CS lanciert Barometer für politische Risiken in Europa im Vorfeld entscheidender Wahlen

CS lanciert Barometer für politische Risiken in Europa im Vorfeld entscheidender Wahlen
(© Christian Schwier - Fotolia.com)

Zürich – Europa geht einer entscheidenden politischen Phase entgegen: Die bevorstehenden Wahlen in Gründerstaaten könnten die politische Landschaft der EU neu definieren und zu einer steigenden Risikoprämie an den Märkten führen. Die Credit Suisse hat ein Risikobarometer entwickelt, mit dessen Hilfe bemessen werden kann, welches Niveau an «EU/Euro»-Risiko an den Märkten eingepreist ist. Das Barometer wird über die nächsten Monate hinweg regelmässig aktualisiert. Zusammen mit einer Beschreibung dreier möglicher politischer Szenarien unterstützt das Barometer Anleger bei der Orientierung in dieser Phase, die mit den Wahlen in den Niederlanden beginnt und mit den Bundestagswahlen in Deutschland enden wird. Es ermöglicht, den Grad der Besorgnis bezüglich systemischer Risiken, die an den europäischen Kapitalmärkten eingepreist sind, rasch einzuschätzen.

Zu Beginn dieser entscheidenden Phase haben die Anlagestrategen der Credit Suisse drei Szenarien für die politische Lage in Europa beschrieben, welche die wichtigsten Wahlen, den Brexit und die Finanzierungslösungen für Griechenland erfassen. Die vergangenen sechs Monate warteten mit positiven wirtschaftlichen Überraschungen und steigenden Gewinnen an den europäischen Finanzmärkten auf, aber die weiteren Aussichten dürften sich als kniffliger erweisen. «Der jüngste Aufschwung, der für Gewinne sorgte, könnte sich abschwächen und politische Risiken werden stärker in den Vordergrund rücken, je mehr wir uns den Wahlen in den Gründerstaaten Europas nähern», so Pierre Bose, Leiter European Investment Strategy bei der Credit Suisse.

Die Szenarien, die sich aus dieser politisch geprägten Phase ergeben, lassen sich in eine positive, mittlere und negative Variante zusammenfassen:

  • Das positive Szenario sieht vor, dass Griechenland eine weitere Finanzierung erhält und geht von einem günstigen Ausgang der Wahl in den Niederlanden sowie einem Wahlsieg gemässigter, reformorientierter, pro-europäischer Kandidaten bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland aus.
  • Im mittleren Szenario ziehen sich die Neuverhandlungen zur Griechenlandrettung hin bis zu den im Juli fälligen Schuldenrückzahlungen, die Regierungsbildung in den Niederlanden verläuft aufgrund von Parteidifferenzen schleppend, Emmanuel Macron gewinnt die Präsidentschaftswahlen in Frankreich, ihm kommt jedoch die wenig beneidenswerte Aufgabe zu, eine stabile Regierung mit einem klaren Mandat über Parteigrenzen hinweg zu bilden, die Divergenzen innerhalb der EZB nehmen angesichts des nahenden Endes der Amtszeit von Mario Draghi zu und eine Wachstumsdynamik in Italien vor den Wahlen 2018 ist nicht erkennbar.
  • Im negativen Szenario schliesslich kämpft Griechenland um weitere Finanzierungen, Italien schlägt sich weiterhin mit notleidenden Vermögenswerten herum und eine Präsidentschaft Le Pens in Frankreich sorgt für Disharmonie im Herzen der EU und politische Lähmung im eigenen Land.

Das Risikobarometer als Steuerungshilfe für Anleger
Das Barometer, das auf die Messung des an den Kapitalmärkten eingepreisten Risikoniveaus ausgelegt ist, basiert auf einem Risikospektrum, das sich auf Daten aus den letzten 10 Jahren stützt, darunter die Lehman-Pleite, die Griechenlandkrise, der Brexit und das Referendum in Italien. Zum jetzigen Anfangsstadium zeigt das Barometer über alle Märkte hinweg keine Besorgnis im Bezug auf systemische Risiken an. Sektorübergreifend von Geldmärkten und Anleihen bis hin zu Aktien und Währungen betrachtet, kommen die Anlagestrategen der Credit Suisse zu dem Schluss, dass der Markt im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit auf einer Skala von 0 bis 10 gegenwärtig bei einem Wert von etwa 2 steht – wobei 10 bedeutet, dass die Bewertungen grösste Besorgnisse von Anlegern über künftige Risiken widerspiegeln.

