Die ungeheuerlichen Prognosen der Saxo Bank für 2023: Kriegswirtschaft

Die ungeheuerlichen Prognosen der Saxo Bank für 2023: Kriegswirtschaft
Steen Jakobsen, Chef-Ökonom Saxo Bank. (Bild: Saxo Bank)

Zürich – Die Saxo Bank, der Online-Trading- und Investmentspezialist, legt heute ihre 10 „Outrageous Predictions “ für 2023 vor. Bei diesen Prognosen steht eine Reihe von unwahrscheinlichen, aber nicht zu unterschätzenden Ereignissen im Mittelpunkt, deren Eintreten die Finanzmärkte sowie Politik und Gesellschaft in Aufruhr versetzen würde. Die Vorhersagen sind ein Gedankenexperiment und sollen den Blick dafür schärfen, was zwar nicht gerade wahrscheinlich, aber eben doch möglich ist. Die Saxo Bank hat unlängst eine Liste mit tatsächlich eingetroffenen ungeheuerlichen Prognosen veröffentlicht, darunter der Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union.

Die Prognosen entsprechen zwar nicht den grundsätzlichen Erwartungen der Saxo Bank für 2023, aber grosse Verwerfungen am Markt werden nun mal immer durch etwas Ungeheuerliches ausgelöst – dafür braucht es etwas völlig Unerwartetes. Heute, da Zentralbanken und Regierungen ohne Aussicht auf Erfolg gegen die Inflation kämpfen, lautet das Risiko für 2023 und darüber hinaus, dass ungeheuerliche Entwicklungen mehr denn je das Marktgeschehen prägen werden.

Der Chief Investment Officer der Saxo Bank, Steen Jakobsen, meint zu den ungeheuerlichen Prognosen seines Instituts: „Laut den diesjährigen «Outrageous Predictions» gibt es keinen Grund mehr, an die Rückkehr einer tendenziell rückläufigen Inflation wie vor der Pandemie zu glauben, weil wir bereits weltweit auf Kriegswirtschaft umgestellt haben. Die Grossmächte dieser Welt sind allesamt im Begriff, die nationale Sicherheit auf allen Ebenen zu verbessern – sei es im rein militärischen Sinn oder aufgrund der grossen Unwägbarkeiten in der Versorgung sowie im Energie- und Finanzsektor, die sich seit der Pandemie und dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gezeigt haben.“

Die Welt im Kriegszustand
Die ungeheuerlichen Prognosen für dieses Jahr beruhen unter anderem auf der Tatsache, dass die Situation in Europa heute ähnlich ist wie damals im frühen zwanzigsten Jahrhundert. 1910 schrieb Norman Angell in seinem Buch „The Great Illusion“, ein erneuter heftiger Krieg in Europa sei unvorstellbar. Zu sehr habe man sich inzwischen an den Handel mit anderen Ländern gewöhnt, der dank des jahrzehntelangen Friedens regelrecht aufgeblüht sei. Zehn Jahre später – nach einem unerbittlichen Zermürbungskrieg an starren Fronten – lag Europa in Trümmern.

Die Parallelen zur heutigen Zeit sind offensichtlich, war doch der russische Einmarsch in der Ukraine für viele ein unfassbarer Schock. Kaum einer konnte verstehen, warum der russische Staatschef Putin nach zwei Jahrzehnten des boomenden und hochrentablen Handels mit Westeuropa und der übrigen Welt – vor allem in Bereichen der Rohstoffgewinnung – riskiert, dass ein Krieg viele Opfer fordert und sein Land in eine Wirtschaftskrise stürzt.

Seit der Invasion in der Ukraine hat sich in Europa eine kriegswirtschaftliche Mentalität herausgebildet, wie es sie seit 1945 nicht mehr gegeben hat. Dabei geht es nicht nur darum, dass Westeuropa der Lage militärisch nicht gewachsen ist, sondern auch darum, dass Zweifel am europäischen Industriemodell mit Deutschland als Dreh- und Angelpunkt aufkommen, nachdem sich Europa von Russlands günstigen Öl- und Gasvorräten losgesagt hat.

