Clearbridge Investments: Langfristiger Ausblick – Der Herde folgen

Clearbridge Investments: Langfristiger Ausblick – Der Herde folgen
Jeff Schulze, CFA, Director Investment Strategist bei ClearBridge. (Foto: zvg)

In der Natur lernen Tiere, dass sie zum Überleben manchmal der Herde folgen und bisweilen die Herde verlassen müssen. Auch Anleger müssen dies lernen. In den Früh- und Mittelphasen einer wirtschaftlichen Expansion kann ein Mitlaufen mit der Herde zuträglich und sicher sein. Im Zuge der zunehmenden Erholung könnte es manche Anleger angesichts der Bedenken hinsichtlich einer Blasenbildung jedoch bewegen, eigene Wege zu gehen. Da der S&P 500 Index aktuell beim 22,5-fachen der prognostizierten Erträge liegt, fürchten viele eine mögliche Überhitzung des Marktes.

Ein Anstieg der Bewertungsniveaus von Aktien ist jedoch insbesondere in den Frühphasen einer wirtschaftlichen Expansion nicht ungewöhnlich. Nach rezessiven Talsohlen werden die Marktrenditen während der ersten Rallye (circa neun Monate) häufig von höheren Bewertungen angetrieben, da Anleger einen möglichen Ertragsanstieg vorwegnehmen. Im Zuge der Verstetigung der Erholung in den beiden darauffolgenden Jahren kehrt sich dies um: die Bewertungen werden infolge eines stärkeren Ertragswachstums gedrückt (Abbildung 1). Im Jahresverlauf 2021 und auch 2022 erwarten wir dasselbe Muster. Dennoch können die Bewertungsniveaus aus mehreren Gründen hoch bleiben.

Bewertungsniveaus vs. Ertragslage

Datenstand: 31. Dezember 2020. Quelle: JP Morgan.

Sie tendieren aktuell teils nach oben, weil Anleger einen zarten Wirtschaftsaufschwung ausgemacht haben. Beispiellose Konjunkturpakete verkürzten die typische Talfahrt, das Ausmass dieser Entwicklung wurde vom ClearBridge Recovery Dashboard durchgängig abgebildet. Es deutet seit dem Ende des zweiten Quartals insgesamt auf eine Expansion hin und steht auf grün. Unter dem Strich signalisiert es eine unterschwellige Stärke, während die Indikatoren im Dezember unverändert blieben.

ClearBridge Recovery Dashboard

Datenstand: 31. Dezember 2020. Quelle: FactSet, Bloomberg, Conference Board, Census Bureau, Federal Reserve, FRBPA, Chicago Fed, ISM, Dept. of Labor, Bloomberg/Barclays, AAII, Investors Intelligence und Moody’s.

Wiedereinführung des Recession Risk Dashboard
Am Ende des letzten, weniger umstrittenen Einbruchs begann bereits die Verlagerung des Anlegerfokus auf den Beginn der nächsten Rezession, da manche im Jahr 2021 einen erneuten Konjunktureinbruch befürchten. Das US-Wirtschaftswachstum scheint sich im Zuge der stärkeren Verbreitung von COVID-19, die zu strengeren Vorgaben bei der Kontaktbeschränkung und wirtschaftlichen Sparmassnahmen geführt hat, zu verlangsamen. Diese Delle spiegelt sich in Daten, wie den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe, die in den letzten Wochen nach dem im November verzeichneten geringsten Stellenaufbau des Aufschwungs ins Stocken gerieten, deutlich wider. Daher führen wir das ClearBridge Recession Risk Dashboard wieder ein, das unserer Einschätzung nach am besten für den Jahresverlauf 2021 geeignet ist.

Das Recession Risk Dashboard umfasst 12 Indikatoren, die den Zustand der US-Wirtschaft und die Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs untersuchen. Aktuell zeigt es unter dem Strich ein grünes Expansionssignal, ebenso wie sieben der 12 zugrunde liegenden Indikatoren. Von den übrigen fünf Indikatoren sind drei gelb und zwei rot. Es ist vielleicht nicht überraschend, dass alle drei Indikatoren zur finanziellen Belastung aktuell grün sind und der Goldman Sachs Financial Conditions Index einen Rekordbeitrag dazu liefert. Vor diesem Hintergrund glauben wir, dass die jetzige Konjunkturdelle wirklich nur eine vorübergehende Abschwächung ist und die US-Wirtschaft dem COVID-19-Wintersturm trotzen können sollte.

