Bund strebt wegen US-Zöllen weiterhin Verhandlungslösung an

Bund strebt wegen US-Zöllen weiterhin Verhandlungslösung an
Die offizielle Schweiz will mit der US-Administration weiter verhandel n - fraglich nur, ob der US-Präsident bei seiner Sicht der Dinge dies auch tun will.

Bern / Washington – Etwas mehr als ein Tag nach der Zollankündigung von US-Präsident Donald Trump steht die offizielle Schweiz laut Angaben des Bundes weiterhin in Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in den USA. Sie strebt weiterhin eine Verhandlungslösung mit den USA an, heisst es auf Anfrage. Trump sprach am Vorabend indes von einem «riesigen» Handelsbilanzdefizit mit der Schweiz. Der Bund dementiert. Ökonomen warnen derweil vor den Folgen für den Arbeitsmarkt.

Die US-Regierung will künftig Einfuhrzölle von 39 Prozent auf Importe von Schweizer Waren erheben. So stand es in einer Liste, die das Weisse Haus in der Nacht auf Freitag veröffentlicht hatte. In Kraft treten soll die Massnahme am 7. August.

Damit liegt der auf der Liste aufgeführte Zollsatz für die Schweiz sogar noch höher als im April von Trump angekündigt: Damals war noch von einem Importzoll in der Höhe von 31 Prozent die Rede.

Kontakt in die USA besteht weiterhin
Der vom US-Präsidenten genannte Zusatzzoll weiche «deutlich» vom Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung ab, liess der Bund verlauten. Der Entwurf war das Resultat intensiver Gespräche zwischen der Schweiz und den USA in den vergangenen Monaten gewesen. Er wurde vom Bundesrat am 4. Juli 2025 genehmigt.

Der Bundesrat nahm in der Folge mit grossem Bedauern zur Kenntnis, dass die USA «trotz der Fortschritte in den bilateralen Gesprächen und der von Beginn weg sehr konstruktiven Haltung der Schweiz» unilaterale Zusatzzölle in erheblicher Höhe gegenüber Importen aus der Schweiz anwenden wollen.

Die offizielle Schweiz ist laut Angaben des Bundes derweil weiterhin in Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in den USA. Genauere Angaben könnten aus verhandlungstechnischen Gründen indes nicht gemacht werden, teilte ein Sprecher des eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Samstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.

Die Schweiz strebe weiterhin eine «Verhandlungslösung mit den USA an, die sowohl mit der Schweizer Rechtsordnung als auch den bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar ist». Der Bundesrat werde die neue Sachlage analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden, hiess es weiter.

Trump spricht von «riesigem Defizit»
US-Präsident Donald Trump bezeichnete das Handelsdefizit mit der Schweiz am Freitagabend als «riesig». Das Defizit beträgt nach seinen Aussagen 40 Milliarden Dollar, wie die italienischen Nachrichtenagenturen Ansa und Adnkronos schrieben.

Das Problem mit der Schweiz bestehe darin, «dass wir ein Defizit von 40 Milliarden Dollar haben», zitierten die Nachrichtenagenturen den US-Präsidenten. Trump habe dies vor seiner Reise nach New Jersey vor den Medien gesagt, als er nach dem Grund für die hohen Zölle von 39 Prozent für die Schweiz gefragt worden sei. «Ich habe gestern mit der Schweiz gesprochen, aber wir haben ein Defizit von 40 Milliarden Dollar», sagte der Republikaner weiter.

Der Bund dementiert: Trump fokussiert gemäss Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter beim Zoll-Entscheid nur auf das Handelsbilanzdefizit von angeblich fast 40 Milliarden Franken. Für die Landesregierung ist die bilaterale Handelsbilanz aber ausgeglichen.

Die USA haben einen Überschuss bei Dienstleistungsexporten, die Schweiz bei Warenexporten, hiess es am Samstag vonseiten des WBF. Der Warenexportüberschuss der Schweiz sei «in keiner Weise in ‹unfairen› Handelspraktiken begründet». Im Gegenteil: Die Schweiz habe alle Industriezölle per 1. Januar 2024 unilateral abgeschafft.

Über 99 Prozent aller Waren aus den USA können somit zollfrei in die Schweiz importiert werden. Die Schweiz praktiziere «keine marktverzerrenden Industriesubventionen». Man setze sich weiterhin für diversifizierte Handelsbeziehungen mit allen internationalen Partnern sowie für offene Märkte und stabile Rahmenbedingungen ein.

Konjunkturforscher erwartet Stellenabbau
Der Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach warnt indes vor den Folgen der Zölle für den Schweizer Arbeitsmarkt. Sollten die angekündigten 39 Prozent eingeführt werden, rechnet er schon in den nächsten Monaten mit einem «massiven Anstieg» der Kurzarbeit und einem Personalabbau.

Weil die Zölle die Wettbewerbsposition der Schweizer Produzenten so stark verschlechtern würden, werde es in den Schlüsselindustrien sicher Arbeitsplatzeffekte geben, sagte Gersbach in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.

Sollte es zu Produktionsverlagerungen kommen, hätte das dem Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) zufolge zusätzliche Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt.

Entscheidend sei nun insbesondere der Umgang mit der Pharmaindustrie, zumal sie mehr als die Hälfte der Warenexporte in die USA ausmacht. Sollte auch sie belastet werden, hätte das Gersbachs Berechnungen zufolge einen «scharfen Rückgang» des Bruttoinlandprodukts von mindestens 0,7 Prozent zur Folge.

Zunächst müsse aber weiterhin mit Hochdruck versucht werden, eine Einigung mit Trump zu erreichen, wurde Gersbach weiter zitiert. «Oberste Priorität hat jetzt, trotzdem einen Deal zu suchen, um diese extremen Zölle doch noch abzuwenden.»

Laut Gersbach markiert das Zollprogramm der US-Administration denn auch eine noch schärfere Zäsur für die Schweiz als der «Liberation Day» im April, als Trump die neuen Zoll-Massnahmen zum «Schutz der USA» bekannt gab. Gegen die Schweiz werde eine maximale Drohkulisse etabliert, so der Experte.

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