Von den ungeheuerlichen Prognosen für 2023 befassen sich drei mit der Frage, wie Europa mit dieser Situation umgehen könnte. Eine Prognose dreht sich um die Bildung einer EU-Armee und eine andere identifiziert die zunehmenden politischen Friktionen in Frankreich als mögliche Ursache, weshalb die EU bald in ihre nächste Existenzkrise schlittern könnte. In Grossbritannien könnte sich bald die Ansicht durchsetzen, das Land sei viel zu klein, um in einer plötzlich viel grösseren Welt unabhängig zu bleiben. Die Saxo Bank sagt das Ungeheuerliche voraus: Im nächsten Jahr soll ein „UnBrexit“-Referendum abgehalten werden.

Die Saxo Bank prognostiziert, dass die Grossmächte ebenfalls auf Kriegswirtschaft umschalten werden. Da der Wirtschafts- und Technologiekrieg in den USA und China weiter eskalieren könnte, gehört kriegswirtschaftliches Denken dort wohl bald zur Tagesordnung. Für Satellitenstaaten dürfte es in einem „kalten Wirtschaftskrieg“ schwierig werden, weiterhin ohne Verbündete auszukommen. Auch sie spüren die Folgen des russischen Angriffs in der Ukraine. Länder, die nicht über ein langjähriges Militärbündnis mit den USA verfügen, dürften ganz klar nicht länger zulassen wollen, dass der Dollar als Waffe gegen sie eingesetzt werden kann. Die Saxo Bank prognostiziert daher, dass sich diese Länder auf einer Konferenz auf eine neue Reservewährung einigen, wodurch sie komplett unabhängig vom US-Dollar-Regime werden.

Wenn sich die Prognose einer Kriegswirtschaft im Jahr 2023 als richtig erweist, ist mit einer anhaltenden Inflation zu rechnen. Beträgt die Inflation Ende nächsten Jahres auch nur etwas mehr als die Hälfte der Höchstrate von 2022, sind ungeheuerliche Entwicklungen fast vorprogrammiert.

Möglicherweise überschätzen Anleger 2023 die positiven Auswirkungen einer drohenden Rezession auf die Inflation. Der unermessliche Investitionsbedarf eines Landes im Rahmen einer Kriegswirtschaft spricht nämlich auf jeden Fall – ob mit oder ohne Immobilien- und Kreditkrise – für tendenziell höhere Inflationsrisiken. Neben einer nachhaltigen Energieversorgung gilt es die Produktion im eigenen Land sicherzustellen, etwa durch den Aufbau von lokalen Lieferketten für lebenswichtige Güter, und die Armee aufzurüsten. Dabei wird jeder noch so kleine Nachfragerückgang im Privatsektor kompensiert – teilweise auch durch Ausgaben der öffentlichen Hand.

Und während die Zentralbanken vordergründig gegen die Inflation kämpfen, möchten sie dabei auch nicht „zu erfolgreich“ sein. Denn ein hochverschuldeter Staat bevorzugt auf lange Sicht fast immer eine konstante Inflation anstelle von schmerzhaften Sparmassnahmen oder gar einem Zahlungsausfall.

Die „ungeheuerlichen Prognosen 2023“ sind hier verfügbar. Im Folgenden das Wichtigste in Kürze:

1. Eine Gruppe von Milliardären initiiert ein Manhattan-Projekt mit billionenschweren Energieinvestitionen
Im Jahr 2023 wollen namhafte Technologieunternehmen und andere technophile Milliardäre den fehlenden Fortschritt bei der Entwicklung von Energieinfrastruktur nicht mehr länger dulden. Sie möchten sowohl ihre Träume verwirklichen als auch die notwendige Energiewende vorantreiben. Sie bilden ein Konsortium mit dem Codenamen „Third Stone“ und wollen über eine Billion Dollar für die Investition in Energielösungen zusammentragen.

So entsteht das grösste Forschungs- und Entwicklungsprojekt seit dem ursprünglichen Manhattan-Projekt, das zur Entwicklung der ersten Atombombe führte. Neben der eigentlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Nutzung des Potenzials von derzeitigen und bahnbrechenden neuen Technologien wird sich die Stiftung auch intensiv mit der Frage befassen, wie sich neue Energieerzeugungsquellen in Stromübertragungs- und Energiespeicherinfrastrukturen integrieren lassen, die die Basisstromversorgung sicherstellen – denn hier liegt der Schwachpunkt der bisherigen alternativen Energielösungen.

Auswirkungen auf den Markt: Unternehmen, die mit dem „Third Stone“-Konsortium zusammenarbeiten und zur Verwirklichung seiner Vision beitragen, steigen in einem ansonsten schwachen Anlageumfeld im Wert.

