem aktuellen Ausblick Global View, dass sich die sich abzeichnende Wachstumsverlangsamung im dritten Quartal 2012 negativ auf die Renditen von Risikoanlagen auswirken wird. Mit weiteren Rückschlägen an den Aktienmärkten ist zu rechnen. Auch sichere Staatsanleihen bleiben bei rekordtiefen Zinsen unattraktiv. Unternehmensanleihen sind im Vergleich deutlich attraktiver. Mit Blick auf die zunehmenden konjunkturellen Risiken sind Geldmarkt- und Immobilienanlagen interessante Alternativen.

Die Euroschuldenkrise hat sich im zweiten Quartal 2012 dramatisch zugespitzt. Jetzt bedarf es weitreichender Massnahmen der politischen Entscheidungsträger, um die Zahlungsfähigkeit der Euroländer zu gewährleisten, die Währungsunion zu vollenden und die schleichende Kreditklemme in Europa abzuwenden. Auch in den USA und den Schwellenländern wird die Abschwächung des Wirtschaftswachstums die Politik demnächst zu Eingriffen veranlassen. Die Wirkung allfälliger geld- und fiskalpolitischer Massnahmen entfaltet sich aber oft nur mit Verzögerung. Hoffnung für eine Rückkehr Europas zum Wachstumspfad besteht somit erst ab 2013. Vorderhand sind die konjunkturellen Risiken klar nach unten gerichtet. Trotz der notwendigen Expansion der Zentralbankbilanzen sieht die Bank Sarasin keine Inflationsgefahr, solange Haushalte und Staaten ihre Schulden abbauen müssen.

«Euroland braucht einen Urknall seitens der politischen Entscheidungsträger, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Der Zyklus im Rest der Welt hängt in einem nicht unbeträchtlichen Mass von diesen Eingriffen ab, aber es bedarf auch flankierender Massnahmen der Zentralbanken in den USA und den Schwellenländern, um einen bevorstehenden Abschwung zu stoppen.»
Dr. Jan Amrit Poser, Leiter Research und Chefökonom der Bank Sarasin

Kreditklemme in Euroland – USA in Mitleidenschaft gezogen
In Erwartung eines Euro-Austritts Griechenlands und weiterer Bankpleiten in Spanien haben im zweiten Quartal 2012 auch Banken in den Kernländern Garantien für Handelskredite gestrichen und horten Liquidität. Die konjunkturellen Frühindikatoren zeigen, dass nicht nur Italien und Spanien in eine Rezession gerutscht sind, sondern zunehmend auch Kernländer wie Deutschland mit in den Strudel gerissen werden. Um den Teufelskreis zwischen Staaten und Banken zu durchbrechen, muss die Bankenunion möglichst rasch aufgesetzt werden. Daneben wird eine Teilvergemeinschaftung der Staatsschulden unausweichlich sein. Die Flutwelle aus Europa scheint mittlerweile auch in den USA angekommen. Der ISM Manufacturing Index deutet klar an, dass zeitgleich mit dem deutschen Geschäftsklima auch in den USA ein erneuter Abschwung begonnen hat. Inzwischen ist die Schwäche auch schon auf den Arbeitsmarkt übergeschwappt und droht jetzt, die Konsumentenstimmung zu schwächen.

China und Indien noch nicht gelandet
Auch die realwirtschaftlichen Daten von China zeigen weiterhin eine Wirtschaftsabschwächung von hohem Niveau. Noch hat China sein Geschäftsmodell nicht vom Export auf Konsum drehen können. Die chinesische Zentralbank hat nach einer Reihe von Mindestreservesatzsenkungen nun auch die Kredit- und Einlagenzinsen gesenkt. Die Kreditvergabe steigt inzwischen wieder stark an, was Hoffnungen auf eine baldige weiche Landung weckt, auf die wir aber bis auf weiteres warten müssen. Auch Indien hat eine Abschwächung des Wachstums rapportiert. Die starke Abschwächung der Rupie wird jedoch den Abschwung abfedern.

