EY Bankenbarometer 2015: Regulation statt Innovation

EY Bankenbarometer 2015: Regulation statt Innovation
(Foto: © eriktham - Fotolia.com)

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Zürich –  Die neue Realität im Banking nimmt Konturen an. Wie das EY Bankenbarometer 2015 zeigt, rechnet über die Hälfte der Schweizer Banken damit, dass der automatische Informationsaustausch in Zukunft auch auf inländische Bankkunden angewendet wird. Der Trend zu höherer Steuertransparenz hat bislang in der Einschätzung der Banken nicht zu wesentlichen Nettoabflüssen von Kundengeldern geführt. Allerdings hat der Transformationsprozess erst begonnen und viele Banken sind weiterhin mit der Umsetzung neuer regulatorischer Bestimmungen sowie der Bereinigung von Altlasten beschäftigt. Innovations- und Wachstumsinitiativen kommen oftmals zu kurz.

Das Kerngeschäft der Banken hat sich auch unter erschwerten Bedingungen positiv entwickelt. Trotz Niedrigzinsumfeld, tiefen Transaktionsvolumen an den Aktienmärkten und steigenden Kosten für die Umsetzung neuer Gesetze und Regulierungen ist die Mehrheit der Schweizer Banken mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. 88 (im Vorjahr 71) Prozent der 120 für das EY Bankenbarometer befragten Institute (ohne die beiden Grossbanken) bewerten den aktuellen operativen Geschäftsgang als positiv oder eher positiv. Ebenso zuversichtlich blicken sie in die Zukunft: 84 (75) Prozent rechnen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten mit verbesserten operativen Ergebnissen. Das Bild wird allerdings durch die anhaltend hohen Kosten für die Bereinigung von Altlasten etwas getrübt.

«Die Konturen des neuen regulatorischen Rahmens sind nun besser erkennbar, und für viele Themen, welche die Banken seit Jahren beschäftigen, zeichnen sich konkrete Lösungen ab. Dadurch werden hemmende Unsicherheiten beseitigt. Dennoch befassen sich viele Banken noch mit Altlasten statt mit Innovation und Wachstum», fasst Patrick Schwaller, Managing Partner FSO Assurance bei EY Schweiz, die Umfrageergebnisse zusammen.

Automatischer Informationsaustausch für inländische Bankkunden
Vor einem Jahr zeigte das EY Bankenbarometer, dass die Mehrheit der Banken erwartet, dass sich der automatische Informationsaustausch (AIA) als globaler Standard durchsetzen wird. Nun gehen die befragten Institute bereits einen Schritt weiter: 54 Prozent rechnen sogar damit, dass der automatische Informationsaustausch letztlich auch auf inländische Bankkunden angewendet wird. Dies dürfte jedoch erst nach der Einführung des AIA für ausländische Kunden der Fall sein.

«In der Schweiz ist das Verhältnis zwischen Bürger und Staat durch Liberalität und Selbstverantwortung und nicht durch übermässige Kontrolle geprägt. Dennoch kann sich die Schweiz den internationalen Entwicklungen nicht entziehen und der AIA scheint dann vermutlich auch im Inland kein Tabu mehr zu sein», sagt Patrick Schwaller.

Kaum Vermögensabflüsse – Ruhe vor dem Sturm?
Die Herausforderungen rund um Bankkundengeheimnis, Steuertransparenz und den AIA haben bisher noch kaum Spuren in den Büchern der Banken hinterlassen: 69 Prozent der Banken geben an, im letzten Jahr keine bedeutenden Nettoabflüsse von Kundengeldern registriert zu haben. Allerdings mussten grössere Institute, welche im Transformationsprozess bereits weiter fortgeschritten sind, verhältnismässig grössere Vermögensabflüsse hinnehmen als kleinere Institute.

«Dass die Mehrheit der Banken in der Befragung nur unwesentliche Vermögensabflüsse nennt, überrascht. Der Transformationsprozess hat allerdings erst begonnen, der AIA und andere Initiativen werden erst in den nächsten Jahren voll durchschlagen und es ist deshalb noch mit erheblichen Abflüssen von Kundengeldern zu rechnen», sagt Bruno Patusi, Partner und Leiter Wealth & Asset Management bei EY Schweiz.

Anhaltend hoher Konsolidierungsdruck im Private Banking
Der Konsolidierungsdruck in der Finanzbranche bleibt hoch. In den letzten fünf Jahren sind in der Schweiz bereits rund 50 Institute verschwunden. 58 (49) Prozent der befragten Institute erwarten auch für die kommenden Monate eine beschleunigte Konsolidierung. Weitere 27 (33) Prozent rechnen ebenfalls mit einer Konsolidierung, allerdings erst in den nächsten zwei bis vier Jahren. Den grössten Konsolidierungsdruck spüren die Privat- und Auslandbanken.

