Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments, im Interview

Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments, im Interview
Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Wicki, Sie haben Ihre Anteile an Cathay Industrial Biotech von US-Dollar auf Renminbi umgestellt. Glauben Sie nicht mehr an den US-Dollar?

Andreas Wicki: Das ist das Ergebnis aus dem Umtausch der früheren Beteiligung an der Holdinggesellschaft Cathay Industrial Biotech Ltd., mit Sitz auf den Cayman Islands, in eine direkte Beteiligung an der Shanghai Cathay Biotechnology R&D Center Co. Ltd. Dieser Umtausch wurde im Hinblick auf eine mögliche Publikumsöffnung von Shanghai Cathay Biotechnology R&D Center vorgenommen, die an der kürzlich eröffneten Wachstumsbörse in Shanghai, SSE STAR Market, stattfinden könnte. Überdies erhöht die neue Investitionswährung von Cathay währungsseitig die Diversifikation des Portfolios von HBM Healthcare Investments: Der Anteil in Renminbi beträgt neu 12 Prozent; der US-Dollar-Anteil sinkt von 76 auf 64 Prozent.

Weiterhin spielt die Musik, vor allem im Biotech-Business, in den USA. Fanden Sie die letzten IPO in diesem Segment dort nicht überteuert?

Die USA sind und bleiben der wichtigste Absatz- als auch Kapitalmarkt für Biotech-Gesellschaften. Diese Tatsache widerspiegelt sich auch an den rekordhohen Mitteln, die von Biotech-Unternehmen in den vergangenen Jahren über Börsengänge und Folgefinanzierungen aufgenommen werden konnten. Tendenziell gehen die Unternehmen früher an die Börse. Hier gilt es nach wie vor eine strenge Selektion vorzunehmen. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Erfolgreiche Börsengänge haben ihren Preis – aber die Qualität muss stimmen. Oft wollen Investoren erste Wirksamkeitsdaten des Medikamentes in klinischen Studien sehen.

«Der Anteil in Renminbi beträgt neu 12 Prozent; der US-Dollar-Anteil sinkt von 76 auf 64 Prozent.»
Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments

26 Prozent des HBM-Portfolios spielt jetzt in Asien. Sie haben gerade 15 Millionen in Jianke investiert. Das ist eine chinesische Online-Apotheke. Hat man in Asien weniger Berührungsängste in der Digitalisierung des Gesundheitswesens?

Wir sind in mehreren Unternehmen in aufstrebenden Märkten wie in Indien und in China engagiert, die in der Online-Vermarktung von Medikamenten aktiv sind. Der Zugang zu Arzneimittel und deren Logistik ist in diesen Ländern ein Problem. Zudem sind die Märkte und die Absatzkanäle (noch) weit weniger strukturiert und reguliert. Das Marktpotential ist gross, gleichzeitig gibt es gut ausgebildete IT-Spezialisten.

Im Pharma- und Biotechsektor hat sich die Anzahl der durchgeführten klinischen Versuchsreihen in den letzten knapp 20 Jahren verfünfzehnfacht. Wie steht es da mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Die Forschung und Entwicklung ist nach wie vor sehr kapital- und zeitintensiv. Andererseits wurden in den vergangenen Jahren rekordhohe Zahlen an neu auf dem Markt zugelassenen Medikamenten in den USA und in Europa erreicht. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Top 500 Pharma- und Biotechunternehmen – derzeit bei rund USD 150 Milliarden pro Jahr – wachsen laut den Analytikern von Evaluate Pharma in den kommenden Jahren zwar weiter. Jedoch «nur» noch mit rund zwei bis drei Prozent pro Jahr. Die Aufwände stiegen in der ersten Dekade noch im Mittel um die zehn Prozent. Das liegt auch daran, dass die grossen Unternehmen die frühe Forschung und Entwicklung vermehrt den kleinen und mittelgrossen Biopharma-Gesellschaften überlassen.

Weil die kleineren Firmen sind durch ihre Fokussierung auf einzelne Therapiegebiete zielgerichteter unterwegs sind?

Ja, und durch Partnerschaften und Übernahmen gelangen dann die Produktekandidaten der «Kleinen» später in die Medikamentenpipeline der «Grossen». Bereits heute stammen 70 Prozent aller sich in der klinischen Entwicklung befindenden Arzneimittel von Biotech-Unternehmen. In den vergangenen Jahren gab es grosse Fortschritte in der medizinischen Forschung und Entwicklung. Die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts um die Jahrestausendwende war die Initialzündung. Krankheitsursachen werden heute besser verstanden und entsprechend können spezifischere und wirksamere Medikamente entwickelt werden.