2. Frankreichs Präsident Macron tritt zurück
Bei den Parlamentswahlen im Juni 2022 haben die Partei von Präsident Emmanuel Macron und seine Verbündeten ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren. Die starke Opposition des Linksbündnisses NUPES und des rechtspopulistischen Rassemblement National unter Marine Le Pen lässt der Regierung keine andere Wahl: Sie greift auf Artikel 49.3 der französischen Verfassung zurück und verabschiedet wichtige Gesetze sowie den Haushalt 2023 im Schnellverfahren. In einer Demokratie kann man jedoch nicht einfach so am Parlament vorbei regieren. Macron wird bewusst, wie wenig er in den nächsten vier Jahren wird ausrichten können und dass sich seine Rentenreform wohl nicht durchsetzen lässt. Nach dem Vorbild von Charles de Gaulle in den Jahren 1946 und 1969 beschliesst Macron Anfang 2023 unerwartet seinen Rücktritt.

Macrons Rücktritt öffnet der rechtspopulistischen Kandidatin Le Pen die Tür zum Élysée-Palast. Dies sorgt in Frankreich wie auch im Ausland für Empörung – und die EU mit ihrem zweifelhaften institutionellen Rahmen steht vor einer neuen Existenzkrise.

3. Gold steigt sprunghaft auf 3’000 US-Dollar, denn die Zentralbanken bekommen die Inflation nicht in den Griff
Nach dem für viele Anleger frustrierenden Jahr 2022 – die Inflation war so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr und trotzdem legte der Goldpreis nicht zu – macht das Edelmetall endlich wieder Boden gut. 2023 setzt sich am Markt letztlich die Einsicht durch, dass sich die Inflation auf absehbare Zeit nicht mehr eindämmen lässt. Die Zinserhöhungen und die quantitative Straffung der Fed bringen den Mark der US-Staatsanleihen erneut unter Druck. Die hohe Volatilität erfordert neue unkonventionelle
„Massnahmen“, die de facto einer quantitativen Lockerung gleichkommen. Im Frühling rückt China endgültig von seiner NullCovid-Politik ab, kündigt eine wirksame Behandlung und vielleicht sogar einen neuen Impfstoff an. Die chinesische Wirtschaft kommt wieder in Schwung und treibt die Rohstoffpreise einmal mehr in die Höhe. Die Inflation trabt – vor allem gemessen am Dollar, dem die erneut lockere Haltung der Fed nicht gut bekommt. Die realen Zinssätze auf den Terminmärkten erscheinen dadurch plötzlich in einem ganz anderen Licht, was dem zuvor gemiedenen Gold Auftrieb gibt.

Aber es gibt noch drei weitere Gründe, weshalb die härteste aller Währungen im Jahr 2023 zulegen kann. Erstens der geopolitische Hintergrund. Durch die Kriegswirtschaft steht nämlich zunehmend die Selbstversorgung im Fokus und es werden nur noch so wenig Devisenreserven wie nötig gehalten – zugunsten von Gold. Zweitens massive Investitionen in die nationale Sicherheit sowie in die Energieerzeugung, die Energiewende und die Lieferketten. Drittens die weltweit zusätzlich bereitgestellte Liquidität, mit der die Politiker auf das moderat rückläufige reale Wachstum reagieren, um Verwerfungen am Anleihenmarkt zu verhindern. Der Goldpreis überwindet das Doppeltop bei 2’075 USD mit Leichtigkeit und klettert im nächsten Jahr auf mindestens 3’000 USD.

4. Die EU erhält eine Armee
Mit der russischen Invasion in der Ukraine erlebt Europa den grössten „heissen Krieg“ seit 1945. Bei den Zwischenwahlen 2022 in den USA konnten rechtspopulistische Republikaner im Kongress deutlich zulegen und der ehemalige Präsident Trump gab seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 bekannt. 2023 wird deutlicher denn je, dass Europa etwas für seine eigene Verteidigung tun muss, da der politische Kurs der USA immer unberechenbarer wird und die Gefahr besteht, dass die USA ihre bisherige Unterstützung für Europa einstellen, zum Beispiel nach einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine. Sämtliche EU-Mitglieder einigen sich daher auf einen drastischen Schritt: Sie wollen bis 2028 eine EU-Armee mit voll ausgebildeten und einsatzfähigen Boden-, See-, Luft- und Weltraumstreitkräften auf die Beine stellen. Kostenpunkt: 10 Billionen Euro verteilt über 20 Jahre. Die EU legt zur Finanzierung ihrer neuen Armee Anleihen auf und verteilt die Kapitalkosten auf die Mitgliedstaaten nach einem BIP-abhängigen Schlüssel. Dadurch gewinnt der Markt für europäische Staatsanleihen wesentlich an Bedeutung. Der massive Investitionsschub führt zudem zu einer starken Aufwertung des Euro.

