OBT: Nachhaltigkeitskompass – das Hilfsmittel für Verwaltungsräte

«Fangen Sie einfach mal an!» Diese Botschaft hört man öfter, wenn KMU am Anfang ihres Nachhaltigkeitsprozesses stehen. Doch wie genau geht das? Der Nachhaltigkeitskompass von Expertsuisse liefert Leitfragen zur Nachhaltigkeitsstrategie für KMU-Verwaltungsrätinnen und -Verwaltungsräte und hilft KMU dabei, Nachhaltigkeitsthemen systematisch zu verankern.
- ÜBERBLICK
KMU sind Sinnbild für eine langfristige Unternehmenskultur über Generationen hinweg. Passend dabei ist der Begriff der Enkelfähigkeit. «Die heutige Generation soll […] nicht auf Kosten der morgigen Generation leben.»[1] Nachhaltigkeit ist heute eine gesetzliche und regulatorische Anforderung und in Zukunft werden solche wohl noch mehr zunehmen. Über Lieferkettenbeziehungen werden KMU vermehrt durch eine Abhängigkeitsregulierung über nichtfinanzielle Informationen berichten müssen. Zudem dürften sich auch nicht betroffene KMU aus eigenem Antrieb vermehrt strategisch mit der Nachhaltigkeitsthematik auseinandersetzen. Denn Nachhaltigkeit ist eine unternehmerische Chance (beispielsweise führt ein Arbeitsumfeld, das soziale Belange berücksichtigt, zu einer Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität) und eng verbunden mit Verantwortung, Vernunft, moralischer Verpflichtung und der Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Schweizer KMU-Unternehmerinnen und -Unternehmer sorgen für einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort Schweiz und nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr. Gerade Treuhänderinnen und Treuhänder können ihre Kundschaft dabei unterstützen, nachhaltigere Strategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Des Weiteren kommt der Treuhandbranche beim Controlling und Reporting, der Berichterstattung und Prüfung und bei Compliance-Arbeiten aller Art (IKS und Risk Management) eine wesentliche Rolle zu. Die Nachhaltigkeitsthematik stellt für KMU eine doppelte Chance dar: -> einerseits hinsichtlich der Relevanz am Kundenmarkt und -> andererseits mit Blick auf die Attraktivität am Arbeitsmarkt der Berufsprofile der Zukunft. Insbesondere für die neuen Talentgenerationen ist das Thema unternehmerische Nachhaltigkeit bei der Wahl ihres Arbeitgebers relevant. KMU und ihre Verwaltungsräte tun daher gut daran, in ihren Organisationen ein umfassendes Verständnis zum Thema Nachhaltigkeit zu vermitteln und zu implementieren. Die Begleitung durch externe Sparringpartner wie Treuhandunternehmen kann an dieser Stelle einen zusätzlichen Mehrwert liefern. Zentral dabei ist die balancierte Betrachtung der Dimensionen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Governance (siehe Abbildung 1).
- LEITFRAGEN ZUR NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE
Verschiedene Studien zeigen: Unternehmen, die eine nachhaltige Strategie implementiert haben, sehen dies positiv an ihren wirtschaftlichen Kennzahlen. Dabei umfasst eine nachhaltige Strategie neben Umweltaspekten immer auch soziale und ökonomische Elemente. Diese nachhaltige Strategie umzusetzen, fusst auf einer stabilen Governance und bedingt ein ganzheitliches Führungsverständnis.
Die Leitfragen im Nachhaltigkeitskompass liefern dem Verwaltungsrat eines KMU wertvolle Ansätze, damit Nachhaltigkeit in der bestehenden Unternehmensstrategie verankert werden kann. Denn Leadership, Vorbildfunktion und eine authentische Umsetzung sind zentrale Erfolgsfaktoren, weshalb sie zur Chef- bzw. Sache des Verwaltungsrats erklärt werden sollten.
Unterteilt sind die Leitfragen in sechs Kategorien:
- Strategische Ausrichtung – wie können wir Nachhaltigkeit effektiv integrieren? Hier geht es um Geschäftsmodelle, Kundenbedürfnisse, Stakeholder-Erwartungen und Nachhaltigkeitsziele.
- Governance – benötigen wir externe Assurance-Leistungen, um den Anforderungen der Stakeholder gerecht zu werden? Hier geht es um Unternehmenskultur sowie Innovation und Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen.
- Organisatorisches – wer zeichnet im Unternehmen verantwortlich? Hier geht es um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie sowie darum, die Mitarbeitenden aktiv zu motivieren und einzubeziehen.
- Monitoring, Controlling, Berichterstattung – welche Messgrössen (KPI) sind die richtigen für unser Unternehmen? Hier geht es darum, robuste Daten, Prozesse und Kontrollen zu implementieren sowie die Reputation und die regulatorische Compliance zu sichern.
- Kommunikation – wie erreichen wir Transparenz, intern wie extern? Hier geht es um Kommunikationsstrategien und Greenwashing-Risiken.
- Finanzielles – was kostet uns die Sicherung unserer eigenen Zukunftsfähigkeit bzw. was ist unser Return on Investment (ROI)? Hier geht es um die Integration der Nachhaltigkeitsaspekte in Investment-Entscheidungen.