«Wir gehen davon aus, dass in den kommenden 18 bis 24 Monaten weitere private Portfoliounternehmen den Gang an die Börse schaffen.»

Stehen wir also vor einer Flut neuer vielversprechender Medikamente bei gleichzeitig explodierenden Preisen?

Aufgrund der intensiven Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist davon auszugehen, dass wir eine stattliche Anzahl von neu zugelassenen Medikamenten in verschiedensten Bereichen sehen werden. Sie sprechen wahrscheinlich die neuen Gentherapien an, die hohe Behandlungskosten verursachen. Die Entwicklung und Herstellung dieser Therapien sowie deren sichere Anwendung beim Patienten ist sehr aufwendig und kostspielig. Erschwerend ist die Anzahl betroffener Patienten sehr gering, was keinen grossen Markt verspricht. Eine einzige Behandlung verspricht jedoch andererseits einen hohen Therapieerfolg. Generell müssen Medikamente heutzutage einen klaren Wettbewerbsvorteil aufweisen, sei es Behandlung für eine derzeit nicht oder unbefriedigend therapierbare Krankheit oder aber ein besseres Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil gegenüber einer bestehenden Therapie. Sonst wird die Rückerstattung durch die Krankenkassen schwierig, und ist der Markterfolg ungewiss.

In den letzten sechs Jahren konnte HBM mit seinem Beteiligungen eine Milliarde an Gewinn einfahren, und das bei jetzt rund 1,4 Milliarden aktuellem Nettovermögen in Schweizer Franken. Wenn Sie den Teufel an die Wand malen müssten, wo könnte der stehen?

Eine Prognose zu machen wäre vermessen. Mit rund 47% des Nettovermögens in börsenkotierten Unternehmen – nach Abzug der Marktabsicherung – sind wir weniger als zuvor den Schwankungen der Aktienmärkte ausgesetzt. Bei aufkommender Unsicherheit an den Märkten würde es bei kleiner kapitalisierten Biotech-Titeln, wo wir unseren Fokus legen, zu mehr Volatilität kommen. Auch dürfte die Anzahl der Börsengänge und der Folgefinanzierungen in einem schwierigeren Marktumfeld zurückgehen. Private Unternehmen wären länger von Privatmarkt-Investoren abhängig. Die Privatmarkt-Investoren müssten mit weiteren Finanzierungsrunden aushelfen. Allgemein sorgt die erhöhte Allokation in private Unternehmen und Fonds von 46 Prozent für eine gesteigerte Diversifikation im Portfolio. Zudem beträgt der Diskont, der Abschlag des inneren Werts zum Aktienpreis, noch etwas mehr als 8 Prozent. Die vorsichtige Bewertungspolitik auf der privaten Seite bietet entsprechend zusätzliche Stabilität.

Rund 32 Prozent Ihres Portfolios sind jetzt private Unternehmen (ohne private Fonds). Welche davon könnten 2020 oder 2021 öffentlich werden?

Wir gehen davon aus, dass in den kommenden 18 bis 24 Monaten weitere private Portfoliounternehmen den Gang an die Börse schaffen. Die fundamentale Entwicklung vieler privater Portfoliounternehmen stimmt uns zuversichtlich. Die Unternehmen verfügen über fortgeschrittene Medikamentenkandidaten in der späten klinischen oder Registrations-Phase zur Marktzulassung. Spannende Therapiefelder für Börsengänge sind zielgerichtete Krebstherapien, Immunologie und Entzündungskrankheiten sowie Unternehmen im Gebiet der Neurologie.

Ihre börsennotierten Beteiligungen waren auf Ende Juni zu rund neun Prozent gegen Kursverluste abgesichert. Werden Sie die Absicherung hochfahren?

Mit der Absicherung bezwecken wir stets situativ und nach Bedarf das Aktienmarkt-Exposure des Portfolios zu reduzieren. In gewissen Marktzyklen erhöhen wir auch die Cashposition im Portfolio. Hinsichtlich der generellen Marktentwicklung hat sich in den letzten Monaten nichts grundlegend verändert; wir verfolgen die globalen wirtschaftlichen und geldpolitischen Entwicklungen im Hinblick auf mögliche zunehmende Schwankungen weiterhin eng. Die teilweise Marktabsicherung bleibt auf tieferem Niveau als noch im März 2019 bestehen. Sollte der Markt sich weiter gut entwickeln, werden wir allenfalls die Absicherung wieder erhöhen oder Gewinne auf den bestehenden Positionen mitnehmen.