5. Ein Land verbietet die Fleischproduktion bis 2030 vollständig
Um das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, muss sich einem Bericht zufolge der Fleischkonsum auf jährlich 24 kg pro Person verringern. Zum Vergleich: Derzeit beträgt der jährliche Fleischkonsum in den OECD-Mitgliedstaaten durchschnittlich ca. 70 kg pro Person. Länder, die rechtlich verbindliche Netto-Null-Ziele anstreben, werden den Klimawandel am ehesten mit Ernährung in Verbindung bringen. Schweden muss bis 2045 CO2-neutral werden, während andere Länder wie Grossbritannien, Frankreich und Dänemark das gleiche Ziel bis 2050 verfolgen. Mit Zuckerbrot und Peitsche klappt es jedoch selten. 2023 wird sich mindestens ein Land im Rennen um die offensivste Klimapolitik von den anderen abheben wollen, indem es ab 2025 eine erhebliche Fleischsteuer einführt und kontinuierlich erhöht. Bis 2030 soll dann die gesamte Fleischproduktion mit lebenden Tieren verboten werden, denn es wird damit gerechnet, dass pflanzenbasierte Fleischalternativen und das besonders human und emissionsarm produzierte Fleisch aus dem Labor bald noch besser schmecken und wesentlich zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen werden.

6. Grossbritannien hält UnBrexit-Referendum ab
Die Beliebtheit der Tories sinkt im Jahr 2023 unter Rishi Sunak und Jeremy Hunt auf ein neues Allzeittief. Deren knallharte Sparmassnahmen haben Grossbritannien in eine schmerzhafte Rezession gestürzt. Die Arbeitslosigkeit schnellt in die Höhe und pikanterweise steigt durch die fehlenden Steuereinnahmen auch das Haushaltsdefizit. Sunak fehlt nun der Rückhalt in der Bevölkerung und an öffentlichen Demonstrationen werden vorgezogene Neuwahlen gefordert. Grossbritannien ist wirtschaftlich am Boden und Umfragen zeigen, dass man nun selbst in England und Wales daran zweifelt, ob der Brexit eine gute Idee war. Sunak gibt schliesslich nach und ruft Neuwahlen aus. Er tritt zurück und überlässt damit einem neuen Kabinett die Führung der angeschlagenen Tory-Partei. Dem Vorsitzenden der Labour-Partei Keir Starmer ist nicht entgangen, dass die Bevölkerung ein zweites Brexit-Referendum befürwortet und die Umfragewerte der Liberaldemokraten, die ein neues Referendum fordern, steigen. Deshalb tritt er in der Brexit-Frage als parteilos auf und macht sich für ein zweites Referendum über den Wiedereintritt in die EU stark. Er tritt damit in die Fussstapfen von David Cameron, der vor dem ersten Referendum 2016 einen Deal mit der EU ausgehandelt hatte. Im dritten Quartal übernimmt die Labour-Regierung das Zepter und stellt ein UnBrexit-Referendum in Aussicht, das am 1. November 2023 abgehalten wird. Die Abstimmung fällt zugunsten eines Wiedereintritts in die EU aus.

Auswirkungen auf den Markt: Nach der Abwertung Anfang 2022 legt das GBP gegenüber dem EUR wieder um 10 Prozent und gegenüber dem CHF um 15 Prozent zu. Der Wiedereintritt in die EU sollte sich als Segen für den Londoner Finanzdienstleistungssektor erweisen.

7. Zur Eindämmung der Inflation werden weitreichende Preiskontrollen eingeführt
Die Inflation lässt sich nur schwer kontrollieren, solange die Globalisierungsdynamik nachlässt und der langfristige Energiebedarf nicht gedeckt ist.

