China: Rekordsenkung beim Mindestreservesatz

China: Rekordsenkung beim Mindestreservesatz

Chinas Notenbankgouverneur Zhou Xiaochuan.

Peking – Der chinesische Staat wird angesichts der schleppenden Wirtschaftsentwicklung des Landes langsam nervös. Nun soll die Kreditvergabe durch die Banken angekurbelt werden. Dafür kündigte die Notenbank People’s Bank of China (PBoC) am Sonntag auf ihrer Internetseite die Senkung des sogenannten Mindestresevesatzes um einen Prozentpunkt an. Die Reduzierung des Satzes ermöglicht den Banken, einen grösseren Anteil ihrer liquiden Mittel für Kredite zu verwenden, anstatt das Geld bei der Notenbank parken zu müssen. Seit der globalen Finanzkrise war der Satz nicht mehr so deutlich herabgesetzt worden. Volkswirte halten jetzt auch eine Leitzinssenkung für möglich.

Der Mindestresevesatz dürfte durch den Schritt der Notenbank nun auf 18,5 Prozent sinken. Die Verringerung ist bereits die zweite im laufenden Jahr und die deutlichste seit November 2008. Die Mindestreserve ist eine vorgeschriebene proportionale Bankeinlage. Der Mindestreservesatz wird von der Zentralbank festgelegt, als Anteil an den Einlagen der Kunden der jeweiligen Geschäftsbank. In China ist der Satz vergleichsweise hoch. In der Eurozone liegt er beispielsweise nur bei einem Prozent.

«Dieser Schritt ist viel grösser als der Markt angenommen hatte», sagte Liu Li-Gang, Chefvolkswirt für China bei der Australia & New Zealand Banking Group. «Die Banken werden mit Liquidität geflutet werden.» Allerdings dürfte der bereits heiss gelaufene Aktienmarkt nun weiteren Treibstoff erhalten. Die Aktienmärkte in Asien legten nach der Entscheidung am Montag nur vorübergehend zu. Es setzten rasche Gewinnmitnahmen ein und drückten die Märkte ins Minus.

Kurswechsel vollzogen
«Die chinesische Zentralbank hat den Kurswechsel vollzogen», kommentierte Analyst Frederik Kunze von der NordLB die Entscheidung. Spürbare Bremsspuren in der Konjunktur hätten zu dem drastischen Schritt geführt. Zudem wollte die PBoC möglichen Liquiditätsengpässen vorbeugen, da die Regierung Finanzmarktreformen angekündigt habe. Kunze rechnet jetzt auch mit einer Zinssenkung.

Im ersten Quartal 2015 war die chinesische Wirtschaft so langsam gewachsen wie seit den Ausläufern der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Das Plus hatte im Jahresvergleich nur noch bei 7,0 Prozent gelegen, wie das Statistikamt Chinas Mitte letzter Woche mitgeteilt hatte. «Wir sind mit einer schwierigen internationalen Lage konfrontiert, und unsere Wirtschaft steht unter einem zunehmenden Abwärtsdruck», hatte die Behörde betont. Im Vorquartal hatte der Zuwachs noch bei 7,3 Prozent gelegen. Lediglich im Frühjahr 2009 war das Wachstum mit 6,6 Prozent noch geringer gewesen.

Keine «harte Landung» erwartet
Trotzdem erwartet Chefvolkswirt Holger Schmieding von der Berenberg Bank keine «harte Landung» der chinesischen Wirtschaft. Die Zeiten des raschen industriellen Aufholungsprozesses seien vorbei und der Anteil am Dienstleistungssektor am Wachstum nehme zu. Das Finanzsystem sei angesichts der hohen Sparquote und der hohen Währungsreserven stabil. Falls sich die Konjunkturdaten eine Abschwächung des Wachstums von unter sieben Prozent signalisieren, dann dürfte die Regierung laut Schmieding die Geldpolitik weiter lockern. (awp/mc/upd/ps)

 

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