«EZB und SNB – weiter wie bisher ist nicht der richtige Weg»

«EZB und SNB – weiter wie bisher ist nicht der richtige Weg»
Hans Kuhn, Verwaltungsrat CROWDLITOKEN AG. (Foto: CROWDLITOKEN)

Negativzinsen – dieser Begriff sorgt nicht nur bei Vermögenden, sondern auch bei Kleinsparern für Sorgenfalten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am letzten Donnerstag die Negativzinsen für die europäischen Banken um 0,1 auf neu minus 0,5% gesenkt und unterstreicht ihre expansive Geldpolitik zudem mit einem Anleihekaufprogramm. Die Schweizer Nationalbank (SNB) könnte diese Woche reagieren und ihren Schweizer Leitzins von 0,75% ebenfalls weiter senken. Wie sind diese Massnahmen einzuordnen? Was bedeutet das für Sparer?

Wenn die Zentralbanken weiterhin ihren eingeschlagenen Weg gehen, dann sei das nicht die richtige Lösung, sagt Hans Kuhn. Kuhn ist Experte für geldpolitische Entwicklungen, kennt die neue und alte Finanzwelt. Er war von 2001-2014 General Counsel bei der SNB, in den letzten Jahren ist er zum juristischen Berater für Fintech-Unternehmungen mutiert. Bei CROWDLITOKEN AG, die eine mit Immobilien hinterlegte, digitale Anleihe herausgibt, ist er zudem Verwaltungsrat.

Hans Kuhn, die EZB hat letzte Woche mit ihren Massnahmen die expansive Geldpolitik der Europäischen Union untermauert. Waren diese notwendig, angemessen oder schiessen sie gar über das Ziel hinaus?

«Die grossen Zentralbanken – insbesondere die EZB und das Zentralbanken-System der Vereinigten Staaten, das FED – haben während und auch nach der Finanz- und Eurokrise die Märkte mit Liquidität geflutet. Sie taten das in einem Ausmass, das historisch absolut einmalig ist. Vor allem in Europa ist es nicht gelungen, grundlegende strukturelle Probleme zu lösen. Die exzessive Verschuldung verschiedener Mitgliedstaaten der Eurozone oder die Schwächen des Bankensystems sind bis heute geblieben. Unter diesen Umständen nun im gleichen Stil weiterzumachen wie bisher, ist aus meiner Sicht verheerend. Es ist meines Erachtens auch längst nicht mehr durch das Mandat der EZB gedeckt.»

Sie kennen die Mechanismen in Europa und der Schweiz. Welche Reaktion erwarten Sie von der SNB, was steht dem Finanzplatz Schweiz bevor?

«Die SNB ist längst eine Geisel der EZB. Will die SNB keine schockartige Aufwertung des Frankens riskieren, dann muss sie die Zinsdifferenz zum Euro beibehalten. Mit anderen Worten; die SNB müsste die Zinsen nicht weiter ins Negative drücken. SNB-Vertreter haben ja bereits unmissverständlich kundgetan, dass sie dazu bereit sind. Es ist spekulativ. In meinen Augen ist es wirklich völlig offen, ob die SNB die Zinsen weiter senkt. Tut sie es, so wird es hoch problematisch. Schliesslich ist die SNB durch die Verfassung zu einer unabhängigen Geldpolitik verpflichtet und kann sich nicht einfach an eine ausländische Zentralbank ketten.»

Die Massnahmen der EZB zielen grundsätzlich auf Preisstabilität und eine Ankurbelung der Wirtschaft ab. Den «kleinen Mann auf der Strasse» interessiert aber eher, was das für ihn bedeutet. Hat der Kleinsparer auf seinem Bankkonto bald Negativzinsen zu befürchten?