Y­mAbs, an der Sie mit rund 64 Millionen beteiligt sind, dirigiert radioaktive Antikörper spezifisch gegen Tumorzellen. Y­mAbs ist mit Abstand Ihre grösste kotierte Beteiligung. Wie optimistisch sind Sie für dieses Unternehmen?

Zuversichtlich, dass die von Y­mAbs Therapeutics entwickelten Immuntherapien, aufgrund erfolgreicher klinischer Studien, von der amerikanischen Gesundheitsbehörde zugelassen werden sollten. Das Unternehmen plant, Zulassungsanträge für zwei Wirkstoffe Ende 2019 bei der FDA einzureichen. Die Therapien versprechen Potenzial zur Behandlung von seltenen und schwer therapierbaren Krebserkrankungen bei Kindern. Dabei handelt es sich um Omburtamab zur Behandlung des im Gehirn metastasierenden Neuroblastoms, und Naxitamab zur Therapierung von schweren Formen des Neuroblastoms und Osteosarkoms (Knochenkrebs).

Das Neuroblastom ist eine besonders bösartige Erkrankung des sympathischen Nervensystems, die vor allem im frühen Kindesalter auftritt. Existierende Behandlungsmethoden sind unzureichend und die Überlebensraten sehr niedrig. Das Umsatzpotenzial alleine für die ersten beiden Indikationsgebiete schätzt man auf einige Hundert Millionen US-Dollar. Zusätzlich verfügt das Unternehmen über zahlreiche Antikörper in der präklinischen Entwicklung, die unter anderem auch zur Tumorbehandlung bei Erwachsenen zum Einsatz kommen könnten. Der aktuelle Unternehmenswert liegt bei knapp 800 Millionen US-Dollar. Da dürfte es Raum für eine Höherbewertung über die Zeit haben.

Welche Entwicklung beeindruckt sie im Medizintechnikmarkt am meisten?

Medtech macht bei uns nur einen kleinen Teil des Portfolios aus. Per Ende Juni waren 5 Prozent in Medizintechnik und Diagnostik investiert. Die Anwendungen zielen im Vergleich zu Biotech auch grundsätzlich auf kleinere Märkte. Die Finanzierung von kleineren, privat gehaltenen Medtech-Unternehmen in kapitalintensiven Entwicklungsbereichen gestaltet sich ungleich schwieriger als im Biotech-Segment. Und grössere börsenkotierte Medtech-Gesellschaften sind bezüglich Innovation schon recht gut aufgestellt. Grundsätzlich sind wir aber auch im Medtech-Bereich zuversichtlich für Unternehmen, die sich auf innovative und kosteneffiziente Produkte und Dienstleistungen fokussieren. Dazu gehören allgemein chronische Krankheiten wie Herzschwäche oder Diabetes. Weitere Wachstumssegmente finden sich in der minimal-invasiven und roboterunterstützten Chirurgie sowie in neuen bildgebenden Verfahren, die Operationen wesentlich vereinfachen. Auch Unternehmen aus dem Instrumenten-Sektor sind interessant, weil erhöhte Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei Pharma und Biotech auch mehr Nachfrage nach ihren Dienstleistungen auslöst.

«Unternehmen aus dem Instrumenten-Sektor sind interessant, weil erhöhte Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei Pharma und Biotech auch mehr Nachfrage nach ihren Dienstleistungen auslöst.»

Fonds machen mittlerweile weniger als 10 Prozent im Portfolio aus. Braucht es die noch, wenn der Rest (private und börsenkotierte Unternehmen) ja so erfolgreich ist?

Investitionen in Fonds haben eine strategische Komponente. Diese tätigen wir vor allem in Geographien, Sub-Sektoren und Themen, in denen wir selber nicht in ausreichendem Masse über die spezifische Expertise und den Marktzugang verfügen oder nicht vor Ort präsent sind sowie in Nischenstrategien, welche wir aufgrund unserer Grösse nicht effizient abdecken können. Dazu gehören Investitionen in die aufstrebenden Regionen China, Indien und Lateinamerika, Innovationen im Gebiet der Genomik/Molekulardiagnostik sowie in Frühphasen-Unternehmen aus der Medizintechnik. Der Fondsmanager übernimmt die gesamte Betreuung des Investments, vom Sourcing, Investitionsentscheid, Betreuung bis hin zur Unterstützung des Verkaufsprozesses. Wir erhalten exklusives Recht später direkt mit einer Co-Investition in das Unternehmen zu investieren. Davon haben wir in der Vergangenheit schon öfters Gebrauch gemacht. Beispiele sind Ellipse Technologies, Micrus Endovascular und SAI Life Sciences.

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