Avenir Suisse: «Governance mit variabler Geometrie»

Avenir Suisse: «Governance mit variabler Geometrie»

Wirtschaftlich zweitstärkste Metropolitanregion der Schweiz: Genferseeraum. Bild: Stadt Genf.

Zürich – Die Globalisierung der Märkte stellt die Regionen auf die Probe: Können sie ihre Wirtschaftsstruktur den neuen Gegebenheiten anpassen und ihre Wettbewerbsvorteile nutzen? Können auch die politischen Einrichtungen mit diesen Entwicklungen Schritt halten, insbesondere bei der Definition einer effizienten Governance? Die neue Studie von Avenir Suisse diskutiert diese Fragen am Beispiel des Genferseeraums und schlägt 14 Leitsätze für eine effektive metropolitane Governance vor.

Die «Métropole Lémanique» ist eine gelebte Realität für ihrer Bewohner, die hier ansässigen Unter-nehmen sowie private und öffentliche Einrichtungen. Die Grenzproblematik, unübersichtliche institutionelle Verflechtungen und eine vielschichtige Rechtslage, die Vielzahl an regionalen Akteuren und die Globalisierung von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft machen es der Region nicht leicht, einen Governance-Modus zu finden. Nach welchen Grundsätzen sollen Metropolitanräume in der Schweiz geführt werden? Eine Analyse der Lage der Metropole aus historischer, politischer, wirtschaftlicher sowie raumplanerischer Sicht soll helfen, Bilanz zu ziehen und Leitlinien für eine effektive Governance auszuarbeiten. Die Metropolitanregionen der Schweiz brauchen jedoch keinen Masterplan, wohl aber liberale Lösungen, die die Dynamik jeder einzelnen Region berücksichtigen.

Wirtschaftlich zweitstärkste Metropolitanregion der Schweiz
Als wirtschaftlich zweitstärkste Metropolitanregion der Schweiz nach Zürich sieht sich die «Métropole Lémanique» mit neuen Fragestellungen konfrontiert. Das rapide wirtschaftliche und demografische Wachstum der letzten Jahre führte zu einer Krise, besonders bei der Infrastruktur, im Wohnungsmarkt und im Verkehr. Bund, Kantone und Gemeinden können diese Fragen jedoch nicht im Alleingang angehen, da diese sowohl das benachbarte Frankreich als auch Gebiete weiter ausserhalb betreffen. Metropolitanräume verlaufen grundsätzlich nicht entlang politischer Grenzen. Nur wenn dem Mangel an effektiver Governance Abhilfe verschafft wird, können die entstehenden Metropolitanräume die künftigen Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs erfolgreich annehmen.

Anerkannte Experten
Avenir Suisse beauftragte anerkannte Experten, die Frage nach einer effizienten Governance der Metropolitanräume aus verschiedenen Blickwinkeln zu diskutieren. So gibt der Journalist Serge Bimpage im Gespräch mit namhaften Persönlichkeiten aus der Genferseeregion eine Übersicht über die politische Ausgangslage. Claude Jeanrenaud, Experte für Regionalwirtschaft, untersucht die wirtschaftlichen Aspekte vor dem Hintergrund verschiedener Modelle der Governance. Laurent Matile, Experte für Rechtsfragen, erstellt ein vollständiges und präzises Inventar des derzeitigen rechtlichen Rahmens für metropolitanes Handeln. Der Historiker Olivier Meuwly behandelt das Thema aus geschichtlicher Perspektive und geht bis zu den Anfängen der modernen Schweiz zurück. Daniel Müller-Jentsch, Experte für Raumplanung und Ökonom bei Avenir Suisse, zeigt, welche Trends die territoriale Entwicklung der Schweiz in den letzten Jahren prägten. Der Ökonom Wolf Zinkl verdeutlicht schliesslich am Beispiel Basels, dass sich die politische Karte und der gelebte Raum nicht vollständig decken.

14 Leitsätze 
Das Ergebnis ist eine vielseitige Studie, in der Xavier Comtesse abschliessend 14 Leitsätze für eine effektive metropolitane Governance vorbringt:

  1. Einem polyzentrischen Ansatz folgen, der die historische Bedeutung der einzelnen Zentren würdigt.
  2. Aktionsterritorien festlegen, auf denen gemeinsame Projekte umgesetzt werden, ohne neue institutionelle Strukturen zu schaffen.
  3. Räume mit variabler Geometrie vorsehen, die sich – je nach Thematik – flexibel und prag-matisch bilden können.
  4. Projekte zu einem gemeinsamen Thema in Aktionsplänen zusammenfassen.
  5. Nach dem Ermessens- statt nach dem Gleichheitsgrundsatz handeln, also die Ressourcen nicht gleichmässig, sondern angemessen einsetzen.
  6. Aufgaben verteilen: Nicht alle sollen alles machen, aber jeder kann einen Beitrag zum Ge-meinwohl leisten.
  7. Die Zusammenarbeit im Wettbewerb anstreben, weil nur Konkurrenz zu Innovation und Effizienz führt.
  8. Einen Platz im internationalen Wettbewerb finden durch das Stärken der Stärken.
  9. Dienstleistungsverträge ausschreiben, die den Output messen, nicht den Input. Was zählt, sind Ergebnisse.
  10. Virtuelle Verwaltungen nutzen. Die Metropolitanregion braucht keine neue Administration. Das Poolen der Ressourcen auf den unteren Ebenen reicht aus.
  11. Einen politischen Führungsstab schaffen. Er soll sich aus demokratisch gewählten Politikern der unteren Ebenen zusammensetzen, damit er das Vertrauen des Volkes gewinnt.
  12. Ein finanzielles Gleichgewicht anstreben, statt in der Metropolitanregion neue Steuern zu erheben.
  13. Die metropolitane Accountability sicherstellen: Rechenschaft ablegen stärkt die Demokratie.
  14. Einen Gesellschaftsvertrag im Sinne der SocialAccountability schliessen, um durch den Einbezug der Bürger Transparenz und direkte Demokratie zu gewährleisten.

Letztendlich – und daran besteht kein Zweifel – hängt die Zukunft der Schweizer Metropolitanregionen davon ab, ob die einzelnen Akteure klar und entschlossen im Sinne einer guten Governance entscheiden und handeln. Die Studie «Governance mit variabler Geometrie» soll dazu beitragen. (Avenir Suisse/mc/ps)

Publikation
«Gouvernance à géométrie variable: perspective lémanique» herausgegeben von Xavier Comtesse, Avenir Suisse, 242 Seiten, ISBN 978-2-940450-13-8, Éditions du Tricorne, 33 CHF.

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