KMU warnen vor zu scharfer Swissness-Regelung

KMU warnen vor zu scharfer Swissness-Regelung

Bern – Eine grosse Anzahl von kleineren und mittleren Schweizer Unternehmen (KMU) befürchtet massive negative Auswirkungen, falls der Ständerat die Swissness-Vorlage in der vorgesehenen Form verabschiedet. Dies ergab eine vom Schweizerischen Gewerbeverband, der Vereinigung SWISS LABEL und der IG Swiss Made durchgeführte Umfrage. In der branchenübergreifenden Befragung warnte rund ein Drittel der 163 teilnehmenden Unternehmen vor den Folgen einer zu einschneidenden Swissness-Regelung.

Falls der Ständerat die Mindestmarke für die Anerkennung eines Produkts als „schweizerisch“  auf  60% der Herstellkosten festlege, werde dies zu massivem Stellenabbau, Verlegung von Produktionsstätten ins Ausland und Betriebsschliessungen führen.

Die Umfrage wurde im August 2012 durch das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent.com Schweiz AG durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich knapp 200 Unternehmen; davon sind gemäss eigener Aussage 163 direkt von der Swissness-Regelung betroffen. Diese 163 Unternehmen repräsentieren rund 20‘000 Arbeitsplätze. Mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus der Maschinen-, Bau-, Pharma/Chemie/Kunststoff-, Elektronik- und Holz/Möbelindustrie, welche in der Schweiz zusammen rund 2,9 Millionen Arbeitsplätze bereitstellen. Weitere 10% der befragten Unternehmen sind mittlere und kleine Uhrenhersteller.

Grundsätzliche Kritik an vorgesehener Regelung und Zweifel am Nutzen
Aus den Antworten der befragten Unternehmen geht eine grundsätzliche Kritik an der Swissness-Regelung in der bisher vorgeschlagenen Form hervor. Diese bezieht sich auf die Herstellungskosten als Berechnungsbasis. Die Mehrheit der Unternehmen (60%) würde die in der Schweiz anfallenden Selbstkosten oder die im Inland erzielte Wertschöpfung als Berechnungsbasis für das Prädikat „schweizerisch“ bevorzugen. Damit würden auch die in der Schweiz verursachten Kosten für Logistik, Marketing, Verkauf und Administration bei der Berechnung des Swissness-Anteils mitberücksichtigt. Bei der Berechnung auf Basis der reinen Herstellungskosten ist dies nicht der Fall. 

Zahlreiche Unternehmen bezweifeln den Nutzen der Swissness-Regelung ganz generell. Auf die Frage, nach den Auswirkungen antworteten lediglich 33% der befragten Firmen mit „positiv“. Weitere 39% gaben an, es werde sich für sie „nichts verändern“, und 28% sagten sogar, die Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelung seien „negativ“.

Massive Umsatzeinbussen und Arbeitsplatzverlust befürchtet
Die gravierendsten negativen Folgen einer zu harten Swissness-Regelung sind nach Meinung der betroffenen KMU Absatzerschwernisse (56%), höhere Kosten (46%), Abbau von Arbeitsplätzen (44%), die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland (26% und Betriebsschliessungen (13%).

„Das Ergebnis unserer Umfrage zeigt, dass der Ständerat und nachher auch der Nationalrat in Bezug auf die Swissness-Regelung nochmals über die Bücher muss“, sagt Rudolf Horber, Ressortleiter des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und Geschäftsführer der Vereinigung SWISS LABEL.  „Niemand würde es verstehen, wenn ausgerechnet in einer Zeit, in der unsere Wirtschaft mit massiven externen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, durch ein schlechtes Gesetz auch noch zusätzlich Zehntausende von Arbeitsplätzen bedroht würden.“

Für Rudolf Horber ist besonders stossend, „dass die Swissness-Vorlage in ihrer jetzigen Form viel weiter geht als die entsprechenden Regelungen in andern Industrieländern wie zum Beispiel Deutschland oder Frankreich. Origine France Garantie verlangt, dass mindestens 50% der Selbstkosten eines Produkts in Frankreich anfallen müssen.“ Deshalb, so Horber, „würden für die Schweizer Wirtschaft im Vergleich mit ihrer ausländischen Konkurrenz erhebliche Wettbewerbsnachteile resultieren, wenn der Gesetzesvorschlag in seiner jetzigen Form angenommen würde.“

Ordnungspolitisch fragwürdige Sonderreglung für die Uhrenindustrie?
In ihrem Antrag vom 10. September 2012 verlangt Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP-L/SG) gar eine Sonderregelung für die Uhrenindustrie: Mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten müssten in der Schweiz anfallen. Es erstaunt nicht, dass die von der Swatch-Gruppe dominierte Fédération de l’industrie horlogère (FH) sowie economiesuisse, die wesentlich von der FH finanziert wird, dieser Lösung das Wort reden. Aber eine solch krasse Ungleichbehandlung von Industrie und KMUs – denen alle Uhrenhersteller zuzurechnen sind – liefe faktisch auf eine „Lex Hajek“ hinaus. Ziel der Revision des Markenschutzgesetzes war und ist hingegen die Definierung einer glaubwürdigen und praktisch anwendbaren „Swissness“, die als Basis für das Label „Made in Switzerland“ taugt und es erlaubt, Missbräuche effektiv zu  bekämpfen. Die vorgeschlagene Regelung „50% industrielle Produkte, 60% Uhrenindustrie“ wäre auch aus rechtspolitischen Gründen nicht haltbar; die übergeordneten Werte der Rechtsgleichheit als immanenter Bestandteil der Schweizer Rechtsordnung stünden dieser vollumfänglich entgegen. (sgv/mc)

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