China und der Westen im Jahr des Drachen

China und der Westen im Jahr des Drachen

Basel – Unterschiedliche Drachenbilder prägen die östliche und westliche Mythologie: Zukunftsvertrauen und Stärke im Osten, Bedrohung und Chaos im Westen. Die ungebrochene Wachstumsdynamik in Asien und die Schuldenkrise im Westen stehen sinnbildlich für die zwei Seiten einer Welt am Wendepunkt zu einer neuen Ordnung.

Ausgehend von dieser Dichotomie untersucht Dr. Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer der Bank Sarasin & Cie AG, in der aktuellen Ausgabe von «Standpunkte» die wichtigsten Impulse für die Weltwirtschaft und das Anlageumfeld der kommenden Jahre. Sein Fazit fällt zuversichtlich, asiatisch inspiriert aus. Er empfiehlt Anlegern, die gegenwärtige Risikoaversion als antizyklische Opportunität der Stunde zu betrachten und auf ein nachhaltig ausgewähltes, globales Aktienportfolio zu setzen.

Wichtigste Motoren und Stabilisatoren der Weltwirtschaft
Dank ihrem enormen Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum sind Schwellenländer mittlerweile zu den wichtigsten Motoren und Stabilisatoren der Weltwirtschaft avanciert. Exemplarisch dafür steht die Entwicklung in China. Seit den 1990er Jahren haben sich die durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen in China verdreizehnfacht. Eine halbe Milliarde Arbeitsplätze wurden geschaffen. China ist nicht nur absoluter Weltmarktführer in vielen Produktions- und Rohstoffbereichen, sondern auch absolut grösster Kapitalexporteur der Welt.

Chinas erwachende Konsumenten als Zukunftsmotor
Für die nächsten Jahre liegt der Schlüssel zu einer weiteren, wichtigen Transformation der Wirtschaft Chinas und seiner Rolle in der Welt in der Entwicklung des Binnenkonsums. Chinas ursprünglich ganz auf Export eingestelltes Wirtschaftsmodell hat seine Grenzen erreicht. Der zwölfte Fünf-Jahres-Plan (2011 bis 2016) fordert entsprechend eine weitreichende Transformation des chinesischen Modells und setzt dabei auf Innovation statt Produktion, nachhaltige Infrastrukturförderung und Konsum, also die gezielte Förderung der inländischen Nachfrage. Chinas mittelfristige Wirtschafts- und Börsenaussichten schätzt Burkhard Varnholt vor diesem Hintergrund als weit stärker ein, als es gemeinhin realisiert wird. Für Anleger bietet eine solche Perspektive enorme Chancen, berücksichtigt man, dass Anlagen in China aufgrund der relativ schwachen Performance der letzten Jahre heute im Vergleich zu anderen Wachstumsmärkten billig, also unterbewertet sind.

Dr. Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer der Bank Sarasin & Cie AG
«Vielen Risiken zum Trotz gelange ich eher zu einer zuversichtlicheren, asiatisch inspirierten, Gesamtschau. Denn erstens bilden Schuldenkrise und östliches Wachstum zwei Seiten einer unteilbaren wirtschaftlichen Dynamik. Zweitens schafft die präzedenzlose Kapitalverflechtung zwischen Osten und Westen eine Schicksalsgemeinschaft, welche eine sanfte Überwindung der Defizitkrise plausibel macht. Und drittens erscheint die Wiedereinführung automatischer Ausgabenbremsen heute vielerorts politisch erreichbarer als seit Jahren. Und schliesslich orte ich in Chinas grosser Transformation nicht nur wichtige Impulse für die Weltwirtschaft, sondern auch für Chinas Aktienmärkte.»
 
Defizite im Westen erfordern Kurswechsel
Die bedrohliche Schuldenspirale im Westen erfordert einen Kurswechsel, wenn der Weg ins Chaos internationaler Wirtschafts- und Handelskonflikte vermieden werden soll. Historisch betrachtet stehen die Chancen auf den ersten Blick nicht gut: Von den mit der Gegenwart vergleichbaren Schuldenzyklen der Vergangenheit hat keiner ein gutes Ende genommen. Staatskonkurse, Hyperinflation oder mehrjährige, finanzielle Repression waren in unterschiedlichen Varianten die Konsequenz.

Lichtblicke
Doch aus Sicht von Burkhard Varnholt gibt es Lichtblicke: Angesichts der Krise der Eurozone besteht eine reale Chance, dass der jüngst vereinbarte Fiskalpakt mit seiner strengen Ausgabenschranke tatsächlich ratifiziert und wirksam wird. Jüngste Wahlergebnisse in einzelnen Euroländern ändern daran im Grundsatz nichts. Auch in den USA ist es durchaus denkbar, dass die bis 2001 höchst erfolgreiche staatliche Ausgabenbremse in Zukunft wieder eingeführt wird.

Sodann haben die globalen Leistungs- und Kapitalverkehrsungleichgewichte zwischen den führenden zwanzig Industrienationen und China, Brasilien und Russland zu einer zunehmenden, gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen Schuldnern und Gläubigern geführt. Dies schafft eine unausweichliche Schicksals- und Interessengemeinschaft zwischen dem überschuldeten Westen und dem aufstrebenden Osten und damit letztlich mehr Chancen als neue Gefahren für die Weltwirtschaft.

Einführung einer automatischen Ausgabenbremse
Den wichtigsten Beitrag der Politik für eine sanfte Landung der Weltwirtschaft sieht Burkhard Varnholt gegenwärtig in der Einführung einer automatischen Ausgabenbremse. Der zweitwichtigste Beitrag läge in einer Flexibilisierung von Arbeits-, Kapital- und Gütermärkten. Unterstützend wird weiterhin das anhaltende Wirtschaftswachstum in den aufstrebenden Schwellenländern – getragen vom erwachenden Konsumenten – wirken. Nicht zuletzt verschafft auch die bemerkenswert innovative Geldpolitik in Europa und den USA Hilfestellung. Wenn diese Faktoren zusammen kommen, dann könnte gemäss Burkhard Varnholt das Jahr des Drachen auch für Europa und die USA eine nachhaltige Wende zu besseren Zeiten einläuten. (Sarasin/mc/pg)

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