Ohne eine Unterschätzung des Risikos nahelegen zu wollen, spricht dies dafür, dass die Preise für Vermögenswerte künftig erst noch einen erhöhten Grad der Besorgnis hinsichtlich systemischer Risiken signalisieren müssen. Dies zeigt sich am deutlichsten in liquiden kurzfristigen Finanzierungsmärkten, in geringen Renditen für Staats- und Unternehmensanleihen, starker Wertentwicklung bei Aktien und geringer impliziter Volatilität an den Aktien- und Kreditmärkten. Im Gegensatz dazu ist das stärkste Risikosignal in Europa die Unterbewertung des Euro.

Erster Akt: die Wahl in den Niederlanden
Die Niederlande läuten den dicht gedrängten politischen Terminkalender dieses Jahres mit der für den 15. März anberaumten Wahl ein. Aus Meinungsumfragen ging die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders mit einem Wähleranteil von etwa 18% seit Anfang des Jahres als führend hervor. In den letzten Tagen konnten die Konservativen der VVD zurück ins Rennen kommen und liegen nun kurz vor der PVV. Es sieht also weiterhin nach einer knappen Entscheidung aus. Obwohl sich die Unterstützung für die PVV seit der Wahl 2012 scheinbar verdoppelt hat, halten die Strategen der Credit Suisse die Wahrscheinlichkeit, dass die PVV die Regierung in den Niederlanden stellt, für gering. Das Land wurde traditionell von Koalitionsregierungen geführt, wobei die 150 Sitze im Parlament nach dem absoluten Verhältniswahlrecht vergeben werden. Der gegenwärtige liberale Premierminister Mark Rutte und weitere Mainstream-Parteien haben eine Koalition mit der Anti-Establishment-Partei ausgeschlossen. Dennoch glaubt das Strategie-Team der Credit Suisse, dass die neue Regierungskoalition möglicherweise weniger stabil sein wird, wenn man davon ausgeht, dass sich die Koalition ohne Geert Wilders in der Regierung aus einer relativ grossen Anzahl kleiner Parteien zusammensetzen wird. Ein weiteres Risiko liegt darin, dass ein achtbares Ergebnis von Geert Wilders als Impuls für die Wahlaussichten von radikalen Parteien im übrigen Europa anzusehen ist. Die Märkte werden die Wahl in den Niederlanden vermutlich als Signal für die bevorstehenden Wahlen in Frankreich nehmen.

Die Wahlen in Frankreich stellen das grösste Risiko für Europa dar
Laut den Anlagestrategen der Credit Suisse stellen die für den 23. April (erste Runde) und den 7. Mai (zweite Runde) anberaumten Präsidentschaftswahlen in Frankreich das grösste Risiko für Europa in diesem Jahr dar. Weniger als zwei Monate vor dem ersten Urnengang führt die Kandidatin des Front National (FN), Marine Le Pen, die meisten Meinungsumfragen mit etwa 26 % Unterstützung im ersten Wahlgang an. Die populistische Kandidatin hat die Neuverhandlung der EU-Verträge und die Rückkehr zu einer nationalen Währung zum Kern ihres Programms gemacht. Die Strategen der Credit Suisse sehen die Wahl von Marine Le Pen nicht als zentrales Szenario an, denn die Hürde, auch im zweiten Wahlgang zu gewinnen, bleibt recht hoch. Die Anlagestrategen gehen davon aus, dass jede Annäherung der Umfragewerte zu ihren Gunsten ein hohes Mass an Volatilität an den Märkten auslösen wird, da die Wahl einer Populistin zur französischen Präsidentin weitreichende Folgen für Europa hätte.

