Nationalfonds: Big Data erobert die Rechtsanalyse

Nationalfonds: Big Data erobert die Rechtsanalyse
(Foto: FikMik - Fotolia.com)

Zürich – Vom SNF unterstützte Forschende haben eine integrierte Datenbank mit internationalen Wirtschaftsrechtsfällen aufgebaut, die frei und öffentlich zugänglich sein wird. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Meilenstein für Forschung und Praxis.

Die Anzahl juristischer Abkommen und Streitfälle wächst rasant. Weil es kaum mehr möglich ist, sie mit herkömmlichen Methoden wissenschaftlich zu untersuchen, setzt nun auch die Rechtsanalyse auf Big Data. Mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds haben die IHEID-Forscher Joost Pauwelyn und Wolfgang Alschner (jetzt an der University of Ottawa) eine Datenbank mit Internationalen Wirtschaftsrechtsfällen aufgebaut. Diese vereint derzeit rund 15’000 Rechtsentscheidungen und Zusatzdokumente und zwar in Form von für die maschinelle Auswertung optimiertem Text. «Bisher existieren noch keine ähnlichen öffentlichen, frei zugänglichen Datenbanken dieser Art», sagt Wolfgang Alschner.

Die technische Aufbauarbeit haben Informatikstudierende der Technischen Universität München geleistet. Abgestützt ist die Datenbank auf Quellen wie die Sammlungen von Wirtschaftsstreitfällen der World Trade Organisation und des International Centre for Settlement of Investment Disputes.

Verhandlungshilfe kann Entwicklungsländer unterstützen
Neben der Datenbank mit den Streitfällen befasst sich das Forscherteam auch mit der Big Data-Analyse der darunterliegenden internationalen Verträge. Seit 2015 nutzen Wolfgang Alschner und sein Kollege Dmitriy Skougarevskiy bereits Computerprogramme, um Abkommenstexte zu vergleichen. Eine nutzerfreundliche, für Forschung und Praxis optimierte Beta-Version der Webseite «Mapping Treaties» soll noch in diesem Jahr live gehen: «Für Rechtspraktiker ist es interessant zu schauen, wie sich internationale Verträge über die Zeit entwickeln, um anhand solcher Trends zum Beispiel zu erkennen, welche Verträge ausserhalb der heutigen Praxis liegen und deshalb nachverhandelt werden sollten», sagt Alschner.

Er und seine Kollegen arbeiten bereits an einem Folgeprojekt, das auf der Datenbank aufbaut: Zusammen mit Regierungen planen sie, alle zusätzlichen Informationen über bereits abgeschlossene Handelsverträge aufzubereiten: «Das Ziel ist, Entwicklungsländern zu helfen, bessere internationale Verträge auszuhandeln.» Die Digitalisierung werde so zu einer Unterstützung für die Rechtspraktiker, werde diese jedoch nicht ersetzen können: «Erkenntnisse in Texte einzuflechten unter Einbezug von künftigen Entwicklungen, das bleibt den Praktikern vorbehalten.»

Theorien bilden und weiterentwickeln
Das Ziel des Projektes geht jedoch über die Erstellung von Datenbanken hinaus. Es soll computergestützte Methoden in den Rechtswissenschaften vorantreiben. «Oft handelt es sich um bekannte Methoden, die Computerlinguisten bereits für Textanalysen verwenden», erklärt Alschner. Diese werden aber bisher in der Rechtswissenschaft noch kaum verwendet, obwohl sich diese mit immer grösseren Textmengen konfrontiert sieht (*).

«Die datengetriebene Rechtsforschung ermöglicht es, ganz neue Fragen zu beantworten, die vorher empirisch nicht analysierbar waren. Zum Beispiel, wie fragmentiert das internationale Recht ist und wo Ähnlichkeiten zwischen Rechtsbereichen bestehen», sagt Rechtswissenschaftler Alschner. Der Forscher sieht viele weitere Potenziale von Big Data für die Rechtswissenschaften: «Wir können so abstrakte Konzepte empirisch nachvollziehen und Theorien bilden aufgrund der neuen Zusammenhänge.» Datengetriebene Analyse ersetze darum die theoriebasierte Forschung und das kritische Denken nicht. (SNF/mc/pg)

 

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