«Das Private Banking ist am stärksten von der neuen Realität betroffen. Verändertes Kundenverhalten, regulatorische Entwicklungen und zunehmender Wettbewerbsdruck machen diesen Banken zu schaffen. Derzeit wird jedoch eine weitergehende Konsolidierung durch Unsicherheiten im Zusammenhang mit Altlasten gebremst», sagt Bruno Patusi.

Fokus auf Regulierung und Kosten statt auf Innovation und Wachstum
Der Bewältigung der regulatorischen Veränderungen kommt in den nächsten Monaten mit Abstand die höchste Priorität zu. Effizienz- und Ertragssteigerung werden ebenfalls häufig genannt. Demgegenüber werden der Neuausrichtung der Produkte und Dienstleistungen auf veränderte Kundenbedürfnisse sowie der Ausbau von digitalen Angeboten noch wenig Bedeutung beigemessen.

Die zunehmende Digitalisierung im Bankgeschäft verändert die Geschäftsmodelle in der Finanzindustrie immer stärker. Mittlerweile erkennen nicht weniger als 44 (32) Prozent der befragten Banken eine zunehmende Bedrohung durch branchenfremde Anbieter. Diese Bedrohung wurde lange Zeit negiert.

«Angesichts knapper Ressourcen konzentrieren sich die Banken derzeit vor allem auf die Vergangenheitsbewältigung. Neue Chancen im Markt, die sich auch im Rahmen des Strukturwandels ergeben, bleiben oftmals ungenutzt, und die Gefahr steigt, dass einzelne Banken den Anschluss verlieren, wenn dringend erforderliche Investitionen in neue Strategien, Geschäftsmodelle und Technologien vernachlässigt werden», gibt Olaf Toepfer, Leiter Banking & Capital Markets bei EY Schweiz, zu bedenken.

Zweifel an der Wirkung der Finanzmarktregulierung
Die Umsetzung der neuen Finanzmarktregulierung verursacht nach Meinung der Industrie unverhältnismässig hohe Kosten. Die befragten Institute rechnen in diesem Zusammenhang mit durchschnittlich 2 Millionen Franken pro Institut, was für den Gesamtmarkt Kosten von mindestens 500 Millionen Franken verursacht (ohne die beiden Grossbanken). Der Nutzen dieser Regulierung bleibt jedoch fraglich: Nur eine Minderheit glaubt, dass die neue Finanzmarktregulierung die Anlageberatung und den Anlegerschutz nachhaltig verbessert. Die meisten Banken erwarten vielmehr eine Zunahme von Komplexität und Verteuerung der Bankdienstleistungen sowie letztlich eine Bevormundung des Bankkunden.

«Es besteht die Gefahr, dass die Regulierung das Ziel verfehlt und sogar zu kontraproduktiven Entwicklungen führt. Unter Umständen werden nämlich Retailkunden keinen oder nur einen beschränkten Zugang zu einer umfassenden Anlageberatung erhalten, wie dies in anderen Ländern bereits zu beobachten ist», sagt Olaf Toepfer.

Weithin restriktive Kreditpolitik
Die Banken beurteilen die Preisentwicklung am Immobilienmarkt etwas gelassener als noch in den Vorjahren: Noch 54 (64) Prozent teilen die Auffassung, dass der Immobilienmarkt zur Blasenbildung neigt. Und nur noch 27 (41) Prozent der befragten Banken rechnen mit steigenden Wertberichtigungen im Kreditgeschäft. Seit 2011 verfolgen die Banken eine zunehmend restriktive Kreditvergabepolitik. Und die Umfrage zeigt, dass die Banken in den nächsten Monaten daran festhalten werden, obschon die Kreditverluste bei den Schweizer Banken im letzten Jahr auf ein rekordtiefes Niveau gefallen sind.

Die Wirkung des angeordneten antizyklischen Kapitalpuffers wird von den Banken zunehmend in Frage gestellt: Nur noch 43 (51) Prozent erwarten, dass die Nationalbank damit das Wachstum bei den Hypothekarkrediten nachhaltig hemmen kann. Die Überwälzung der zusätzlichen Eigenmittelkosten auf die Kunden hatte bislang nur minimale Preiserhöhungen zur Folge. (EY Schweiz/mc/ps)

Informationen zur Studie
Das zum fünften Mal erhobene EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 120 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz, ohne die beiden Grossbanken. Bei 53% der befragten Institute handelt es sich um Regionalbanken, bei 20% um Privatbanken, bei 16% um Kantonalbanken und bei 11% um Auslandbanken. 88% der Institute stammen aus der Deutschschweiz, 9% aus der Westschweiz und 3% aus dem Tessin. Die telefonische Befragung wurde im November 2014 im Auftrag von EY durch das unabhängige Marktforschungsinstitut Valid Research in Bielefeld durchgeführt.

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