Schweizer Mittelstand: Vital trotz Euro-Sturm?

Schweizer Mittelstand: Vital trotz Euro-Sturm?

Der florierende Mittelstand wird von der jüngsten Frankenaufwertung vielfach ausgebremst. Branchenleader stört der Wechselkurs hingegen wenig, sie sind attraktive Kaufziele. Anderen droht dagegen der Abstieg. Welche Strukturierten Produkte auf Mid-Caps sich jetzt lohnen.

Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, payoff.ch

Im Zentrum des Interesses bei vielen Mittelständlern steht der Kurssturz des Euros. Die jüngsten Zweifel am Schuldenmarathon der EU und die konjunkturellen Fragezeichen in den USA verstärken die Flucht in den harten Schweizer Franken. Die Frankenaufwertung (plus 12% im Jahresvergleich) gegenüber dem Euro führt zu neuem Druck beim exportorientierten Mittelstand – im Fachjargon Mid-Caps genannt –, denn über 60% der gesamten Schweizer Ausfuhren gehen in die EU.

Uneinigkeit beim Wechselkurseinfluss
«Die Nervosität bezüglich Währungsverlusten ist in letzter Zeit deutlich gestiegen», bestätigt man beim Small- und Midcap-Fondsmanager zCapital AG in Zug, der regelmässig die Chefetagen der Schweizer KMU besucht. «Auch wenn ein Grossteil der Firmen dank ausländischer Tochtergesellschaften das Währungsrisiko auf natürliche Weise abzusichern versucht, wird das konsolidierte Ergebnis durch Umrechnung der lokalen Ergebnisse in Schweizer Franken deutlich negativ tangiert», gibt Martin Huesler, Teamleiter Aktienresearch bei der ZKB, zu bedenken. Anderer Meinung sind die Experten der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Ihre jüngste Studie zeigt: Wechselkurseffekte haben keinen so starken Einfluss auf die Exporte wie befürchtet. Die Schweiz, allen voran der Mittelstand, exportiert hoch spezialisierte Güter, die weltweit nicht einfach zu bekommen sind und daher nach wie vor gekauft werden – unabhängig vom teurer gewordenen Franken.

Kleine toppen Grosse
Im Gegensatz zum Mittelstand geniessen grosse Unternehmen (sog. «Large Caps») in Sachen Währungsdruck gewisse Vorteile, sei es durch global diversifizierte Ein- und Verkaufprozesse oder eigene Abteilungen für das tägliche Währungsmanagement. Doch die omnipräsenten Schwergewichte vom Kaliber ABB, Nestlé oder Roche konnten bei der Kursentwicklung den Mid-Caps bislang nicht folgen. Während sich die 20 grössten Aktientitel der Schweiz in den letzten zwölf Monaten eher seitwärts bewegten, konnte der SMIM (Swiss Market Index Mid) die grossen Konzerne um bis zu 10% outperformen. Als Daumenregel gilt an der Börse: Mittelstandsaktien laufen im Aufschwung deutlich besser als Konzerne, leiden bei Wirtschaftskrisen aber umso heftiger.

Wanted: Small & Mid Cap Perlen
In der aktuellen Marktsituation gilt es bei der Aktienauswahl genau hinzusehen. «Wir meiden momentan alle Firmen, die schwergewichtig nur in der Schweiz produzieren», erklärt Philipp LeibundGut, Leiter Asset Management bei der Valartis Bank. Der von ihm verwaltete Valartis Swiss Small & Mid Cap Selection Fonds ist kürzlich als «Best Fund over 3 Years» von Lipper ausgezeichnet worden. Die Konkurrenz hat man insbesondere mit zwei Aktien abgehängt: OC Oerlikon und Inficon. Die zweitgenannte Aktie ist ein führender Anbieter in allen Prozessanwendungen im Vakuum-Sektor. «Aktuell bevorzugen wir Firmen, welche in der Landeswährung produzieren und auch verkaufen. Bei der Sektorallokation setzen wir auf Schweizer Medienhäuser», so Philipp LeibundGut. PubliGroupe und Tamedia gehören momentan zu seinen grössten Positionen. Strukturierte Produkte auf diese Medienaktien gibt es (noch) keine.