«Die Schweizer Banken sind bisher davor zurückgeschreckt, Negativzinsen auf Kleinsparer zu überwälzen. Im Gegenzug haben sie die Kontoführungs- und Transaktionsgebühren teilweise deutlich erhöht. Wie sie sich künftig verhalten, hängt in erster Linie vom Ausmass einer Zinssenkung ab – irgendeinmal wird die Sache auch für die Banken zu teuer. Entscheidend ist meines Erachtens aber etwas anderes. Vermögen, die keine Erträge abwerfen, sind auf Dauer eine sehr teure Sache. Zudem führt eine Geldschwemme über kurz oder lang zu Inflation. Auf den Gütermärkten erleben wir ja mit den stark steigenden Preisen für Immobilien und Aktien bereits eine Art Inflation.»

Die Leute sind also indirekt aufgefordert, ihre gebunkerten Gelder abzuheben und in Güter zu investieren. Worin sollen sie investieren, was sind die sichersten Anlagen?

«Nach dem jüngsten Entscheid der EZB und des FED ist klar, dass die extreme Zinssituation noch einige Zeit, möglicherweise noch mehrere Jahre anhalten wird. Es wird also auf absehbare Zeit keine steigenden Zinsen geben. Unter diesen Umständen muss jede und jeder sich überlegen, ob es wirklich noch sinnvoll ist, sein Vermögen auf einem Bankkonto zu halten oder ob man es nicht woanders anlegen sollte. Welches die beste Anlage ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Es hängt vom Vermögen, der Lebenssituation und auch vom Risikoappetit eines jeden ab. Grundsätzlich stehen bei alternativen Anlagen dabei reale Werte wie Aktien und Immobilien im Vordergrund.»

Sie haben sich in den letzten Jahren intensiv in die Blockchain-Technologie eingearbeitet, die der Fintech-Branche zugrunde liegt. Welche Chancen bieten Fintech-Produkte für den Anleger?

«Fintech-Unternehmungen können die Finanzindustrie und Finanzprodukte nicht neu erfinden. Sie können aber die Art und Weise, wie Finanzinstrumente produziert, verwahrt, übertragen und verwaltet werden, neu gestalten. Sie tragen damit zur Stärkung des Wettbewerbs bei, was sich positiv auf Preise und Kosten auswirken sollte. Darüber hinaus wird es Produkte mit neuartigen Features geben. Es wird beispielswiese viel grössere Transparenz geben oder es ist möglich, massgeschneiderte Anlagen zu produzieren.

CROWDLITOKEN AG, eine Fintech-Unternehmung im Liechtenstein, gibt seit drei Monaten eine digitale Anleihe in Form von Security Tokens heraus, welche mit Immobilien hinterlegt sind. Mit ihrem Verwaltungsrats-Mandat geben sie ein klares Statement ab, dass sie an diese Neuentwicklung glauben. Warum?

«Crowdlitoken ist ein extrem spannender Showcase und zeigt auf, was mit der neuen Technologie alles möglich ist: Er erlaubt Investitionen in Märkte, die bisher nur mit sehr grossen Tickets zugänglich waren. Er erlaubt, das Risiko- und Renditeprofil den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Sobald der Regulator auch noch digitale Handelsplattformen zulässt, wird Crowdlitoken auch Liquidität in einem bisher sehr illiquiden Marktsegment schaffen. Schliesslich bietet das Crowdlitoken-Ökosystem auch weitgehende Transparenz in einem bisher sehr intransparenten Anlagesegment. So sieht für mich die Zukunft des Investierens in Immobilienmärkten aus.»

Gehen wir nochmals zurück auf die Meta-Ebene. Kommt es 2020 zum Finanzkollaps oder stehen wir unmittelbar vor dem Umbruch der Finanzwelt – wohin geht die Reise?

«Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie zu Zukunft betreffen (lacht). Nein, ich glaube nicht an einen Finanzkollaps, aber wir stehen unmittelbar vor einem Umbruch. Weiter wie bisher – so wie das die Zentralbanken tun – ist jedenfalls nicht der richtige Weg.» ( CROWDLITOKEN /mc/ps)

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go.crowdlitoken.com

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