ClearBridge Recession Risk Dashboard

Datenstand: 31. Dezember 2020. Quelle: BLS, Federal Reserve, Census Bureau, ISM, BEA, American Chemistry Council, American Trucking Association, Conference Board und Bloomberg. Das ClearBridge Recession Risk Dashboard wurde im Januar 2016 geschaffen. Bezüge auf die Signale, die es in den Jahren vor Januar 2016 ausgesendet hätte, basieren auf der Art und Weise, wie sich die zugrunde liegenden Daten zu jener Zeit in den Indikatoren, aus denen es besteht, widerspiegelten.

Konjunkturmassnahmen treiben den Aufschwung in diesem Jahr voran
Diese Einschätzung wird ferner durch das kürzlich verabschiedete Konjunkturpaket gestützt, das 900 Milliarden USD an Hilfsgeldern bereitstellen wird. Diese Ausgaben werden grösstenteils vorgezogen und entsprechen 4 % des Vor-COVID-BIP. Dadurch dürften zu Beginn dieses Jahres 2021 Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zum Geldausgeben angeregt werden – während diejenigen mit höherem Einkommen in der zweiten Jahreshälfte zum Konsum zurückkehren sollten, wenn die Massnahmen zur Kontaktbeschränkung gelockert werden und die zyklischen Ausgaben für Dinge wie Urlaube und Auswärtsessen anziehen. Für das Jahr 2021 wird das grösste BIP-Wachstum seit dem Jahr 2000 erwartet (Abbildung 4).

Höchstes Wachstum seit Jahren

Über das Konjunkturpaket hinaus gibt es mehrere Gründe für die erwartete Belebung der Wirtschaft. Erstens haben die Verbraucher während der Pandemie sowohl durch staatliche Transferleistungen als auch wegen der fehlenden Möglichkeiten Geld auszugeben mehr als eine Billion USD angespart. Diese Mittel dürften im Verlauf dieses Jahres sinken, insbesondere vor dem Hintergrund der Möglichkeit, wieder Geld auszugeben, wenn die Herdenimmunität erreicht ist und die Massnahmen zur Kontaktbeschränkung gelockert werden. Ein zweiter Treiber könnte auf einen kräftigen Wiederaufbauzyklus des Lagerbestandes zurückzuführen sein, in dessen Verlauf die US-Lagerbestände wieder die Werte des Jahres 2014 erreichen (Abbildung 5). Um Lieferschwierigkeiten zu vermeiden, werden Unternehmen leere Lager auffüllen müssen. Wie die Verbraucher stärkten während der Pandemie auch die Unternehmen ihre Bilanzen. Allein die im S&P 500 gelisteten Firmen häuften einen Barmittelüberschuss von etwa 500 Milliarden USD an. Dieses Kapital dürfte für den Aufbau von Lagerbeständen und Investitionen genutzt werden.

Lagerbestandsaufstockungen

Kein Vergleich mit der globalen Finanzkrise
Der COVID-19-Schock unterscheidet sich aus mehreren Gründen grundlegend von der globalen Finanzkrise. Zum einen wurde die jüngste Rezession durch einen exogenen Schock und nicht durch ein inhärentes wirtschaftliches Problem hervorgerufen. Die globale Finanzkrise hingegen wurde durch eine Reihe von Problemen verursacht, die nach der Krise bewältigt werden mussten, einschliesslich eines überhitzten Immobilienmarktes und der Bedenken hinsichtlich der Überschuldung der Banken. Die aktuelle Erholung sollte also schneller vonstattengehen, da es wenige bereits zuvor bestehende Probleme gibt, die gelöst werden müssen, wodurch die Konjunktur weniger ausgebremst wird.
Zum anderen war die politische Reaktion im vergangenen Jahr bei der Begrenzung des strukturellen Schadens für die Wirtschaft effektiver. In der globalen Finanzkrise dauerte es sehr viel länger, bis die angemessenen politischen Massnahmen ergriffen wurden, was zu tieferen und länger anhaltenden Narben führte. Heute sind die Bilanzen der Haushalte in viel besserer Verfassung als in der letzten Krise, da die Immobilienpreise steigen, die Finanzmärkte gut performen, es unterstützende staatliche Konjunkturmassnahmen gibt und die Ausgaben sinken.

Dieses fehlende Trauma ist in vielen Teilen der Wirtschaft zu beobachten, einschliesslich des Arbeitsmarktes. Einer der besten Echtzeitindikatoren für den Zustand des Arbeitsmarktes ist die Zahl der offenen Stellen. Nach der globalen Finanzkrise dauerte es fünf Jahre, bis die Zahl der offenen Stellen erneut auf Vorrezessionsniveau lag. Heute liegt diese Zahl bereits wieder auf dem Vorkrisenstand, und das nach weniger als einem Jahr (Abbildung 6). Dies lässt vermuten, dass eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung schneller erfolgen kann und in den kommenden Jahren ein höheres Mindestwirtschaftswachstum stützen sollte.