Fast alle Kriege haben Preiskontrollen und Rationierungen mit sich gebracht – diese sind anscheinend in einem Krieg genauso unvermeidbar wie Todesopfer. Die Inflationsbekämpfungsmassnahmen von 2022 wurden zu vorschnell und zu planlos ergriffenen. Alles redet von einer Besteuerung der höheren Gewinne von Energieunternehmen, während es die Regierungen versäumen, auf das bewährte Mittel der Angebotsverknappung zu setzen. Sie kurbeln stattdessen die Nachfrage noch weiter an, indem sie eine Obergrenze für die Heizungs- und Strompreise festlegen. In Frankreich treibt dies die Versorger schlicht in den Bankrott – und in die Arme des Staates. Dies belastet zunächst den Staatshaushalt, dann via Inflation die Währung und führt letztlich zum verzweifelten Versuch der westlichen Politiker, ab dem 5. Dezember eine Preisobergrenze für russische Energielieferungen zu fordern. Damit wollen sie Russland seine Einkünfte streitig machen und für günstigere Rohölexporte weltweit sorgen. Aber sie dürften in beiden Punkten wenig Erfolg haben.

In einer Kriegswirtschaft greift die staatliche Hand gnadenlos ein, solange der Preisdruck die Stabilität bedroht. Zudem sehen die Politiker steigende Preise als ein Marktversagen, sodass sie weitere Massnahmen gegen die Inflation für nötig halten, um eine Destabilisierung der Wirtschaft oder gar der Gesellschaft zu verhindern. 2023 ist somit mit vermehrten Preis- und auch Lohnkontrollen zu rechnen. Vielleicht wird mancherorts sogar so etwas wie eine staatliche Behörde für Preise und Einkommen nach dem Vorbild von Grossbritannien und den USA errichtet.

Aber wie bei fast jeder Massnahme der Regierung ist auch hier mit unbeabsichtigten Folgen zu rechnen. Wer nur die Preise kontrolliert, ohne das Kernproblem zu lösen, wird nicht nur mehr Inflation erzeugen, sondern auch einen Riss im sozialen Gefüge riskieren – der Lebensstandard wird sich verschlechtern, solange die Anreize für eine gesteigerte Produktion fehlen und Ressourcen und Investitionen am falschen Ort eingesetzt werden. Nur wenn die Preise marktgesteuert sind, können Investitionen zu Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen führen.

Auswirkungen auf den Markt: siehe die ungeheuerliche Prognose eines sprunghaften Anstiegs des Goldpreises auf 3’000 USD.

8. OPEC+-Staaten und „Chindia“ verlassen den IWF und setzen auf eine neue Reservewährung
Wegen der US-Regierung, die den Dollar als Waffe im Handelskrieg einsetzt, sondert sich eine Gruppe von nicht mit den USA verbündeten Ländern vom Dollar und dem IWF ab und gründet eine internationale Clearing-Union (ICU) mit einer neuen Reservewährung, dem Bancor (Währungscode KEY). Sie setzen damit das ursprüngliche Konzept, das Keynes damals bei Bretton Woods vorgelegt hatte, in die Tat um und drehen damit den USA eine lange Nase, die ihre Macht über das internationale Währungssystem ausgenutzt haben.

Auswirkungen auf den Markt: Die Zentralbanken der entsprechenden Länder reduzieren ihre USD-Reserven drastisch. Die Renditen von US-Staatsanleihen steigen und der USD wertet um 25 Prozent ab gegenüber den Währungen von Ländern, die mit der neuen Reservewährung KEY handeln.

10. Japan verschafft dem Finanzsystem Luft mit einer USDJPY-Kursobergrenze bei 200
Mit dem Übergang ins neue Jahr 2023 nimmt der Druck auf den japanischen Yen und das japanische Finanzsystem erneut zu, denn die markante Straffung der geldpolitischen Zügel in den USA und die damit einhergehend höheren Renditen der USStaatsanleihen sorgen für eine weltweite Liquiditätskrise. Die japanische Zentralbank und das Finanzministerium reagieren zunächst mit einer Verlangsamung der Devisenmarktinterventionen. Schliesslich stellen sie sie ganz ein, nachdem sie erkennen, dass mehr als die Hälfte der Zentralbankreserven aufgebraucht sind und das japanische Finanzsystem vor dem Kollaps stehen könnte. Als USDJPY jedoch auch die Marken von 160 und 170 überwindet und die Klagen über die galoppierende Inflation in der Öffentlichkeit immer lauter werden, stehen die Währungshüter mit dem Rücken zur Wand und müssen handeln. Mit dem Durchbruch über die Marke von 180 treffen die Zentralbank und die Regierung schliesslich eine Entscheidung.

