Hochschule Luzern unterstützt Experimente im All

Hochschule Luzern unterstützt Experimente im All

Alexandra Deschwanden, Leiterin von Biotesc

Luzern – Am 19. Dezember bringt die Rakete SpaceX-5 verschiedene wissenschaftliche Experimente zur Internationalen Raumstation ISS. Den Ablauf von zwei biologischen Untersuchungen hat ein Team der Hochschule Luzern minutiös durchgeplant. Aus dem Kontrollraum in Hergiswil kann es die Astronauten im Falle von Schwierigkeiten direkt unterstützen.

Die Schweiz stellt nach Claude Nicollier zwar keinen Astronauten mehr, als Mitglied der European Space Agency ESA leistet sie aber nach wie vor einen wichtigen Beitrag für die bemannte Raumfahrt. Und zwar von Hergiswil NW aus. Hier befindet sich das User Support and Operation Center Biotesc, das zum Kompetenzzentrum Aerospace Biomedical Science and Technology der Hochschule Luzern gehört. Seit 2000 plant und begleitet Biotesc im Auftrag der ESA biologische Experimente von Forschungsgruppen aus aller Welt. Pro Jahr organisiert das Team ein bis zwei
Projekte, die auf der Internationalen Raumstation ISS im portablen Brutschrank Kubik durchgeführt werden. Ab 2015 kommt ein Experiment pro Jahr im fix installierten Biolab hinzu.

In den kommenden Tagen sind die Mitarbeitenden von Biotesc wieder einmal speziell gefordert. Es ist für die Durchführung von zwei Experimenten einer deutschen und einer amerikanischen Forschungsgruppe verantwortlich. Die Experimente werden voraussichtlich am 19. Dezember mit einer SpaceX-5 Forschungsrakete vom amerikanischen Space Center Cape Canaveral aus auf die ISS transportiert. Die Flüge von Forschungsraketen können allerdings sehr kurzfristig verschoben werden.

Anleitungen für Astronautin Samantha Cristoforetti
In dem einen Experiment führen die Astronautinnen und Astronauten auf der ISS Untersuchungen an Muschelzellen, im anderen an menschlichen T-Zellen durch. Die Wissenschaftler versprechen sich davon Erkenntnisse über die Auswirkung von Schwerelosigkeit auf das Immunsystem. Denn bei Astronauten, die sich länger im All aufhalten, ist das Immunsystem ähnlich beeinträchtigt wie zum Beispiel bei alten Menschen. «Wenn wir verstehen, welche Vorgänge bei den Zellen unter Schwerelosigkeit in Gang gesetzt werden, nützt das längerfristig dem Verständnis, wie der Immunsystemfunktionsverlust zustande kommt und wie dieser möglicherweise behandelt werden kann», erklärt Alexandra Deschwanden, Leiterin von Biotesc.

Ihr Team hat den Ablauf der Experimente minutiös geplant. Dazu gehören exakte Anleitungen für den ISS- Commander, den Amerikaner Barry Wilmore, und die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti, die die Experimente durchführen. Die T-Zellen beispielsweise müssen in den Kubik eingesetzt und auf 37 Grad Körpertemperatur aufgewärmt werden. «Damit das Experiment ein Erfolg wird, halten wir in einem detaillierten Ablaufplan für Samantha Cristoforetti fest, wie, wo und wann der Kubik angeschlossen wird und wann genau sie die Experiment-Kassetten installieren und wieder entnehmen muss. Dabei stellen wir sicher, dass sich die Astronautin nicht verletzen kann», erklärt Deschwanden. Denn nicht zuletzt ist das Biotesc-Team jeweils für die Sicherheit der Astronautinnen und Astronauten während der Tests verantwortlich. Das Team kann die Experimente vom Kontrollraum in Hergiswil aus mitverfolgen. Falls es Schwierigkeiten gibt und die Astronauten Unterstützung brauchen, nimmt Biotesc Kontakt auf.

Die Zell-Untersuchungen, die noch diesen Monat starten, dauern voraussichtlich bis im Januar. Während die Daten vom Muschelzell-Experiment über Satellit direkt an die Forschenden weitergeleitet werden, werden die Container mit den T-Zellen mit der SpaceX-5 wieder zur Erde transportiert und zu weiteren Untersuchungen an die Wissenschaftler übergegeben.

Eigene Schwerelosigkeits-Experimente mit dem F-5 Tiger
Das Kompetenzzentrum Aerospace Biomedical Science and Technology der Hochschule Luzern unterstützt mit Biotesc nicht nur Experimente auf der ISS, sondern führt auch eigene biomedizinische Forschungsprojekte unter Schwerelosigkeits-Bedingungen durch. Mit Schwerelosigkeits-Simulatoren können Langzeit-Auswirkungen untersucht werden. Aber auch Kurzzeit-Experimente verraten viel über die Funktionsweise von Zellen unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen. In einem Projekt untersucht das Kompetenzzentrum beispielsweise, welchen Effekt Schwerelosigkeit auf die Zellwand von Muskelzellen hat. «Innerhalb von Sekundenbruchteilen können mechanisch sensible Strukturen der Zellwand auf die fehlende Schwerkraft reagieren. Dies könnte möglicherweise der Ursprung des Muskelschwunds von Astronauten darstellen, den man bei Weltraumflügen nachweisen kann», erklärt Marcel Egli, Leiter des Kompetenzzentrums. Bei solchen Kurzzeit-Untersuchungen arbeitet sein Team mit der Schweizer Luftwaffe zusammen. Mit den F-5 Tiger, die auf dem Militärflugplatz in Emmen stationiert sind, können die Piloten mittels eines Parabelflugmanövers bis zu 50 Sekunden Schwerelosigkeit erzeugen. Mehrmals im Jahr installieren die Wissenschaftler ihre Experiment-Container in die Munitionsboxen und die Piloten leiten vor ihren regulären fliegerischen Übungen ein solches Manöver ein. Marcel Egli schätzt die Zusammenarbeit. «Wir können so wiederholt biomedizinische Forschung in realer Schwerelosigkeits-Umgebung durchführen. Diese Option hat in dieser Form weltweit keine andere Forschergruppe.»

Hochschule Luzern
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft, Soziale Arbeit, Design & Kunst sowie Musik. Rund 5’900 Studierende absolvieren ein Bachelor- oder Master-Studium, knapp 4’400 besuchen eine Weiterbildung. Die Hochschule Luzern ist die grösste Bildungsinstitution in der Zentralschweiz und beschäftigt über 1’500 Mitarbeitende.

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