BlackRock – Aktueller Blick auf die Märkte: Die Schweiz geht voran

BlackRock – Aktueller Blick auf die Märkte: Die Schweiz geht voran
Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Am Wochenende hat die Schweizer Wahlbevölkerung in mehreren Volksabstimmungen wichtige Zeichen gesetzt, eventuell mit wegweisender Wirkung für andere Länder. Das erste Referendum betraf das Verbot von Vollverschleierung bzw. -vermummung im öffentlichen Raum, ein seit jeher sensibles und umstrittenes Thema.

Einerseits steht die Betrachtung von Burka und Nikab als Symbol der Unterdrückung von Frauen, auf der anderen Seite der Wert islamischer Traditionen. Durch die knappe Mehrheit für ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum bei einer Reihe von Ausnahmen geht die Schweiz nunmehr einen Weg, der auch für andere Länder gangbar sein könnte. Und dass der Ausgang des Referendums kein Votum gegen den Islam war, wird schon in der Zustimmung zur zweiten Abstimmung deutlich, in der es nämlich um ein Handelsabkommen mit Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, ging.

Die dritte Volksabstimmung schliesslich, jene um die Frage ob auch private Unternehmen den digitalen Identitätsnachweis, die sogenannte E-ID, ausgeben dürfen oder nicht, endete am Sonntag mit einem recht klaren Bekenntnis zum Monopol des Staates, jedenfalls wenn es um persönliche Daten geht. Dem Argument der Befürworter private emittierter E-IDs, nämlich höherer Innovationskraft, schlossen sich über 64% der Abstimmungsberechtigten nicht an. Höher wog eindeutig das Hauptargument der Gegner, nämlich die nicht ausreichend garantierte Sicherheit der Daten. Digitale Signaturen derart eindeutig im Hoheitsbereich des Staates zu belassen, könnte ebenfalls Vorbildfunktion für andere Länder haben. Für online-basierte Geschäftsmodelle, die in Zeiten von Covid massiv expandieren, kann das bedeutsame Folgen haben.

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Derweil prasselt auf den grossen Nachbarkanton aus aller Welt Hohn und Spott wegen des suboptimalen Managements der Covid-Krise nieder. Doch inzwischen ist den meisten Deutschen nicht mehr nach Zynismus zumute. Angesichts der Trägheit der Grossen Koalition scheint die politische Stimmung im Land zu kippen. Erstmals scheint so etwas wie Endzeitstimmung der Ära Merkel spürbar, welche bis dato ausgeblieben war – vermutlich zu einem Gutteil wegen der Dramatik der Corona-Krise selbst. Inzwischen drängen sich Vergleiche mit 1998 auf, als das politische Gefüge geprägt war durch 16 Jahre Kanzlerschaft von Helmut Kohl und Verzagtheit wie Mehltau über dem Land lag. Das bisher scheinbar so stabile Rahmenwerk wird fragiler. Schon am kommenden Wochenende könnte bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg den Regierenden der Wind aus Unzufriedenheit und Coronamüdigkeit ins Gesicht blasen. Sollte sich aber das gefühlte Versagen der Bundesregierung bei Impfen, Testen und Digitalisierung in den nächsten Wochen und Monaten fortsetzen, könnte es mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September durchaus zu erheblichen Verschiebungen kommen.

Kann Europa aufholen?
Die Frage, ob Europa beim Weg aus der Covid-Krise noch die Kurve bekommt, ist auch entscheidend dafür, ob Investoren wieder zuversichtlicher bezüglich kontinentaleuropäischer Aktien werden. Zuletzt ist massiv Anlegergeld aus Europa abgeflossen, der zu Beginn einer wirtschaftlichen Erholung sonst übliche Zyklik- bzw. Value-Bonus für Europa steht vor allem angesichts der dramatisch schlechteren Impfperformance in Frage. Zuletzt sah eher Grossbritannien wie das bessere Europa aus, was angesichts der bisherigen Leistungen der Johnson-Regierung vor kurzem noch wie ein schlechter Witz geklungen hätte und vor dem Hintergrund des Brexit ein veritables PR-Debakel für die EU darstellt. Nun aber notieren Anleger nüchtern, dass Grossbritannien mit 33% Geimpften (im Vergleich zu 8% in der EU) nicht nur deutlich näher an der Herdenimmunität, sondern mit einem KGV-Abschlag von über 20% auch wesentlich günstiger bewertet ist als Europa.

Somit dürfte die EZB am Donnerstag gar keine Wahl haben als die Bereitschaft zu weiteren Anleihekäufen ins Fenster zu stellen. Der Schweizer Franken, der sich zuletzt aufgrund weniger gefragter Safe Haven-Investments gegenüber dem Euro abgeschwächt hatte, könnte in der Folge etwas durchatmen. Sollte sich weiter bestätigen, was sich bereits jetzt in den Zahlen andeutet, nämlich dass Europas Erholung den USA und Grossbritannien um mindestens ein Quartal hinterherhängt, könnte sich allzu grosse Hoffnung auf das zyklische Potenzial europäischer Aktien als vorschnell erweisen. (BlackRock/mc/ps)

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