- DOPPELTE WESENTLICHKEIT
Zur Auswertung und Umsetzung der Antworten und Erkenntnisse aus dem Nachhaltigkeitskompass ist es empfehlenswert, die identifizierten Handlungsfelder einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse zu unterziehen (siehe Abbildung 2). Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit ermöglicht durch diese Vorgehensweise eine mehrseitige Berichterstattung. Unternehmen, die sich bisher nur mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt haben, welche für sie eine finanzielle Auswirkung haben, müssen nun auch Nachhaltigkeitsthemen behandeln, welche für sie keine finanziellen Auswirkungen haben, sich jedoch negativ auf die Umwelt auswirken.

4. AUSBLICK
Nachhaltigkeit zu etablieren, wird ein stetiger Veränderungsprozess bleiben. Die konstante Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen ist gleichermassen existenzsichernd wie innovationsfördernd. Zudem sollten Ziele und deren Erreichung im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses laufend überprüft und angepasst werden. Der Bundesrat hat mit seiner im Juni 2024 in die Vernehmlassung gegebenen Verordnung über die «Berichterstattungspflichten zur Nachhaltigkeit von Unternehmen» einen grossen Schritt gemacht und will die Schweizer Gesetzeslage stark derjenigen der EU anpassen.
Mit den vorgeschlagenen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden in der Schweiz in den nächsten Jahren rund 3500 Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit direkt und umfassend berichterstattungspflichtig. Eine Vielzahl davon wird indirekt als Teil der Wertschöpfungskette ebenso betroffen sein. Obwohl die EU aktuell die Auswirkungen der Regulierung einer vertieften Überprüfung unterzieht und ggf. Erleichterungsmassnahmen einführen wird, sind sich die Akteure aus Politik und Wirtschaft einig, dass die eingeschlagene Richtung schon im Sinne der Planungssicherheit grundsätzlich beibehalten werden solle. Es ist also davon auszugehen, dass langfristig intrinsisch wie extrinsisch wirkende Motivationsfaktoren bestehen werden, die vor allem auch bei KMU Anreize setzen, sich strategisch mit dem Thema der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.
KMU gelten als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft und stehen für langfristig ausgerichtetes Handeln. Die Nachhaltigkeit noch bewusster in das strategische und operative Wirken zu integrieren, ist daher eine folgerichtige Konsequenz für umsichtige KMU-Verwaltungsräte. Mit dem Nachhaltigkeitskompass steht jedem KMU eine pragmatische Hilfestellung zur Verfügung, mit der es die Chance Nachhaltigkeit nutzen kann. (OBT/mc/ps)
Fussnoten:
- 1) Meynhardt, T. (2014), in: OBT (2022), Nachhaltigkeitsleitfaden für KMU, S. 12. 2) Expertsuisse (2023), Leitfaden Nachhaltigkeit, www.expertsuisse.ch/dynasite.cfm?cmd=cdocs_docs_docs_download&id=1794&sprache=de&skipfurl=1.
Literatur:
- Expertsuisse (2024), Nachhaltigkeitskompass, Leitfragen zur Nachhaltigkeitsstrategie für KMU-Verwaltungsrätinnen und -Verwaltungsräte, https://www.expertsuisse.ch/dynasite.cfm?cmd=cdocs_docs_docs_download&id=1951&sprache=de&skipfurl=1.
- Expertsuisse (2023), Leitfaden Nachhaltigkeit, Orientierung für Mitglieder von Expertsuisse, https://www.expertsuisse.ch/dynasite.cfm?cmd=cdocs_docs_docs_download&id=1794&sprache=de&skipfurl=1.
- OBT (2022), Nachhaltigkeitsleitfaden für KMU, https://www.obt.ch/downloads/res_3356/Nachhaltigkeitsleitfaden-fuer-KMU-Wie-KMU-nachhaltiger-wirtschaften-koennen.pdf.
- Terra Institute Schweiz, Cindy Ortlieb, Insights: Wege zur Nachhaltigkeit, https://terrainstitute.eu/wege-zur-nachhaltigkeit-studie-motiviert-kmu-zur-nachhaltigkeit/.