Abwärtsrisiken dominieren an den Aktienmärkten
Die Euroschuldenkrise und die schwachen Wachstumsaussichten belasten die Aussichten an den Aktienmärkten. Aktien sind zwar im Vergleich zu Obligationen günstig bewertet, doch dürften aus Sicht der Bank Sarasin die Gewinnschätzungen stark fallen und damit die Bewertungen unter Druck geraten. Defensive Märkte wie die Schweiz und Grossbritannien sind aus Sicht der Bank Sarasin in diesem Umfeld zu bevorzugen. Ebenso dürften im dritten Quartal 2012 defensive Sektoren wie Gesundheit, Informationstechnologie und Immobilien bessere Kursrenditen aufweisen als zyklische Sektoren. Das grösste Rückschlagsrisiko sehen die Analysten der Bank Sarasin bei US-Aktien resp. aus Sektorensicht bei Finanz- und Industriewerten. Da eine konjunkturelle Trendwende zuerst in den Schwellenländern stattfinden könnte, rät die Bank Sarasin bei Kursrückschlägen Aktien dieser Länder zuzukaufen.

«Da die Risiken im dritten Quartal 2012 asymmetrisch nach unten verteilt sind, sollten sich Anleger entsprechend vorsichtig positionieren, um grössere Rückschläge zu vermeiden. Allfällige Marktverwerfungen werden aber Opportunitäten im Aktienbereich und bei den Unternehmensanleihen mit sich bringen, die es dann zu nutzen gilt.»
Philipp E. Bärtschi, Chefstratege der Bank Sarasin

Aktien mit wiederkehrenden Erträgen sind top
Anlagestrategien mit einem Fokus auf Investitionen mit relativ stabiler Ertragsentwicklung sind in Zeiten hoher Unsicherheit gefragt. Unternehmen mit hohem Anteil an Erträgen, die Jahr für Jahr anfallen, sind entsprechend attraktiv. Sie können sich beispielsweise relativ günstig finanzieren und gehören zu den Gewinnern der «finanziellen Repression». Die durchschnittliche Bewertung der entsprechenden Empfehlungsliste der Aktienanalysten der Bank Sarasin ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 12 und einer Dividendenrendite von 3% attraktiv. Zu den empfohlenen Titeln gehören: Actelion (CH), Air Liquide (FR), Basilea (CH), Ecolab (US), Fresenius Medical Care (DE), Intertek (UK), Mobimo (CH), Pirelli (IT), Rexam (UK), Sodexo (FR) und Swiss Prime Site (CH).

Negative reale Renditen von Staatsanleihen machen Unternehmensanleihen zum sicheren Hafen
Vor dem Hintergrund der Euro-Schuldenkrise und einer Eintrübung der Konjunktur werden die Zentralbanken in den Industrie- und den Schwellenländern ihre Geldpolitik in der zweiten Jahreshälfte 2012 weiter lockern. Das sollte nach Einschätzung der Bank Sarasin in den Industriestaaten die Renditen von Staatsanleihen auf einem tiefen Niveau halten. Real sind die Renditen von Staatsanleihen aktuell sogar negativ, weshalb viele Anleger Unternehmensanleihen als neue sichere Häfen entdeckt haben. Im ersten Halbjahr 2012 haben sich Unternehmensanleihen bemerkenswert widerstandsfähig gezeigt. Trotz den unterstützenden Fundamentaldaten und der hohen Nachfrage könnten die Kreditrisikoprämien im zweiten Halbjahr 2012 aufgrund der Schuldenkrise und den Rezessionsängsten aber steigen. Attraktivere Bewertungen und die vorsichtige Positionierung der Anleger sollten aber einen Ausverkauf verhindern. Schwellenländeranleihen könnten kurzfristig – aufgrund der Abwertung ihrer Währungen – an Boden verlieren. In der langen Frist sind Staatsanleihen aus den Schwellenländern jedoch dank starker Fundamentaldaten weiterhin attraktiv.

Euro hält der Krise stand
Nach Einschätzung der Analysten der Bank Sarasin wird der Dollar nur kurzfristig von der Eurokrise profitieren. Bis Ende 2012 könnte er sogar zur weicheren Währung werden, falls die US-Notenbank aufgrund der Wachstumsverlangsamung die Dollar-Liquidität ausweitet oder falls ein erneutes Gerangel um die US-Schuldenobergrenze die Anleger verunsichert. Die Schweizerische Nationalbank wird an der Untergrenze des Eurokurses festhalten und eine weitere Aufwertung des Schweizer Franken verhindern. Auch die japanische Nationalbank könnte in der zweiten Jahreshälfte gegen den starken Yen vorgehen. Das britische Pfund ist konjunkturellen Abwärtsrisiken ausgesetzt. Insgesamt dürften sich die verschiedenen Kräfte, welche auf die Hauptwährungen wirken, ausgleichen, so dass die Analysten der Bank Sarasin bis Ende 2012 keine grossen Währungsbewegungen erwarten. (Sarasin/mc/ps)

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