Bernhard Bauhofer: Wie lautet die Antwort der Wirtschaft auf die Flüchtlingskrise?
Bernhard Bauhofer.
Als moderne Menschen sind wir privat und geschäftlich permanent auf Achse. Mobilität ist Ausdruck von wirtschaftlichem Erfolg. Jüngst werden wir jedoch durch die Flüchtlingskrise mit einer anderen Mobilität konfrontiert. Sie ist Ausdruck von Verzweiflung und Überlebenskampf.
Doch die Mobilitäts- und die Flüchtlingsströme laufen getrennt voneinander in Parallelwelten ab. Auf dem Weg zur Arbeit oder zum Flughafen begegnen wir – noch – keinen Flüchtlingen. Legitimiert uns das zum Wegschauen? Befreit uns dies von der Verantwortung?
Bewährungsprobe für Globalisierung
Die Wirtschaft hat über Jahrzehnte die Globalisierung und die damit verbundene wirtschaftliche Öffnung als Segen für die Menschheit propagiert – doch von neuen Märkten profitiert haben in erster Linie die kleine Minderheit der Top-Manager und Unternehmer. Offene Grenzen dürfen keine Einbahnstrasse bei Exporten sein – Globalisierungsgewinner wie die Schweiz und Deutschland dürfen die Grenzen jetzt nicht dicht machen. Einwanderungsinitiative hin oder her – es gilt wie in Kriegszeiten in Sachen Humanität Farbe zu bekennen.
«Die Weltmeister bei der Steuervermeidung müssen jetzt ihrer Verantwortung und Solidarität als Global Citizen gerecht werden. Wegschauen kommt moralischem Versagen gleich.» Bernhard Bauhofer
Wirtschaft muss zurückgeben
Wirtschaftsvertreter monieren, dass der Staat sich zu sehr in die Wirtschaft einmische. Von AIG bis UBS und GM – „systemkritische“ Unternehmen wurden von ihren Staaten vor dem Tod gerettet. Jetzt ist es an der Zeit, dass Unternehmen angesichts des Flüchtlingsdramas ihre ganze gesellschaftliche und wirtschaftliche Kraft in die Waagschale werfen. Im Geld schwimmende Konzerne müssen den Staaten jetzt unter die Arme greifen und ihren Beitrag zur Lösung der Flüchtlingskrise leisten. Die Weltmeister bei der Steuervermeidung müssen jetzt ihrer Verantwortung und Solidarität als Global Citizen gerecht werden. Wegschauen kommt moralischem Versagen gleich.
Kreativität gefragt
Was konkret sollen Unternehmen tun? Sollen Sie Geld spenden? Sollen Sie im Rahmen von Corporate Volunteering ihre Belegschaft anhalten, Lebensmittel und Decken zu verteilen oder in Suppenküchen zu arbeiten? Noch ignoriert die Mehrheit der Unternehmen gemäss dem Motto „this is not our business“ das Problem einfach. Doch nach und nach melden sich Wirtschaftsführer wie Porsche-Chef Matthias Müller zu Wort. Sie werden der Bezeichnung „Leader“ gerecht. Auf die Frage, wie die Industrie praktisch helfen könne, antwortete er: «Mit neuen Arbeitsplätzen!» Schon längst ist Porsche nicht mehr nur Deutsch – schon heute arbeiten im Konzern Menschen aus 56 verschiedenen Ländern. Der Vorschlag des ägyptischen Unternehmers Sawiris, für Flüchtlinge unbewohnte Inseln bewohnbar zu machen und ihnen eine neue Heimat zu bieten, ist kühn und fördert den Diskurs und die Suche nach Lösungen ausserhalb festgefahrenen Denkmustern.
Unternehmen sind jetzt zum Handeln aufgefordert – egal ob sie dies im Namen von Corporate Social Responsibility, Philanthropy oder Volunteering tun.
Bernhard Bauhofer
Nach seinem Karriereeinstieg bei BMW machte der Diplom-Soziologe eine internationale Agentur-Karriere mit Stationen in der Schweiz, Südamerika und USA. Als Senior Vice President leitete er bei Y&R Inc. die Geschäftsentwicklung in Lateinamerika. Der Durchbruch zur internationalen Bekanntheit folgte mit dem Buch „Reputation Management Glaubwürdigkeit im Wettbewerb des 21. Jahrhunderts“ und der Gründung von Sparring Partners, dem auf Reputation Management spezialisierten Beratungsunternehmen. Bernhard Bauhofer berät Unternehmen sowie Persönlichkeiten und wird regelmässig zu von internationalen Medien wie Bloomberg oder CNBC zu Reputationsthemen interviewt.