Chemie-Streber Clariant
Bemerkenswertes Resultat der oben genannten KOF-Studie: In der Chemie- und Pharmabranche sind die Exporte in keinem einzigen der sechs untersuchten Absatzländer von Wechselkursschwankungen abhängig. Das mag nach mehreren Krisenjahren auch Clariant-Chef Hariolf Kottmann geholfen haben, den Baselbieter Spezialchemiekonzern in die Gewinnzone zurückzuführen. Auf der Mitte Juni 2011 durchgeführten Vontobel Summer Conference in Interlaken präsentierte CEO Kottmann klare Wachstumsziele. Gas geben möchte man auch bei der Integration der übernommenen Süd-Chemie. Hier könnte sich speziell das Know-how bei der Zellulose-Bioethanol-Produktion als Kassenschlager erweisen. Insgesamt ist das Unternehmen nun vorbildlich aufgestellt. Mit FCLNC, einem Mini-Future (Long), lässt sich am potenziellen Aufschwung von Clariant perfekt partizipieren. Die Open-end-Struktur weist derzeit einen Hebel von rund 6 auf. Der Spread (1,8%) ist noch akzeptabel für eine Mid-Cap-Aktie.

Krisengewinner Meyer Burger
Katapultartig ist der Aktienkurs des Thuner Maschinenbauers kurz nach dem Atom-Inferno in Japan angestiegen. Erneuerbare Energien, allen voran die Solartechnologie, und der Atom-Ausstieg sind fester Bestandteil der politischen Agenda geworden. Meyer Burger hat sich innert weniger Jahre zu einem der grössten Player in der Solarindustrie gemausert. Die Auftragsbücher sind voll und zur Abrundung der Produktpalette hat Meyer Burger kürzlich die Übernahme des deutschen Mitbewerbers Roth & Rau gestartet. Damit will man die gesamte Wertschöpfungskette der Solarmodulproduktion abdecken. Zuletzt hat der Aktienkurs von Meyer Burger gelitten, die Kursniveaus des Solarhypes im März konnten nicht gehalten werden. Dennoch sind die Zukunftsaussichten gut. «Wir sehen Erholungspotenzial, nachdem sich Meyer Burger mittlerweile über 75% der Stimmen an Roth & Rau gesichert hat», so Martin Huesler von der ZKB. Ein spannendes Produkt ist BSCOA, ein Capped-Outperformance-Zertifikat. Die Partizipationsrate nach oben beträgt 200%, das Cap-Level liegt bei CHF 34.98. Der Strike ist mit CHF 31.80 fixiert. Am Laufzeitende (16.12.2011) erhält der Anleger maximal CHF 38.16 zurück. Gemessen am aktuellen Kurs sind das rund 14% Maximalrendite. Sollte der Aktienkurs von Meyer Burger per Verfall unterhalb des Strikes liegen, erhält der Anleger je Zertifikat eine Aktie in sein Depot gebucht.

Aus die Maus bei Logitech?
Den PC-Zubehörhersteller umkreisen seit seiner Gewinnwarnung Ende März 2011 viele Fragezeichen – aber die Warnung hat nichts mit der Frankenstärke zu tun. Das Problem ist fundamental. Der Blick in die Regale diverser Elektronikmärkte zeigt: Die Konkurrenz aus Fernost wird von Quartal zu Quartal bedrückender. Insbesondere die preisbewussten Kunden lassen die hochpreisigen Hardwareteile von Logitech links liegen. Logitech hat im letzten Jahr mehrere wichtige Märkte unterschätzt, unter anderem den neu entstandenen Tablet-PC-Markt. Ein kleiner Lichtblick sind die neuen HD-Webcams und Home-Entertainment-Geräte. Die Börsenbewertung ist mit CHF 1,6 Mrd. inzwischen auf ein Zehn-Jahres-Tief gerutscht. Eine Übernahme von Logitech aus Asien erscheint vorerst fraglich. «Keiner möchte sich einen Klotz ans Bein binden», hört man. Durch den Kursverfall ist es bei den Barrier Reverse Convertibles auf Logitech reihenweise zum Barrier Hit gekommen. Somit gibt es voraussichtlich eine Aktienlieferung statt «Cash-Back» per Verfall. Aufgrund der vorerst trüben Aussichten erscheinen Shortprodukte auf Logitech aktuell die richtige Wahl. FLOGT, ein neu emittierter Mini-Future (Short) mit Stopp-Loss bei CHF 10.84, ist für bearishe Anleger interessant. Wer dennoch an den Rebound glaubt, sollte VTLOSH (Call-Warrant der Bank Vontobel auf Logitech) auf die Watchlist nehmen.

Diversifikation und gute Chancen
Für die nächsten Monate könnten sich aus Investorensicht gute Einstiegschancen bieten. «Wir erwarten eine Seitwärtsbewegung, nachdem die gegenwärtige Phase der Kurskorrekturen ausgelaufen ist», bestätigt Philipp LeibundGut. Unter dem Strich erscheinen Produkte mit den Mittelstandsperlen Clariant oder Meyer Burger als Basiswert eine chancenreiche Zugabe im Portfolio – also eine ideale Beimischung zwischen Large Caps und Rohstoffen. Mit den richtigen Produkten ist der Eurosturm im Schweiz-Portfolio gleich weitaus weniger bedrohlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert