Trichet schlägt gemeinsames Finanzministerium vor

Trichet schlägt gemeinsames Finanzministerium vor

Aachen – Der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, will unverbesserliche Schuldensünder in Europa zur Not mit einem EU-Veto ausbremsen – und bringt erstmals ein europäisches Finanzministerium ins Spiel. Der Franzose erhielt am Donnerstag den renommierten Karlspreis für seine Verdienste um die Euro-Währungsunion.

In seiner Dankesrede forderte Trichet schärfere Sanktionen für Schuldenstaaten. Notfalls sollten EU-Institutionen in die nationale Wirtschaftspolitik eingreifen können. «Wir brauchen jetzt einen Quantensprung», sagte Trichet beim Festakt in Aachen. So könne er sich ein Vetorecht der EU-Gremien gegen Haushaltsentscheidungen des betroffenen Landes vorstellen. «Ein solches Veto könnte beispielsweise wichtige Haushaltsentscheidungen betreffen oder grundlegende Entscheidungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ausschlaggebend sind», sagte Trichet. Die Vorschläge des Chefs der Notenbank EZB gehen weit über das derzeitige System aus Überwachung, Empfehlungen und Sanktionen hinaus, das Trichet schon mehrfach als unzureichend kritisiert hat. Gegen seine Ideen gibt es in den Staaten erhebliche politische Vorbehalte.

Direkte Verantwortung in mindestens drei Bereichen
Trichet hält auch ein für die gesamte Euro-Zone zuständiges Finanzministerium für denkbar. Es könne die Haushaltspolitik der Staaten überwachen, den Finanzsektor integrieren und die EU in internationalen Gremien repräsentieren. «Es müsste nicht notwendigerweise ein Finanzministerium sein, das ein grosses föderales Budget verwaltet, sondern ein Ministerium, das direkte Verantwortung in mindestens drei Bereichen hat», sagte der 68-Jährige, dessen Amtszeit im Herbst endet. Mit Blick auf die Souveränität der Staaten räumte Trichet zwar ein, in einem ersten Schritt sollten die Wackelkandidaten finanziell unterstützt werden. Falls ein Land aber finanzielle Unterstützung erhalte und nicht ausreichend spare, könnte beispielsweise der EU-Ministerrat – nach einem Vorschlag der EU-Kommission und in Zusammenarbeit mit der EZB – verpflichtende Wirtschaftsentscheidungen für das Land treffen.

Griechenland nicht ausrücklich erwähnt
In seiner überwiegend in Deutsch gehaltenen Rede nannte Trichet das hochverschuldete Griechenland nicht ausdrücklich. Er spielte aber auf die Lage dort an. Zuletzt hatten Rating-Agenturen die Kreditwürdigkeit des von der Pleite bedrohten Landes erneut gesenkt. Athen wurde im vergangenen Jahr mit einem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro von den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Bankrott gerettet und benötigt nun erneut Kredite, weil die Sparauflagen nicht eingehalten wurden.

«Stärkung der Regeln hat höchste Priorität»
«Um unsolide Wirtschaftspolitik zu vermeiden, hat die Stärkung der Regeln höchste Priorität», betonte Trichet. Diese Regeln müssten verhindern, dass einzelne Länder sich und dem gesamten Eurogebiet schadeten. Auch der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, sprach sich in seiner Laudatio für die Fortsetzung der europäischen Integration gerade im Wirtschafts- und Finanzbereich aus. «Es bleibt noch viel zu tun», sagte Barroso in Aachen. Man dürfe nicht nachlassen.

«Europa am Scheideweg»
Barroso würdigte die Leistungen Trichets in der Finanz- und Schuldenkrise. Unter Trichet habe die Europäische Zentralbank ihren Auftrag erfüllt und die Preisstabilität gesichert. Trichet habe dies mit einer Mischung aus Pragmatismus, Wagemut und einer ständigen Bereitschaft zu helfen erreicht. Europa stehe an einem Scheideweg und müsse sich zu seiner Überzeugung bekennen. «Entweder wir setzen uns gemeinsam durch, oder wir zerfallen», sagte Barroso.
(awp/mc/ps)

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