Baillie Gifford: Fernab von der Börse investieren? Die Lösung ist britischer Natur

Baillie Gifford: Fernab von der Börse investieren? Die Lösung ist britischer Natur
Von Anna Bretschneider, Head of Switzerland, Baillie Gifford. (Foto: Baillie Gifford)

Immer mehr Unternehmen schieben ihren Börsengang auf und bleiben länger im Privatbesitz. Dieser Trend bereitet Investoren, die auf der Suche nach vielversprechenden Startups sind, echte Kopfschmerzen. Könnte ein 150 Jahre altes britisches Investitionsvehikel für Schweizer Anleger die Antwort darauf sein?

Zwölf Jahre ist das Durchschnittsalter der US-Unternehmen, die heute an die Börse gehen, doppelt so hoch wie im Jahr 2000! Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen. Der erste ist die Leichtigkeit, mit der moderne Technologien es Unternehmen ermöglichen, eine kritische Grösse zu erreichen, ohne dass sie einen erheblichen Bedarf an Fremdkapital benötigen. Der zweite Grund ist die zunehmende Zurückhaltung der Unternehmer, sich dem Druck und der Verzettelung der Ressourcen zu stellen, die mit einem Börsengang einhergehen. Der Börsengang ist somit kein unerlässlicher Schritt im Reifungsprozess eines Unternehmens mehr.

Eine neue Welt, ein neuer Ansatz
Diese Entwicklung wird zu einem Problem für Privatanleger, die sich früh in den wachstumsstarken Unternehmen positionieren wollen, welche die Gewinner von morgen sein werden. Um Zugang zu den nicht börsenkotierten Unternehmen zu erhalten, wollen diese Investoren nicht unbedingt auf ein Instrument wie Private Equity zurückgreifen. Dieses ist in der Regel teuer und hat eine Laufzeit von 7 bis 10 Jahren. Andererseits verfügen Privatanleger weder über das Kapital noch über die Netzwerke von “Venture Capitalists”. Die Lösung könnte in geschlossenen Investmentfonds liegen, von denen es in der Schweiz nur wenige gibt, die aber seit über 150 Jahren ein fester Bestandteil der britischen Anlage- und Sparlandschaft sind. Die grössten unter diesen «Investment Trusts» sind sogar im britischen FTSE 100-Index enthalten und haben in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erlebt.

Das schottische Beispiel
Ein Teil der Wiederbelebung dieser Trusts geht auf die sich ändernden Gewohnheiten von wachstumsstarken Jungunternehmen zurück. Baillie Gifford, der grösste Einzelanbieter britischer Investment Trusts, hat seit 2018 nicht weniger als vier neue Trusts für Kleinanleger aufgelegt, die sich grosser Nachfrage erfreuen. Der Anteil der Beteiligungen an privat gehaltenen Unternehmen der insgesamt zwölf verschiedenen Trusts nimmt deutlich zu. Seine erfolgreichen Investitionen in Unternehmen wie Alibaba, Ant Group, Spotify und ByteDance noch vor ihrem jeweiligen Börsengang begünstigen dieses Wachstum. Auf der Suche nach erstklassigen Unternehmen, die über lange Zeiträume Wachstum und Rendite erzielen können, werden die Vermögensverwalter zunehmend im privaten Sektor fündig.

In seiner modernen Form lässt sich der Investment Trust mit Holdinggesellschaften nach dem Vorbild von Berkshire Hathaway vergleichen. Der Kauf von Trust-Anteilen verschafft dem Inhaber Zugang zu einem sorgfältig ausgewählten Portfolio von Aktien, unabhängig davon, ob diese börsenkotiert sind oder nicht. Durch Ausnützung ihrer Grössenvorteile können Trusts die Kosten für Einzelanleger senken und ihnen gleichzeitig Zugang zu den, nach Ansicht ihrer spezialisierten Portfolio Manager, weltweit spannendsten Unternehmen ihrer jeweiligen Branchen verschaffen.

Der Scottish Mortgage Investment Trust, mit einem Volumen von 19 Mrd. £ (24 Mrd. CHF), ist ein gutes Beispiel für einen solchen Trust, wenn auch ein Ausnahmefall angesichts der überdurchschnittlichen Grösse des Anteils an Investitionen in Privatunternehmen: so sind etwas mehr als die Hälfte der investierten Unternehmen im Privatbesitz und am Trustkapital machen sie einen Anteil von rund 20 Prozent aus. Seine geschlossene Struktur ermöglicht es ihm, Aktien über lange Zeiträume zu halten und während des gesamten Lebenszyklus des Unternehmens investiert zu bleiben.

Gemeinsame langfristige Interessen
Diese Stabilität der Eigentumsverhältnisse wird von den Gründern und dem Management nicht börsenkotierter Unternehmen sehr geschätzt. Darüber hinaus erweisen sich Trusts, die von einem (von den Aktionären kontrollierten) Verwaltungsrat verwaltet werden, in der Regel als gut informierte, geduldige und loyale Miteigentümer: Sie lassen sich von den Schwierigkeiten, auf die wachsende Unternehmen stossen können, nicht übermässig beunruhigen. Darüber hinaus erleichtert der hohe Kapitalbestand einiger Trusts den Eigentümern privater Unternehmen die Aufnahme neuen Kapitals.

Die Unternehmensfinanzierung befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Wandel, wie es ihn seit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr gegeben hat. “Einhörner»[1] mit einer Marktkapitalisierung von über 1.800 Mrd. USD können nicht mehr als Randphänomen betrachtet werden.

Neue Umstände erfordern von Anlegern eine neue Art des Investierens. Obwohl ihre Wurzeln im viktorianischen Grossbritannien liegen mögen, haben sich die britischen Investment Trusts aussergewöhnlich gut an die schöne neue Welt angepasst.

[1] Ein Einhorn ist ein Start-up-Unternehmen mit einer Bewertung von über 1 Milliarde Dollar. Ihr Wachstum ist so stark, dass sie in einer einzigen Finanzierungsrunde mehrere Millionen für ihre Entwicklung aufbringen kann. Dieser Einhorn-Status verschwindet, sobald es an die Börse geht oder übernommen wird.

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