Trotz Zollhammer verfallen Industriefirmen nicht in Panik

Trotz Zollhammer verfallen Industriefirmen nicht in Panik
(Unsplash)

Zürich – Während Politik und Wirtschaftsverbände hyperventilieren, bleiben Schweizer Industriekonzerne relativ gelassen: Das ist das Resultat einer neuen Umfrage zur Stimmung in der Schweizer Wirtschaft. Ist die Aufregung um Donald Trumps Zölle also übertrieben?

Der Einkaufsmanagerindex (PMI) gilt als einer der gewichtigsten Stimmungsindikatoren. Und dieser zeigte im August für den Schweizer Industriesektor überraschenderweise leicht aufwärts. Trotz dem Zollschock, also trotz der von US-Präsident Donald Trump verfügten Importzölle in Höhe von 39 Prozent.

Konkret stieg der PMI auf 49,0 von 48,8 Punkten im Juli, wie die Grossbank UBS und der Einkauf-Fachverband procure.ch am Montag mitteilten. Ökonomen hatten im Vorfeld mit einem Rückgang gerechnet.

Grosse Firmen
Für den überraschenden Anstieg gibt es eine Reihe von Erklärungen. So werden im PMI hauptsächlich grosse Firmen befragt. Und für grosse Firmen sind die US-Zölle oft weniger ein Problem als für kleine. Sie haben oft Produktionsstätten in den USA selber oder aber in Ländern, für welche tiefere US-Importzölle gelten.

Bei den KMU, die weniger gut ausweichen können, hat sich die Stimmung denn auch tatsächlich eintrübt. Dies zeigt der Einkaufsmanagerindex für KMU, der von Raiffeisen erhoben wird. Hauptgrund für die Verschlechterung der Geschäftslage sei die schwache Auftragsentwicklung, hiess es. Firmen mit einem hohen Exportanteil in den USA hätten dies besonders gespürt.

Auch eine Umfrage des Verbands Swissmechanic, der die Interessen der MEM-KMU vertritt, deutet in diese Richtung. 35 Prozent der exportierenden Firmen sehen den Standort Schweiz geschwächt, lautet das Fazit.

Nur der zweite Schock
Ein zweiter möglicher Grund, warum der Industrie-PMI nicht zurückging, ist ein gewisser Gewöhnungseffekt. «Die Unternehmen haben sich darauf eingestellt, dass Exporte in die USA schwieriger werden», meint UBS-Ökonom Matteo Mosimann. «Die Einführung der Zölle im August war nicht mehr die gleich grosse Überraschung wie jene im April.»

Tatsächlich scheint der Protektionismus alltäglich geworden zu sein, wie aus der PMI-Umfrage hervorgeht. So gaben im August 41 Prozent der Unternehmen an, in den vergangenen zwölf Monaten von einem Anstieg protektionistischer Massnahmen betroffen gewesen zu sein. Das waren knapp 10 Prozent mehr als im Vormonat. Die Mehrheit der befragten Firmen hätten aber keine Veränderung bei den Massnahmen gemeldet.

Schon im Keller
Ein dritter Grund ist die ohnehin schon getrübte Stimmung. Das Barometer bewegt sich mittlerweile seit Januar 2023 unter der 50-Punkte-Marke. Bei Werten unter 50 Punkten gehen die befragten Unternehmen insgesamt von einer schrumpfenden wirtschaftlichen Aktivität aus.

Die Industrieunternehmen spüren seit Monaten die schwache internationale Nachfrage. Abgesehen von den erhöhten Zöllen hätten sich die Signale aus dem Ausland aber zuletzt eher aufgehellt, meint UBS-Experte Mosimann. Tatsächlich zeigten etwa die Stimmungsindikatoren für die Eurozone zuletzt aufwärts. Mit anderen Worten: Verkäufe in die USA werden zwar schwieriger, dafür könnten jene in die Eurozone bald anziehen.

Und wenn die 39 Prozent bleiben?
Trotzdem: Auch wenn bei den Industrieunternehmen derzeit keine Panik zu sehen ist, gibt es dennoch zahlreiche Indizien für eine schlechter laufende Wirtschaft. So ist das von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich erhobene Konjunkturbarometer ist im August wieder unter den mittelfristigen Durchschnittswert gefallen, wie letzte Woche bekannt wurde. Eine Expertenumfrage signalisierte ebenfalls letzte Woche sogar einen eigentlichen Stimmungseinbruch. Diverse Auguren haben denn auch schon ihre Vorhersagen für die weitere Wirtschaftsentwicklung gesenkt.

Und selbst diese gesenkten Prognosen basieren bis zu einem gewissen Grad auf dem Prinzip Hoffnung – konkret auf der Annahme, dass die 39 Prozent nicht Bestand haben. Sollten die Zölle längerfristig auf dem aktuellen Niveau von 39 Prozent verweilen, dann werde das BIP-Wachstum der Schweizer spürbar tiefer ausfallen als bisher prognostiziert, heisst es denn auch unisono. (awp/mc/pg)

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