Zunächst kündigen Sie für USDJPY eine Kursobergrenze bei 200 an – nur als vorübergehende Massnahme auf unbestimmte Zeit, um das japanische Finanzsystem auf einen Reset vorzubereiten. Ein solcher Reset beinhaltet, dass die japanische Zentralbank ihre Forderungsbestände vollumfänglich monetarisiert, das heisst, in Luft auflöst. Das quantitative Lockerungsprogramm mit Schuldenmonetarisierung wird verlängert, um die japanische Staatsverschuldung weiter zu reduzieren; gleichzeitig wird aber auch der Ausstieg aus diesem Programm, das „Tapering“, über die nächsten 18 Monate beschlossen.

So gelingt es der japanischen Zentralbank, die Staatsverschuldung bis zum Ablauf des Programms um die Hälfte auf 100 Prozent des BIP zu reduzieren. Anschliessend erhöht die japanische Zentralbank den Leitzins auf 1,00 Prozent und nimmt von da an keinen Einfluss mehr auf die Zinskurve, was eine Erholung der 10-jährigen Rendite auf 2,00 Prozent ermöglicht. Die Kapitalanforderungen der Banken werden gedeckt, um Insolvenzen abzuwenden. Zudem finden Billionen von Yen, die auf ausländischen Sparkonten gehalten wurden, ihren Weg wieder zurück nach Japan – wegen Steueranreizen und auch dank des anhaltenden Exportbooms.

Durch den Kaufkraftverlust sinkt das reale BIP in der Folge um 8 Prozent, während das nominale BIP aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten um 5 Prozent zulegt. Japan hat mit diesem Reset nicht nur seine Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Pfad gebracht, sondern auch einen interessanten Lösungsansatz für vergleichbare Krisen geschaffen, die in Europa und den USA wohl nur eine Frage der Zeit sind.

Auswirkungen auf den Markt: USDJPY erreicht zwar die Kursobergrenze von 200, erholt sich aber bis zum Jahresende deutlich.

10. Die Nutzung von Steueroasen wird verboten – ein Nackenschlag für Private Equity
2016 hat die EU eine schwarze Liste eingeführt, auf der als „nicht-kooperativ“ geltende Länder oder Gebiete aufgeführt sind, die mit ihrer Steuergesetzgebung einer aggressiven Steuervermeidung und -planung Vorschub leisten. Sie reagierte damit auf die geleakten Panama Papers, eine Sammlung von Millionen von Dokumenten, die die Steuervermeidungsstrategien von vermögenden Einzelpersonen einschliesslich Politiker und Popstars aufdeckten. Kriegswirtschaftliches Denken ist im Jahr 2023 auf dem Vormarsch – deshalb richtet sich der Fokus der nationalen Sicherheit zunehmend auf die Industriepolitik und den Schutz der heimischen Industrie. Die Regierungen geben viel Geld für die Verteidigung, den Wiederaufbau der lokalen Produktion und die Energiewende aus und suchen deshalb überall nach möglichen Steuereinnahmequellen. Steuerhinterzieher, die von Vorteilen der Steueroasen profitieren, sind für sie ein gefundenes Fressen. Durch Steueroasen entgehen den Regierungen jährlich schätzungsweise 500 bis 600 Milliarden US-Dollar an Körperschaftssteuereinnahmen.

Im Jahr 2023 verbietet die OECD die Nutzung der wichtigsten Steueroasen der Welt komplett. In den USA wird Einkommen aus Gewinnbeteiligungen künftig zudem nicht mehr wie bisher als Kapitalgewinn besteuert, sondern als reguläres Einkommen. Die verbotene Nutzung von Steueroasen in der EU und die neue Einkommenssteuerregelung für Gewinnbeteiligungen in den USA erschüttern die gesamte Private-Equity- und Risikokapitalbranche. Ein Grossteil des Ökosystems wird dadurch zum Erliegen kommen und börsennotierte Private-Equity-Firmen sehen sich mit einem Bewertungsabschlag von 50 Prozent konfrontiert.

Auswirkungen auf den Markt: Der iShares Listed Private Equity UCITS ETF fällt um 50 Prozent.

(Saxo Bank/mc/ps)

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