Bei Alpenpflanzen geht Artenvielfalt nicht mit genetischer Vielfalt einher

Bei Alpenpflanzen geht Artenvielfalt nicht mit genetischer Vielfalt einher

Die kriechende Berg-Nelkenwurz (Geum reptans) bevorzugt saure Standorte. Sie ist eine der 27 Arten von Alpenpflanzen, die untersucht wurden, um die genetische Vielfalt im Alpenraum zu erforschen. (Foto: Felix Gugerli/WSL)

Bern – Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung der Universität Grenoble und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL weist zum ersten Mal nach, dass eine hohe Vielfalt alpiner Pflanzenarten nicht zwingend mit einer hohen genetischen Vielfalt einhergeht. Demnach sollten in Zukunft die Strategien zum Schutz der Biodiversität im Alpenraum angepasst werden.

Biodiversität lässt sich auf drei Ebenen beschreiben: die Vielfalt der Lebensräume, diejenige der Arten und jene der Gene. Bislang besagt die Theorie, dass die drei Ebenen übereinstimmen, u.a. weil sie alle denselben Prozessen ausgesetzt sind. Demnach sind Gebiete mit einer hohen Vielfalt an Lebensräumen auch reich an Arten und diese verfügen über eine hohe genetische Vielfalt. Die genetische Vielfalt ist ebenso wichtig wie die Artenvielfalt, weil sie die Anpassungsfähigkeit einer Art in einer sich ändernden Umwelt bestimmt. Wenn der Klimawandel die Umweltbedingungen im Alpenraum verändert, ist die Anpassungsfähigkeit der Alpenpflanzen für die langfristige Erhaltung der Artenvielfalt von zentraler Bedeutung.

Gebiete mit hoher Artenvielfalt stimmen nicht mit Gebieten mit hoher genetischer Vielfalt überein
Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung der Universität Grenoble und der WSL fand nun heraus, dass eine hohe Artenvielfalt nicht mit einer hohen genetischen Vielfalt einhergehen muss. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten im ganzen Alpenraum die Verbreitungsmuster von 893 alpinen Pflanzenarten. Von 27 dieser Arten bestimmten sie die genetischen Fingerabdrücke und fanden, dass Gebiete mit hoher Artenvielfalt nicht mit Gebieten mit einer hohen genetischen Vielfalt übereinstimmen. Die Forschenden konnten auch die Ursachen festmachen: Die Artenvielfalt der Alpenpflanzen wird von lokalen Umweltbedingungen beeinflusst, während die genetische Vielfalt von Prozessen geprägt wird, welche nach der letzten Eiszeit zur Wiederbesiedlung der eisfreien Gebiete führten. Dass dieses Ergebnis keinen «Sonderfall Alpen» darstellt, zeigte eine parallel durchgeführte Untersuchung in den Karpaten.

Alpenpflanzen langfristig nicht genügend geschützt
Für die Erhaltung der Biodiversität im Alpenraum sind die neuen Erkenntnisse wichtig. Heute werden Schutzgebiete dort ausgeschieden, wo seltene Arten vorkommen und wo die Lebensraumvielfalt und somit die Artenzahl besonders hoch ist. Langfristig sind die Alpenpflanzen damit aber nicht genügend geschützt, weil ihre genetische Vielfalt mit den heutigen Schutzgebieten nur unzureichend gesichert ist. In Zukunft sollten die bestehenden Schutzgebiete mit Gebieten ergänzt werden, welche sich durch eine hohe genetische Vielfalt auszeichnen. Ferner müssen die neuen und bestehenden Schutzgebiete besser vernetzt werden. Damit wird der Austausch von Individuen und ihren Genen zwischen den Beständen der Alpenpflanzen gewährleistet und die genetische Vielfalt auch langfristig erhalten bleiben. (WSL/MyHandicap/pg)

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