Frugale Produkte bieten ein enormes Marktpotenzial

Frugale Produkte bieten ein enormes Marktpotenzial

Sven Siepen, Managing Partner in der Schweiz und Experte für Industrieprodukte von Roland Berger.

München / Zürich – Vier von fünf Konsumenten werden im Jahr 2030 ausserhalb Europas und den USA leben. 95 Prozent des kumulierten Bevölkerungswachstums und 70 Prozent des realen kumulierten BIP-Wachstums finden bis dahin in Schwellenländern statt. Die Kaufkraft in diesen Ländern wächst rasant: Die OECD rechnet mit einer globalen Mittelschicht von 4,8 Milliarden Menschen – ein enormer Markt. Mit frugalen Produkten, also preisgünstigen, einfachen Gütern für grundlegende Bedürfnisse, können Unternehmen von den neu entstehenden Märkten profitieren und langfristig Kunden auch an hochwertigere Produkte heranführen. Allerdings gelingt es den Herstellern nicht immer, das Potenzial optimal zu nutzen, wie die Studie «Einfach am besten – Frugale Produkte für den Weltmarkt: Neue Kundenbedürfnisse profitabel bedienen» von Roland Berger Strategy Consultants zeigt.

Frugale Produkte bieten vielfältige Wachstumschancen
«Das Marktpotenzial, das Unternehmen durch frugale Produkte für sich erschliessen können, ist riesig», sagt Oliver Knapp, Partner von Roland Berger und Co-Autor der Studie. Denn nicht nur steigende Einkommen in den Schwellenländern sorgen für Nachfrage nach Konsumartikeln. Auch im unteren und mittleren Marktsegment der westlichen Industrienationen gibt es ungenutzte Potenziale: Finanzkrise, Rezessionen, stagnierende Haushaltseinkommen und hohe Arbeitslosigkeit verändern zunehmend die Nachfrage. So sehen sich in den USA heute nur noch 44 Prozent der Mittelklasse zugehörig, 9 Prozent weniger als 2008. 40 Prozent der Menschen sind nach eigener Wahrnehmung in eine niedrigere Einkommensgruppe abgerutscht. «Wenn Unternehmen die Bedürfnisse dieser Menschen mit frugalen Produkten bedienen, kommen sie auch möglichen Wettbewerbern aus den Schwellenländern zuvor und schützen ihre Heimat- und Stammmärkte vor Konkurrenz», sagt Michael Zollenkop, Partner von Roland Berger und Co-Autor der Studie.

Frugale Produkte sind komplexe Neuentwicklungen
Dabei birgt die Einführung frugaler Produkte durchaus diverse Hürden: «Unternehmen begehen oft einen klassischen Fehler», sagt Knapp. «Sie lassen einfach nur bestimmte Funktionen ihrer Produkte weg, um Kosten zu vermeiden, und gehen damit auf die Märkte. Frugale Innovation bedeutet allerdings mehr: Produkte müssen von Grund auf neu durchdacht und nach den jeweiligen lokalen Marktbedürfnissen entwickelt werden.»

Doch dafür kennen auch in der Schweiz ansässige Unternehmen die Märkte in den Schwellenländern oft nicht gut genug. Dazu kommt mangelndes Wissen über lokale Gegebenheiten, von Genehmigungsverfahren bis hin zur Arbeitskultur. «Gerade Hightech-Firmen werden mit ihren langen Entwicklungszyklen und standardisierten Prozessen den Anforderungen oft nicht gerecht», sagt Siepen, Managing Partner in der Schweiz und Experte für Industrieprodukte. Dies erschwert eine schnelle und flexible Produktion sowie die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden, Geldgebern und Entwicklern.

Oft verpassen es die Unternehmen auch, von Anfang klare Zielkosten zu definieren und im Entwicklungsprozess umzusetzen. Dazu Siepen: «Klare Zielkosten und permanentes Controlling sind für eine erfolgreiche Implementierung unabdingbar. Denn jede technische Entscheidung ist auch eine Kostenentscheidung und wirkt sich letztlich auf die Marge und die Preisgestaltung aus.»

Erfolgreiche Strategie für frugale Produkte
Die Roland Berger-Experten haben daher eine Strategie in vier Schritten entworfen, mit der Unternehmen frugale Produkte erfolgreich und profitabel einführen können:

  1. Marktanalyse: Eine genaue Analyse von Zielmärkten und Kundenbedürfnissen dient als Basis, um die passenden Kundensegmente auszuwählen, Markt- und Wachstumsvolumina einzuschätzen und Produkteigenschaften festzulegen. Dazu gehört auch, die Produktkosten und -preise zu bestimmen. «Frugale Produkte benötigen Transparenz darüber, für welche Produkteigenschaften der Kunde bereit ist zu bezahlen und für welche nicht», sagt Zollenkop.
  2. Produktdesign: Als zweiter Schritt wird ein systematisches Konzept für technische Lösungen erstellt. Dabei sollten konkrete Produktfunktionen und Leistungsparameter bewertet und festgelegt werden. Wichtig ist dabei, stets auch Alternativen in den Blick zu nehmen, immer verbunden mit den zentralen Fragen: «Treffe ich die lokalen Kundenanforderungen?» und «Erreiche ich die definierten Produktkosten?»
  3. Wertschöpfungskette: Im dritten Schritt muss geklärt werden, welche Teile der Entwicklung, Beschaffung, Fertigung und Logistik vom Unternehmen selbst lokal erbracht werden beziehungsweise welche Teile darüber hinaus lokal zugekauft werden sollen. «Wenn möglich sollten lokale Kompetenzen und Ressourcen genutzt werden, denn sie haben in der Regel ein besseres Kundenverständnis und bieten auch oft Kostenvorteile», empfiehlt Knapp. «Allerdings kann dieser dezentrale Ansatz nur erfolgreich sein, wenn die eigene Organisation vom ersten Tag an informiert und eingebunden ist.»
  4. Change Management: Für den gesamten Prozess der Markteinführung sollte eine Roadmap entwickelt werden, die vor allem auch Punkte wie Akzeptanz, Risikomanagement und Flexibilität berücksichtigt.

«Unser Vier-Punkte-Rahmenplan kann als Richtschnur dienen, um ein frugales Produktportfolio und Geschäftsmodell systematisch und durchgängig erfolgreich einzuführen», sagt Zollenkop. «Unternehmen sollten jetzt die Chance nutzen, die sich damit auf den Weltmärkten bieten.» (Roland Berger/mc/PS)

Download Studie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert