Nachgefragt & Aufgeklärt: Digitale Transformation und Wahlen

Nachgefragt & Aufgeklärt: Digitale Transformation und Wahlen

Oliver Fiechter und Helmuth Fuchs werfen einmal pro Woche Fragen auf und suchen Antworten zu Themen der digitalen Transformation und Ökonomie 3.0.

Helmuth Fuchs: Obama wurde in den USA vor allem durch die Stimmen der junger Erstwähler und Hispanics gewählt, seine Foto mit der Umarmung seiner Frau nach der Wahl wurde zum meist-getwitterten Bild aller Zeiten. Wie und wie stark hat die Digitale Transformation jetzt schon die Präsidentschaftswahlen beeinflusst?

Oliver Fiechter: Barack Obama hat die neuen Medien und vor allem die Sozialen Netzwerke optimal für seine Wahlpropaganda eingesetzt. Er hat verstanden wie Markenmanagement im digitalen Zeitalter funktioniert. Ich bin überzeugt, dass Obama wieder gewählt wurde, weil er seine Wähler mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten besser mobilisieren konnte.

«Die Marke gibt vor, wer man ist, für was man einsteht und zu welchen Werten man sich bekennt.»

Markenmanagement? Lässt sich die Führung einer Unternehmensmarke überhaupt mit Politik vergleichen?

Ja, die Marke ist der Eigenwert der sozialen Bewegung. Die Marke gibt vor, wer man ist, für was man einsteht und zu welchen Werten man sich bekennt, ob für ein Unternehmen oder einen Politiker, es gelten die gleichen Regeln, wenn man wahrgenommen werden will.

Was konkret hat Obama besser gemacht als sein Kontrahent Mitt Romney?

Obama hat viel in die digitale Gestaltung der Beziehungen zu seinen Wählern investiert. Seine Wahlhelfer pilgerten über Monate hinweg von Tür zu Tür und haben von potenziellen Wählern persönliche Daten erhoben, die in eine zentrale Datenbank gespiesen wurden. Diese bildete das Herzstück des political campaigning. Die Community-Manager von Obama haben mit Hilfe dieses Instrumentes, einer Art CRM-Tool, strategisches Politmarketing par excellence betrieben: die potenziellen Wähler wurden entsprechend ihrer soziodemografischen Struktur und ihrem Wahlverhalten segmentiert, innerhalb dieser Segmente wurden Bedürfnisse analysiert, Themen-Hotspots identifiziert, Botschaften inszeniert und die kommunikative Ansprache personalisiert. Die Demokraten bespielten entsprechend der Präferenzen der jeweiligen Zielgruppe alle relevanten Medienkanäle von Print bis zu Social Media.

«Niemandem ist es möglich, vollkommen objektiv zu entscheiden und zu handeln, so auch dem politischen Subjekt nicht.»

Wenn Politik die Befriedigung grundlegender gesellschaftlicher Bedürfnisse garantieren soll (im Gegensatz zur Ökonomie, welche vor allem die individuellen Bedürfnisse adressiert), wie wird sichergestellt, dass die politischen Prozesse in der Digitalen Transformation mit allen Bedürfnissen synchronisiert bleiben?


Die Geschichte lehrt einen, dass die Interessen der einfachen Bürger durch die Politik nicht angemessen geschützt werden können. Noch weniger ist eine repräsentative Regierung in der Lage, die Interessen von zukünftigen Generationen zu wahren. Regierungen räumen meistenteils den Interessen der Unternehmen Priorität ein. Das ist ein systemisches Problem kapitalistischer Demokratien.

Wie bitte?! Wir leben also in Scheindemokratien?

Wie man das auch immer bezeichnen will, Fakt ist: Niemandem ist es möglich, vollkommen objektiv zu entscheiden und zu handeln, so auch dem politischen Subjekt nicht. Dazu kommt, dass die Politik nicht selten von Geldgebern, Parteien und Lobbyisten abhängt und deshalb immer auch von Eigeninteressen geleitet ist. Dieser Umstand führt zu Zielkonflikten, die das Wohl der Gemeinschaft in den Hintergrund rücken lassen. Aber durch die neue Transparenz und die neuen digitalen Möglichkeiten der direkten Steuerung geraten die politischen Vertreter unter Druck. Sie werden als Intermediäre erkannt, welche die direkte Meinungsäusserung verwässern und die Bedürfnisse des Volkes nur indirekt und deshalb häufig unzureichend umsetzen.

Die Digitale Transformation verändert die Art und Weise, wie Politik gemacht wird?

Ja, das Politische definiert sich neu. In Zukunft wird Politik nach den Prinzipien der Schwarmintelligenz funktionieren. Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen, was mit den öffentlichen Ressourcen geschehen soll, gemeinsam und durch die Transparenz des Internets öffentlich diskutieren können. Durch das Internet können die Menschen ihre Ideen und Anliegen öffentlich machen und in die Kontrolle einbezogen werden. Die Direktheit der Demokratie wird so eine neue Stufe erreichen. Die Aufgabe der politischen Vertreter liegt in der Zukunft deshalb vor allem in der Moderation der politischen Meinungsfindung.

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