23 Prozent sind nur die halbe Wahrheit

23 Prozent sind nur die halbe Wahrheit

Zürich – Berechnet man den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen gibt es zwei Wahrheiten – doch nur eine bringt die wichtige Diskussion zu diesem Thema voran. Der in der Öffentlichkeit genannte Wert von rund 23 Prozent stimmt. Das Problem: Er lässt den wichtigen Faktor Joblevel unberücksichtigt und verschleiert den Blick auf die eigentlichen Herausforderungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Hay Group in einer Analyse von Gehältern aus 222 Schweizer Unternehmen mit insgesamt mehr als 60.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, grösstenteils aus grossen internationalen Unternehmen. Besonders stark vertreten sind die Branchen Chemie, Konsumgüter und Industrie.

Männer verdienen generell mehr als Frauen, weil sie in der Regel höhere Positionen erreichen und in lukrativeren Joblevels (gleichwertige und vergleichbar anspruchsvolle Jobs) arbeiten. „Berechnet man den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen und ignoriert diese Tatsachen, erhält man nur einen Teil der Wahrheit”, sagt Mexhit Ademi, Vergütungsexperte bei der Hay Group. „Unsere aktuelle Untersuchung belegt, dass bei einem Vergleich von gleichwertigen Tätigkeiten von Frauen und Männern der Unterschied nicht so hoch ist.”

Die Analyse der Hay Group zeigt: Vergleicht man Vollzeit-Gehälter von Frauen und Männern unabhängig von der Tätigkeit ergibt sich eine Lohnlücke von rund 23 Prozent. Wertet man die Gehälter jedoch unter Berücksichtigung von Joblevels aus, ist der Gehaltsunterschied deutlich niedriger: Nach dieser Berechnung verdienen Frauen im Durchschnitt 2,1 Prozent weniger als Männer.

„Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass nur Gleiches mit Gleichem verglichen wird. Dennoch wird diese Unterscheidung immer wieder ausser Acht gelassen oder ungenügend berücksichtigt. Dies führt zu fehlerhaften Schlüssen und folglich auch zu falschen Erklärungsversuchen“, sagt Mexhit Ademi.

Lohnunterschiede zeigen sich besonders bei einfachen Tätigkeiten
Ein Blick auf die Lohnunterschiede innerhalb der Joblevel zeigt, dass Frauen auf den tieferen Leveln mit einem Lohnunterschied von 9,6 Prozent besonders unterbezahlt sind. Dabei handelt es sich um Jobs, in denen häufig keine formale oder nur eine einfache Ausbildung (Anlehre oder vergleichbar anspruchsvolle Ausbildung) benötigt werden.

„Bei der Vergütung solcher Jobs spielt typischerweise die physische Belastung eine wichtige Rolle. Ein einfacher Produktionsmitarbeiter in der Chemiebranche, häufig ein Mann, verdient mehr als ein Mitarbeiter im Detailhandel, überdurchschnittlich oft eine Frau, weil der Produktionsmitarbeiter auch dafür entschädigt wird, dass er seine Gesundheit riskiert und sich Gefahren aussetzt“, so Vergütungsexperte Ademi. „Wenn wir zusätzlich auch die Lohnunterschiede per Branche berücksichtigen, dann sehen wir, dass Frauen sehr stark in Tieflohnbranchen vertreten sind, was die Unterschiede zusätzlich zu erklären vermag.“

Auf den mittleren Leveln, die von Fachkräften mit anspruchsvoller technischer oder kaufmännischer Ausbildung oder abgeschlossenem Studium und Erfahrung besetzt sind, beträgt der geschlechterspezifische Unterschied noch 2,2 Prozent. Auf den höheren Leveln, wie beispielsweise unteres und mittleres Kader oder hochspezialisierte Fachkräfte mit langjähriger Berufserfahrung, sinkt die Lohnlücke auf nur noch 0,6 Prozent.

Genderschere liefert Erklärung für Gehaltslücke
Die Analyse auf Basis der Joblevel zeigt, dass Frauen nicht hauptsächlich aufgrund ihres Geschlechtes schlechter bezahlt werden. Die Lohnunterschiede sind vielmehr auf ein strukturelles Problem zurückzuführen: Frauen steigen weniger auf und machen weniger oft Karriere. Die sogenannte Genderschere illustriert dieses Phänomen: Der Frauenanteil nimmt mit steigender Komplexität  der Jobs und somit auch steigendem Lohn ab. „Diejenigen Frauen, die aber aufsteigen und anspruchsvollere Jobs annehmen, verdienen ähnlich viel wie ihre männlichen Kollegen. Da Joblevel in der Regel mit Ausbildung und Erfahrung einhergehen, gilt: mit steigendem Bildungsniveau nimmt der geschlechterspezifische Unterschied ab“, sagt Mexhit Ademi. (Hay Group/mc/pg)

Über Hay Group
Hay Group ist eine global tätige Unternehmensberatung. Wir helfen unseren Kunden, ihre Strategie zu implementieren und sie zur gelebten Praxis zu machen. Wir identifizieren und entwickeln Talente, bringen die richtigen Mitarbeiter an die richtige Stelle und erhöhen damit die Effektivität und Motivation. Wir helfen Organisationen, Veränderungsprozesse zu gestalten und ihr Potenzial zu erkennen.

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