Politische Risiken beschränken sich nicht auf Wahlen
Es wird erwartet, dass die britische Regierung noch im Laufe des ersten Quartals Artikel 50 auslösen wird. Gespräche mit regionalen Vereinigungen einschliesslich der Schottischen Nationalpartei und nebenbei herrschende Zwietracht sowohl innerhalb der konservativen als auch der Labour-Partei deuten darauf hin, dass selbst das Erreichen der Startlinie vor den Gesprächen mit der EU eine Herausforderung darstellen wird. Davon abgesehen muss Griechenland im Juli über EUR 6 Mia. an Anleiherückzahlungen leisten, wobei sich die amtierende Regierung vehement gegen weitere Sparmassnahmen sträubt, Deutschland gegen Schuldenschnitte ist und der IWF keine weiteren Finanzierungen genehmigen will, bevor nicht eine längerfristige Lösung für eine Sanierung des nationalen Haushalts gefunden wurde. Italien und Spanien könnten ebenfalls mit vorgezogenen Wahlen aufwarten und damit zu weiteren Veränderungen in Europa beitragen, wenngleich dies eher unwahrscheinlich ist.

Ein Auseinanderbrechen der Eurozone ist nicht wahrscheinlich
Der Austritt eines «schwachen» oder «starken» Mitgliedstaates der Währungsunion bleibt für den Moment ebenfalls recht unwahrscheinlich, so wie auch das Auseinanderbrechen des gesamten Systems. Dennoch ist die Tragbarkeit der Schuldensituation in Griechenland, Portugal und insbesondere Italien trotz der deutlichen zwischenzeitlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten weiterhin fraglich. Vor diesem Hintergrund hat das Programm der EZB zum Ankauf von Vermögenswerten das Risiko eines Auseinanderbrechens der Währungsunion zwar gemindert, doch wohl auch gleichzeitig den Reformdruck gesenkt. Ein Vertrauensverlust in italienische Staatsanleihen könnte eine Krise auslösen, doch eine neue Regierung mit der Fähigkeit zur Umsetzung von Reformen würde das Anlegervertrauen signifikant erhöhen. Nicht zuletzt bleiben institutionelle Sicherungsmassnahmen gegen ein Auseinanderbrechen der Währungsunion weiter unvollständig. Aus dem Euro-System eine «runde Sache» zu machen würde eine klare Festlegung dazu erfordern, wie sich die Länder die Risiken teilen und wer sie trägt. Ohne eine solche Klarheit wird das moralische Risiko nicht begrenzt und Verpflichtungen zu einer – selbst eingeschränkten – Fiskalunion sind nicht absehbar.

Die Credit Suisse nimmt eine konstruktive, aber konservative Haltung zu Risikoanlagen ein
In einem Umfeld geringer Anleiherenditen und bereits kräftiger Aktienrenditen sind die Verwaltung des Portfoliorisikos insgesamt und die Diversifikation von entscheidender Bedeutung. «Deshalb bevorzugen wir im festverzinslichen Bereich hochwertige Unternehmensanleihen, betrachten deutsche Bundesanleihen gegenüber ihren europäischen Vergleichstiteln als sicheren Hafen und plädieren für eine Absicherung gegen Risiken in Peripherieländern über eine Underperform-Einschätzung von spanischen Staatsanleihen», so Pierre Bose. Bei Aktien werden sich die Folgen eines ungünstigen Wahlausgangs in Frankreich am deutlichsten in den Peripherieländern abzeichnen. Die Anlagestrategen behalten daher ihre Underperform-Einschätzung zum italienischen Markt bei, denn dieser hat sich in der Vergangenheit sensibel gegenüber politischer Unsicherheit in der gesamten Region und der Wertentwicklung der Finanzbranche gezeigt. Nach einer sehr starken Performance in den vergangenen sechs Monaten wird nun anhand einer Bevorzugung defensiver gegenüber zyklischen Sektoren eine defensive Ausrichtung bei Aktien eingenommen. Im Hinblick auf Währungen dürfte die Stärke von US-Dollar, Yen und Pfund Sterling die Euroschwäche ausgleichen. «Eine geringe implizite Volatilität bei Aktien und Währungen eröffnet Kunden die Möglichkeit, ihr Portfolio zu schützen oder konservativer ausgerichtete Engagements einzugehen», erklärt Pierre Bose. Dabei sei zu betonen, dass die Vorsicht hinsichtlich dem politischen Risiko in Europa durch positive Signale aus der Wirtschaft – sowohl in Europa wie auch weltweit – gemildert wird. (CS/mc/ps)

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