GRIMALDI & PARTNERS: Kehrt auf den Finanzmärkten bald wieder mehr Ruhe ein?

GRIMALDI & PARTNERS: Kehrt auf den Finanzmärkten bald wieder mehr Ruhe ein?
Drei von vier Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz leben im städtischen Raum wie z.B. in Zürich. (Photo by Henrique Ferreira on Unsplash)

Zürich – Die Aktienmärkte haben die Märzkorrektur mittlerweile hinter sich gelassen und neue Jahreshochs erreicht. Ist das eine Bärenmarktrally, oder befinden sich die Aktienmärkte am Anfang eines Bullenmarktes? Silvano Grimaldi, CEO der Schweizer unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antwort auf diese Fragen.

Anlegeroptimismus kehrt zurück
In den letzten Monaten wurden Anleger wiederholt von deutlichen Anstiegen und Rückgängen der Kurse von Aktien und Anleihen überrascht. Auf enttäuschende Nachrichten, beispielweise nur langsam sinkende Kernteuerungsraten, in Schwierigkeiten geratene Banken usw., folgten oft rasch wieder von den Finanzmärkten als positiv wahrgenommene Meldungen, wie z.B. erste Anzeichen für ein baldiges Ende der Leitzinsanhebungen, eine Erholung der Weltwirtschaft signalisierende Frühindikatoren usw. Trotz der sich ständig verändernden Nachrichtenlage scheint insbesondere auf den Aktienmärkten derzeit die Stimmung der Anleger überwiegend gut zu sein.

Ist dieser Optimismus der Anleger aber wirklich gerechtfertigt? Wird insbesondere die aktuell generell gute Stimmung auf den Aktienmärkten anhalten? Ist es eventuell sogar schon zu spät, um vermehrt in Aktien zu investieren?

Zwischenkorrekturen könnten akzentuiert werden
Die Volatilität auf den Aktien und Anleihemärkten dürfte noch länger hoch bleiben. Solange Wachstums-, Zins- und Teuerungsentwicklungen den Erwartungen der Notenbanken und vor allem einer Mehrheit der Anleger nicht entsprechen, werden die Finanzmärkte anfällig für Kurskorrekturen in der einen oder anderen Richtung bleiben. Investmentfonds könnten z.B. überraschend einsetzende Kursrückgänge zusätzlich verstärken, wenn sie aufgrund von Liquiditätsproblemen zu Wertpapierverkäufen gezwungen werden. Auch aus fundamentaler Sicht übertriebene Bewertungen, anhaltend schwierige Finanzierungsbedingungen und eine geringe Marktliquidität könnten zu einer Akzentuierung von beginnenden Kurskorrekturen beitragen.

Aktienmarkterholung bisher von Einzelsektoren und -Aktien getragen
Für eine fundierte Einschätzung der aktuellen Kursverläufe ist vor allem zu beachten, dass seit Jahresbeginn die Erholung der meisten Aktienindizes auf die doch recht unterschiedlichen Entwicklungen der in den Indizes enthaltenen Titel zurückgeht. In den USA geht z.B. der Anstieg vor allem auf Technologie-Titel zurück. Im Wesentlichen sind die Anstiege der verschiedenen Indizes nur auf diese Wachstumswerte zurückzuführen. Ohne diese Titel würde z.B. der S&P 500 nur auf dem bereits am Jahresanfang erreichten Niveau liegen. Auch die europäischen Indizes, wie z.B. der Euro Stoxx 50 oder der DAX-Kursindex, gehen hauptsächlich auf die Entwicklungen einzelner Titel (Blue-Chip-Aktien) zurück, die in den Indizes hoch gewichtet und aktuell stark nachgefragt sind.

Gegensätzliche Kräfte treiben die Inflation nach oben und nach unten
Die zuletzt zu beobachtenden Rückgänge der Teuerungsraten bei den Importgüter-, Erzeuger- und den Verbraucherpreisen lässt zwar auch auf ein Ende der Leitzinsanhebungen hoffen. Die Globalisierung wird jedoch künftig nicht mehr für niedrigere Kosten und Preise sorgen. Zudem werden sich die demografischen Entwicklungen in vielen Volkswirtschaften in knappheitsbedingten höheren Arbeitskosten und in der Folge in höheren Importgüter-, Erzeuger- und schliesslich auch in den Verbraucherpreisen niederschlagen. Der für die angestrebte Deglobalisierung notwendig werdende Umbau der Wirtschaftsstrukturen und die gleichzeitig angestrebte Substitution fossiler Energieträger durch Strom werden zu einem hohen Investitionsbedarf und aufgrund eines in nicht wenigen Volkswirtschaften tendenziell abnehmenden Sparüberhangs auch zu steigenden Kapitalkosten sowie zu höheren Preisniveaus führen. Noch ist offen, wie die Notenbanken auf die deshalb zu erwartenden weiter steigenden Teuerungsraten reagieren werden. Leitzinsanhebungen zur Eindämmung der auf die genannten Bestimmungsfaktoren zurückgehenden Teuerungsanstiege würden in erster Linie jedoch nur das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und sich früher oder später auch auf die Aktienmärkte auswirken.

Andererseits sind heute die Produktionsprozesse viel flexibler und effizienter als vor einem Jahrzehnt. Trotz massiven Leitzinserhöhungen in den letzten Monaten wie seit den 80er Jahren nicht mehr ist – anders als damals – bis heute eine harte Rezession ausgeblieben. Auch bringt der technologische Fortschritt eine Verbesserung der Produktivität. Die Digitalisierung der Wirtschaft steigert die Preistransparenz und damit den Wettbewerb zwischen den Produzenten. Schliesslich ist das Potenzial an Effizienzsteigerungen enorm mit dem Voranschreiten der K.I. (Künstliche Intelligenz) bei den Produktions- und Konsumprozessen. Diese Faktoren wirken deflationär, treiben die Inflation nach unten und wirken sich damit positiv auf die Aktienmärkte aus.

Fazit: Im Pessimismus hat jeder Bullenmarkt unerwartet begonnen
Die Aktienmärkte haben sich mittlerweile über 20% erholt seit dem Jahrestief von 2022. Dies entspricht nach Lehrbuch der Definition eines Bullenmarktes. Zwar ist die Erholung bisher nicht von allen Sektoren getragen, jedoch ist das zu Beginn eines Bullenmarktes normal: Als im März 2009, während der grossen Finanzkrise, die Aktienmärkte nach oben gedreht hatten, blieben einige Sektoren – wie Bankaktien – zurück. Auch andere Sektoren zogen erst Monate später wieder an. Das hat mit dem Pessimismus zu tun, die sogenannte «Wall of Worries». Einige Anleger brauchten mehr Zeit, um Vertrauen in Aktienanlagen wieder zu finden. Und so ist es heute u.a. aufgrund der Rezessionsängste.

Zuletzt hat die Marktbreite zugenommen: Es gibt zunehmend Einzeltitel, die sich stark erholen entsprechend der allgemeinen Aktienmarkttendenz. Dazu befinden sich die Volatilitätsindizes auf einem niedrigen Niveau, was das Einkehren von mehr Ruhe unter den Anlegern anzeigt. Das stimmt zuversichtlich für die kommenden Monate. Die Aktienmärkte dürften im Laufe des Jahres die letzten Pessimisten durch neue Jahreshochs ermutigen. Daher sollten sich Anleger je nach Strategie mit einem Mix aus dividenden- bzw. wachstumsstarken Blue-Chip-Aktien positionieren und Zwischenkorrekturen für Zukäufe nutzen. (Grimaldi &/ Partners/mc/ps)

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