Kommentar zur Masseneinwanderungs-Initiative: Emotionaler Sieg der Eliten

Kommentar zur Masseneinwanderungs-Initiative: Emotionaler Sieg der Eliten

Kommentar zur Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative von Helmuth Fuchs

Das Zufalls-Mehr der Abstimmenden bei der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative sorgt wieder einmal für viel Diskussionsstoff in der Schweiz und im Ausland. Die Schweizer machen sich auf den Weg, ihre Position in Europa als Insel zu festigen, mit allen Vor- und Nachteilen. Gewinner sind diejenigen, deren Vermögen heute schon global diversifiziert sind und diejenigen, deren Wohlstand von zu viel Öffnung bedroht wäre.

In einem grösseren Kontext lässt sich das Resultat als Misstrauensvotum gegenüber den immer offensichtlicheren negativen Aspekte der Globalisierung und der EU verstehen. Der politische und wirtschaftliche Druck der Amerikaner auf den Finanzplatz der Schweiz, die unverhohlenen Missmutsbekundigungen aus Brüssel, die ungelösten Probleme der EU mit den Staatsverschuldungen und der Jugendarbeitslosigkeit, das überproportionale Wachstum der Bevölkerung in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten haben viele Schweizer Bürger veranlasst, mit der Annahme der Initiative ein Zeichen zu setzen.

Das Internet als Spiegel von nationalen Tendenzen
Nach Jahrzehnten der zunehmenden Globalisierung lassen sich weltweit auch immer häufiger nationalistische Gegenbewegungen ausmachen. Dieser Trend lässt sich auch in der freisten aller Welten, dem Internet, beobachten. Befeuert durch den Überwachungs- und Abhörskandal der NSA denken verschiedene entwickelte Länder über «nationale Netze» nach, die dann von den Regierungen kontrolliert würden. Ähnlich reagiert auch die knappe Mehrheit der Abstimmenden: Nach Jahren der zunehmenden Freiheit bei den Einwanderungsbestimmungen und Öffnung nach aussen, kommt diese Entwicklung jetzt zum Ende. Paradoxerweise könnten vor allem die wirtschaftlichen Eliten und diejenigen, die sich aus verschiedenen Gründen subjektiv als Eliten fühlen, da sie vermeintlich autonom ohne direkten Bezug zum Ausland agieren, zu den Gewinnern zählen. Die Vermögenden deshalb, weil ihr Vermögen global diversifiziert werden kann. Es folgt der grössten Rendite, wo immer diese zu erzielen ist. Das Zeichen der Schweiz nach Brüssel, dass man auch unter Druck nicht zu allen Kompromissen bereit ist, könnte den Finanzplatz mittelfristig sogar stärken und so den Vermögenden zusätzliche Optionen eröffnen. Dazu kommen «Nationalisten», welche sich durch ihre Staatsangehörigkeit als Elite empfinden und die ihren Wohlstand durch Einwanderer bedroht sehen.

KMU und Mittelstand potentiell auf der Verliererseite
Bei staatlich regulierten Kontingenten werden vor allem diejenigen Unternehmen, die ein effizientes Lobbying leisten können und wollen, ihre Ansprüche durchsetzen. Auf der Strecke bleiben werden KMU, die sich das Lobbying nicht leisten können und internationale Konzerne, denen der Aufwand zu gross ist und die in anderen Ländern bessere Bedingungen vorfinden. Dass gerade die SVP, deren Mantra gegen die «classe politique» Teil ihres Erfolges ist, dem Staat mehr Macht und Entscheidungsgewalt übertragen will, ist nur eine der vielen Ungereimtheiten der Initiative.

Neue Bedingungen, neue Chancen
Die Entscheidung ist gefallen. Aus dem auferlegten Zwang zur höheren Selbstständigkeit kann auch etwas Innovatives, Kreatives entstehen. Wir müssen uns mit mehr Druck als zuvor entscheiden, welche Art von Erfolg und Wohlstand wir für unser Land wollen. Die Sozial- und Vorsorgewerke sehen anders aus, wenn wir die Alterspyramide durch Zuwanderung von aussen nicht umformen können. Die zunehmende Überalterung stellt andere Anforderung an die Gesellschaft. Der Alleingang innerhalb Europas fordert eine neue Verhandlungsstrategie. Vielleicht haben die Bewahrer der SVP gegen ihren Willen den Kern für einen epochalen Wandel geformt. Die Geschichte hat Sinn für Ironie, vielleicht auch dieses Mal.

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