Wie sich Schlafentzug im Hirn auswirkt

Wie sich Schlafentzug im Hirn auswirkt

Forscher der Uni Zürich belegen, dass sich bei Schlafentzug depressionsrelevante Hirnnetzwerke neu strukturieren. (Foto: Monika Wisniewska – Fotolia.com)

Zürich – Schlafentzug wird bereits heute als Antidepressivum eingesetzt. Doch welche neurobio­logischen Mechanismen dabei wirken, ist noch nicht ausreichend bekannt. Forschende der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zeigen nun mit einer neuen Bildgebungsstudie, dass sich bei Schlafentzug depressionsrelevante Hirnnetzwerke neu strukturieren. Die Ein­sicht in diese funktionellen Veränderungen im Hirn könnte für gewisse Patienten therapeu­tisch genutzt werden.

Zur Behandlung von Depressionen existieren diverse wirksame Verfahren. Doch bis anhin sind keine biologischen oder andere Marker bekannt, die den Behandlungserfolg spezifisch und auf den jeweili­gen Patienten bezogen vorhersagen können. Der kontrollierte Schlafentzug wird seit Jahrzehnten zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Etwa 40 bis 60 Prozent der Patienten erfahren dadurch eine bedeutsame Symptomverbesserung, die allerdings nicht mehr als zwei Tage anhält. Die Erforschung der neurobiologischen Mechanismen von Schlafentzug ist deshalb so inte­ressant, weil damit schnell wirkende Therapien erforscht werden können. Mit einer neuen Bildge­bungsstudie weisen jetzt Forschende der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich bei gesunden Probandinnen nach, dass sich ihre depressionsrelevanten Hirnnetzwerke nach Schlafentzug neu strukturiert haben.

Der Dorsal Nexus als möglicher Biomarker von Depressionen
Von früheren Studien ist bekannt, dass Stoffwechselveränderungen in zwei Hirnregionen mit Depres­sionssymptomen einhergehen: einerseits einer Überaktivität in dem für die Verarbeitung von emotio­nalen Prozessen zuständigen Anterioren Cingulum, andererseits einer Unteraktivität in dem vor allem an kognitiven Leistungen beteiligten Dorsolateralen Präfrontalkortex. Zudem konnte kürzlich mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie gezeigt werden, dass bei depressiven Patienten eine übersteigerte Verknüpfung diverser Hirnnetzwerke über einen bestimmten Knotenpunkt, den soge­nannten Dorsal Nexus, vorliegt.

Diese Überaktivität wurde als Grundlage der bei Depressionen auf­tretenden emotionalen, kognitiven und vegetativen Fehlregulationen interpretiert. Darauf basierend wurde eine Veränderung der Netzwerkverknüpfungen über den Dorsal Nexus als möglicher Biomar­ker für antidepressive Therapien vorgeschlagen. Dieser Mechanismus bestätigte sich in einer frühe­ren Studie der UZH-Forschenden: Sie verabreichten gesunden Probanden das kurzwirksame Anti­depressivum Ketamin und stellten eine verminderte Verknüpfung über den Dorsal Nexus fest.

Umstrukturierung der Netzwerke: Affekt raus, Kognition rein
Für ihre jetzt vorliegende Bildgebungsstudie massen die Forschenden Verknüpfungsveränderungen des Dorsal Nexus und des Ruhenetzwerks. Sie kombinierten dabei die funktionelle Magnetreso­nanztomographie mit Hirnstromableitungen (Elektroenzephalogramm, EEG) und untersuchten eine Gruppe gesunder Probandinnen mit und ohne Schlafentzug. «Es zeigte sich, dass Schlafentzug zu einer Verringerung der Verknüpfungen zwischen dem Ruhenetzwerk und dem Anterioren Cingulum führte», erklärt Prof. Erich Seifritz, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik der Universität Zürich. Zudem kam es zu einer verstärkten Verknüpfung zwischen dem Dorsal Nexus und dem Dorso­lateralen Präfrontalkortex. Auf der Netzwerkebene bedeutet dies einen Ausschluss von Arealen, die vor allem für emotionale Prozesse zuständig sind, bei gleichzeitiger Rekrutierung von Arealen, die kognitive Kontrollvorgänge vermitteln.

«Dies ist ein spezifischer Biomechanismus des Schlafentzugs, der gerade bei jenen Patienten therapeutisch wirken könnte, die – wie in älteren Untersuchungen gezeigt wurde – eine Überaktivität des Anterioren Cingulum und eine Unteraktivität des Dorsolatera­len Präfrontalkortex aufweisen», so Erich Seifritz. Und er schliess: «Dieser Befund ist ein weiterer Schritt in der Zuordnung biologisch definierter Therapiemechanismen zu ebenfalls biologisch definierten Pathomechanismen in der Depressionsforschung.» (Universität Zürich/mc/ps)

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