Erholung am Arbeitsmarkt

Datenstand: 30. Nov. 2020. Quelle: FactSet, NFIB.
Quelle: US Census Bureau.

Die gute Nachricht ist, dass es im nächsten Jahrzehnt eine demografische Dividende geben wird, die derjenigen von Mitte der 1990er Jahre gleichen wird. Die Millenium-Kohorte ist viel grösser als die Generation X und kommt gerade erst in ihre besten Ausgabe- und Verdienstjahre (Abbildung 7). Auch wenn dieser positive Impuls wegen der grösseren Anzahl der Rentner etwas gedämpfter ausfallen wird als Mitte der 1990er Jahre, sollte er dem BIP im nächsten Jahrzehnt insgesamt Auftrieb geben.

Demografische Entwicklung (2019 vs. 1994)

Die Fed bekämpft die Krise mit Mitteln von gestern
Wir sind der Ansicht, dass es ein Fehler ist, das Drehbuch für das langsame Wachstum des letzten Zyklus auf die jetzige Erholung anzuwenden. Tatsächlich scheint es mehr Unterschiede als Ähnlichkeiten zu geben. Allerdings gibt es eine wichtige Institution, die die Krise weiter unermüdlich mit den Mitteln von gestern bekämpft: die US-Notenbank Fed. Im vergangenen Sommer führte sie ein neues Konzept des „durchschnittlichen Inflationsziels“ ein, wodurch sie die vergangenen Unterschreitungen ihres 2%-Ziels (Abbildung 8) ausgleichen kann. Daraus ergibt sich eine höhere Hürde für Zinsanhebungen durch die Fed. Wie die jüngsten „Dot Plots“ zeigen, erwarten die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) den ersten Zinsanstieg frühestens im Jahr 2024.

Neues Rahmenwerk der Fed

Datenstand: 30. Nov. 2020, letzter verfügbarer Stand: 31. Dez. 2020. Quelle: Federal Reserve Bank St. Louis, BEA, Bloomberg. Persönliche Konsumausgaben (PCE) ohne Lebensmittel und Energie.

Wartet die Fed jetzt angesichts von Vollbeschäftigung und steigender Inflation noch länger mit der Zinsanhebung, könnte implizite Folge sein, dass ihre Politik einen Konjunkturzyklus viel länger weiter unterstützen wird als in der Vergangenheit. Im letzten Konjunkturzyklus kam es zu keinem Zeitpunkt zu einer Inflation, trotz eines 50-Jahrestiefs bei der Arbeitslosenquote. Trotzdem begann die Fed im Dezember 2015 mit der Anhebung der Zinsen, was im Rückblick wie ein geldpolitischer Irrtum erscheint. Nun wirkt sie entschlossen, denselben Fehler nicht zu wiederholen, zudem würde es ihr neues Rahmenwerk ermöglichen, in einer Expansion viel länger bei ihrer akkommodierenden Haltung zu bleiben. Dies bedeutet für die zukünftige Entwicklung, dass es sehr viel weniger wahrscheinlich ist, dass die aktuelle Expansion durch geldpolitische Verknappung behindert wird. Wenngleich die Fed ihren Ansatz in den kommenden Jahren letztlich wieder ändern kann, erscheint es jetzt wahrscheinlich, dass das neue Rahmenwerk helfen dürfte, das Wirtschaftswachstum zu steigern und Risiko-Assets zu begünstigen.

Kurzfristiger Einbruch
Wenngleich wir unseren positiven Ausblick für Aktien auch im Jahr 2021 beibehalten, käme eine Konsolidierungsphase nach dem enormen Anstieg seit den März-Tiefständen nicht überraschend. Mehrere Stimmungsbarometer zeigen einen hohen Grad an Zuversicht und die Positionierung erscheint übertrieben. Die Put-Call-Verhältnisse erreichten letzten Monat extreme Tiefstände, was auf eine geringere Absicherung gegen einen Rückzug schliessen lässt. Zugleich liegen auch die Bullen-/Bärenstimmungsverhältnisse in der Investor’s Intelligence-Umfrage deutlich über drei. Dieser Wert spiegelt hohe Zuversicht wider, die vorherigen Rückzügen voranging. Wir sind jedoch der Ansicht, dass ein Kursrückgang im kommenden Quartal ein attraktiver Einstiegspunkt für langfristige Anleger wäre: Das Wirtschaftswachstum dürfte in den kommenden Jahren robust bleiben und sollte das Ertragswachstum fördern sowie Aktien weiteren Auftrieb verleihen. (Clearbridge/mc)

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